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Arthur von Weinberg

From Wickepedia
File:Arthur von Weinberg ca1910.jpg
Arthur von Weinberg (um 1910)

Arthur Weinberg, ab 1908 von Weinberg, (* 11. August 1860 in Frankfurt am Main; † 20. März 1943 im KZ Theresienstadt) war ein deutscher Chemiker und Unternehmer. Er war u. a. Teilhaber der Cassella Farbwerke Mainkur, Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglied der I.G. Farbenindustrie AG und ein bedeutender Mäzen und Stifter wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen. 1930 wurde er Ehrenbürger von Frankfurt am Main. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgt. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er fast in Vergessenheit; erst seit Ende des 20. Jahrhunderts wird seine Bedeutung als Stifter und Mäzen wieder zunehmend gewürdigt.[1]

Leben

Arthur Weinberg entstammte einer jüdischen Unternehmer-Familie. Die Eltern waren Bernhard Weinberg und Pauline Weinberg geb. Gans. Nach dem Abitur an der Musterschule in Frankfurt studierte er ab 1877 an der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München Physik, Chemie, Mathematik und Klassische Philologie. 1880 im Corps Transrhenania München recipiert, klammerte er viermal die Erste Charge.[2] Ebenfalls 1880 ließen Arthur und sein Bruder Carl von Weinberg sich evangelisch taufen.[3] Mit einer Doktorarbeit bei Paul Friedlaender am Münchener Institut von Adolf von Baeyer wurde er 1882 zum Dr. phil. promoviert.[4][5] Hieraus entstand seine lebenslange Freundschaft zu Friedlaender.[6] Im selben Jahr ging er als Einjährig-Freiwilliger zur Leichten Kavallerie und diente im 3. Chevaulegers-Regiment „Herzog Karl Theodor“ der Bayerischen Armee.[7] 1903 stiftete er 5.000 Mark für die Krieger-Kameradschaft Frankfurt, in der er Mitglied war. Aus diesem Weinberg-Fonds sollten „unverschuldet in Not geratene Kameraden“ unterstützt werden. Ein Jahr später stiftete er weitere 1.000 Mark für den Fonds.[8]

1908 wurde er zusammen mit seinem Bruder Carl durch Kaiser Wilhelm II. in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.[9] 1909 heiratete er die verwitwete Niederländerin Willemine Peschel geb. Huygens.

Chemie

1883 trat er als Teilhaber und Technischer Leiter in die Farbwerke Cassella in Fechenheim ein, die damals von seinem Onkel Leo Gans geführt wurden. Gemeinsam mit seinem Bruder Carl machte er das Unternehmen Cassella um 1900 zum weltgrößten Hersteller synthetischer Farbstoffe. 1907 übernahmen Arthur und Carl die Gesamtleitung der Cassella Farbwerke. Weinberg war befreundet mit dem späteren Nobelpreisträger Paul Ehrlich, dessen Forschungen er unterstützte.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

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Als Reserveoffizier diente Weinberg im Ersten Weltkrieg als Führer der 1. Eskadron im bayerischen 6. Reserve-Kavallerie-Regiment, zuletzt als Major.[7] Für seine Leistungen wurde er mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes sowie dem Bayerischen Militärverdienstorden IV. Klasse mit Krone und Schwertern ausgezeichnet. 1916 übernahm er die Leitung des Referats Chemie im preußischen Kriegsministerium. Nach Kriegsende kehrte er in die Industrie zurück und wurde 1926 Mitglied des Aufsichtsrats der IG Farbenindustrie AG, dem damals größten Chemiekonzern im Deutschen Reich.

Mäzen und Stifter

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Arthur von Weinberg (links) zusammen mit seinem Bruder Carl beim Morgenritt auf dem Gestüt Waldfried

Privat galt Arthur von Weinbergs Leidenschaft den Pferden. In jungen Jahren war er ein erfolgreicher Herrenreiter. 1891 gründete er seinen eigenen Rennstall, aus dem später das berühmte Gestüt Waldfried hervorging, dessen Zuchtlinien noch heute eine bedeutende Rolle in der deutschen Vollblutzucht spielen. Insgesamt trugen sieben Derby-Sieger die blau-weiß gestreiften Waldfrieder Farben.

Er gehörte zu den größten Steuerzahlern von Frankfurt am Main zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs.[10] 1909 richtete er die Arthur von Weinberg-Stiftung ein und stattete sie so großzügig aus, dass er daraus unter anderem dem Physikalischen Verein eine Professur für Physikalische Chemie finanzieren konnte. Er förderte die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und war ab 1909 ihr gewählter Direktor. Weinberg und sein Bruder Carl gehörten 1914 zu den Stiftern der Universität Frankfurt.

Zu den von ihm geförderten kommunalen Einrichtungen gehörten neben der Universität das Städelsche Kunstinstitut, das städtische Hallenbad und das Kinderdorf Wegscheide. Weinberg handelte die ersten reichsweiten Tarifverträge für die chemische Industrie aus und richtete zahlreiche soziale Einrichtungen für Betriebsangehörige und ihre Familien ein, beispielsweise Werkswohnungen, eine Betriebskrankenkasse, betriebliche Altersversorgung, Stipendien und Beihilfen. Er und seine Ehefrau spendeten wiederholt für die vom Arzt und Wohltäter Wilhelm Hufnagel gegründete und geleitete Kinderheilanstalt in Bad Orb. Durch diese Förderung war die Errichtung des nach Weinbergs Ehefrau benannten „Willeminenhauses“ möglich.[11]

Zeit des Nationalsozialismus

File:Stolpersteine Buchenrodestr. Weinberg 04 Arthur von Weinberg a.jpg
Bild von Arthur von Weinberg und Denktafel

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Weinberg seine Ehrenämter aufgeben und aus den Gremien der IG Farben ausscheiden. In Vollzug der Arierparagraphen wurde er 1935 aus der Philisterliste seines Corps gestrichen.[7]

Nach den Novemberpogromen 1938 wurde er gezwungen, seine 1908 erbaute Villa Haus Buchenrode in Frankfurt-Niederrad für einen Bruchteil des Wertes an die Stadt zu verkaufen und den Verkaufserlös als willkürliche Judenvermögensabgabe an die städtische Finanzkasse abzutreten. Zeitzeugen berichten, dass der damalige Oberbürgermeister Friedrich Krebs und andere nationalsozialistische Funktionäre sich gewaltsam Einlass verschafft und den fast achtzigjährigen, seit 1935 verwitweten Arthur von Weinberg mit dem Satz „Der Jud muss raus“ in den Park geschickt haben, um den Zwangsverkauf des Hauses vorzubereiten.[1] 1939 wurde dort das Musische Gymnasium untergebracht.

Weinberg zog zu seinen adoptierten Töchtern, erst zu Charlotte, später zu Mary Gräfin von Spreti auf Schloss Pähl am Ammersee in Bayern. Er hatte ihnen 1937 das Gestüt Waldfried überlassen. Auf Veranlassung des Gauleiters vom Gau München-Oberbayern, Paul Giesler, wurde er am 2. Juni 1942 verhaftet.[7] Ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, starb er dort nach einer Cholezystektomie im Alter von 82 Jahren. Seine Asche wurde wie die tausender anderer Opfer in Theresienstadt in die Eger geschüttet.

Ehrungen

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Arthur-von-Weinberg-Steg
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Stolperstein für Arthur von Weinberg

Eine Gedenkstele der Leopoldina zum Andenken von neun Mitgliedern der Akademie, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden oder an den unmenschlichen und grausamen Bedingungen der Lagerhaft starben, erinnert auch an Arthur von Weinberg.[13] Am 12. Mai 2012 verlegte der Künstler Gunter Demnig an der Stelle seiner ehemaligen Villa Haus Buchenrode einen Stolperstein für Arthur von Weinberg.

Nach ihm benannt sind der Arthur-von-Weinberg-Steg zwischen Fechenheim und Offenbach-Bürgel, die Arthur-von-Weinberg-Straße in Frankfurt-Kalbach-Riedberg, der Arthur-von-Weinberg-Park in Frankfurt-Niederrad sowie das Arthur-von-Weinberg-Haus,[14] vormals die „Alte Physik“ der Goethe-Universität bzw. des Physikalischen Vereins.

Ehrenämter

File:Hauptfriedhof-Frankfurt-2016-Familie-Weinberg-Ffm-630.jpg
Familiengrab Weinberg auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Literatur

  • Heinrich Ritter, Werner Zerweck: Arthur von Weinberg 1860–1943 in memoriam. In: Chemische Berichte, 89. Jahrgang 1956, Heft 6, S. XIX–XLI, doi:10.1002/cber.19560890632.
  • Weinberg, Arthur von. In: Winfried R. Pötsch (Federführung), Annelore Fischer, Wolfgang Müller: Lexikon bedeutender Chemiker. (unter Mitarbeit von Heinz Cassebaum) Bibliographisches Institut, Leipzig 1988, ISBN 3-323-00185-0, S. 448.
  • Ernst Mack: Die Frankfurter Familie von Weinberg. Im Zeichen der Kornblumenblüten. Henrich, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-921606-55-1.
  • Angela von Gans, Monika Groening: Die Familie Gans 1350–1963. Verlag Regionalkultur, Heidelberg 2006, ISBN 3-89735-486-1.
  • Michael Stolleis: Wissenschaftler, Unternehmer, Mäzen, NS-Opfer. Zur Erinnerung an Arthur von Weinberg (1860–1943). In: Forschung Frankfurt, Wissenschaftsmagazin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Heft 1/2007, S. 94–98.
  • Michael Stolleis: Arthur von Weinberg. Wissenschaftler, Unternehmer, Mäzen, NS-Opfer. In: Chemie in unserer Zeit, 42. Jahrgang 2008, Heft 3, S. 212–215, doi:10.1002/ciuz.200800430.
  • Hansjörg W. Vollmann: Arthur von Weinberg. Chemiker, Naturforscher. In: Chemie in unserer Zeit, 42. Jahrgang 2008, Heft 3, S. 216–225, doi:10.1002/ciuz.200800442.
  • Hansjörg W. Vollmann: Cassella und ihre Eigentümer. Große Frankfurter Mäzene. (PDF) Vortrag im Rahmen der Reihe „Mäzene, Stifter, Stadtkultur“ der Frankfurter Bürgerstiftung am 23. Januar 2013, 19.30 Uhr, im Haus am Dom, Frankfurt, Bad Soden am Taunus, 23. Januar 2013; abgerufen am 3. Januar 2014
  • Hannes Heer, Sven Fritz, Heike Brummer, Jutta Zwilling: Verstummte Stimmen. Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessischen Theatern 1933 bis 1945. Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-86331-013-4, S. 386 f.
  • Monika Groening: Leo Gans und Arthur von Weinberg. Mäzenatentum und jüdische Emanzipation. (= Gründer, Gönner und Gelehrte.) Societätsverlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-942921-86-2.

Weblinks

Commons: Arthur von Weinberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1.0 1.1 Arthur von Weinberg: Herr im Poelzig-Bau, Häftling in Theresienstadt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Februar 2007, archiviert vom Original; abgerufen am 18. Juni 2019.
  2. Kösener Corpslisten 1960, 115/45.
  3. Kai Drewes: Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-593-39775-7, S. 394, Anm. 36.
  4. Dissertation: Ueber das Carbostyril.
  5. Paul Friedlaender und Arthur Weinberg, Ber. Dt. Chem. Ges. Bd. 15, 1421, 2103, 2679 (1882) und Bd. 18, 1528 (1885).
  6. Nachruf von A. Weinberg für seinen Freund Friedlaender 1924 in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft.
  7. 7.0 7.1 7.2 7.3 Winfried Hofmann, Herbert Neupert, Heinz Schreck, Christian Theusner: Geschichte des Corps Transrhenania 1866–1990. München 1991.
  8. Henning Roet: Frankfurt als Garnisonsstadt zwischen 1866 und 1914. Mit besonderem Blick auf die Kriegervereine der Stadt. In: Robert Bohn, Michael Epkenhans (Hrsg.): Garnisonsstädte im 19. und 20. Jahrhundert. Bielefeld 2015, ISBN 3-7395-1016-1, S. 109–118, hier S. 115.
  9. A. Freiherr von Houwald: Brandenburg-Preußische Standeserhebungen und Gnadenakte für die Zeit 1873-1918. Görlitz 1939, S. 162.
  10. Henning Roet de Rouet: Frankfurt am Main als preußische Garnison. Von 1866 bis 1914. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-95542-227-1, S. 135.
  11. J. Blumenthal: Dr. med. Wilhelm Hufnagel, seine Familie und Kinderheilanstalt Bad Orb. In: Zentrum für Regionalgeschichte (Gelnhausen), 39. Jahrgang 2014, S. 69.
  12. Mitgliedseintrag von Arthur von Weinberg bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 26. Januar 2017.
  13. Leopoldina errichtet Stele zum Gedenken an NS-Opfer. Pressemitteilung. Leopoldina, 1. Oktober 2009, abgerufen am 31. Mai 2022.
  14. Neue Namen für geschichtsträchtige Häuser. Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 9. Juni 2017, abgerufen am 13. Juni 2017.