Augenschein ist allgemeinsprachlich die Besichtigung bzw. sinnliche Wahrnehmung eines Gegenstandes oder Vorgangs. Im Recht bezeichnet der Begriff Augenschein die „sinnliche Wahrnehmung beweiskräftiger Tatsachen“ durch den Richter. Der richterliche Augenschein ist ein Beweismittel (vgl. § 144, § 371 f. ZPO, § 86 StPO, § 96 Abs. 1 VwGO, § 81 Abs. 1 FGO, § 118 Abs. 1 SGG) im deutschen Gerichtsverfahren. Augenschein bedeutet dabei nicht nur betrachten, sondern jede unmittelbare sinnliche Wahrnehmung eines Gegenstandes, sei es durch Sehen, Hören, Fühlen oder gar Schmecken und Riechen.
Der Augenschein unterfällt in Abgrenzung zum grundsätzlich unzulässigen Freibeweis dem sogenannten Strengbeweis gem. § 355 ZPO. Der Beweis durch Augenschein wird mittels unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmung des Richters zu Beweiszwecken durch die Angabe der zu beweisenden Tatsache und durch die Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins angetreten.
Die Beweisaufnahme erfolgt durch das Gericht oder einen beauftragten oder ersuchten Richter. Dabei kann angeordnet werden, dass ein Sachverständiger hinzuzuziehen ist.
Im mittelalterlichen Volksrecht spielte der blickende Schein eine besondere Rolle bei der handhaften Tat, wenn der auf frischer Tat ertappte Täter samt Beute dem Gericht zugeführt wurde.
Kartografische Aufzeichnungen
Von der heutigen Definition des Augenscheins abweichend, welche die eigene Wahrnehmung durch den Richter selbst voraussetzt, wurden zu Zeiten des Reichskammergerichtes als Augenschein (mhd. ougenschin; lat. inspectio ocularis, probatio ad oculum) auch kartografische Aufzeichnungen Dritter verstanden.
Diese Augenscheinkarten wurden oftmals durch namhafte Künstler angefertigt, die im Rahmen von Ortsbegehungen, durch vom Gericht beauftragten Kommissionen, für die Richter die örtlichen Verhältnisse „in Augenschein nahmen“ und auch die – oftmals nur mündlich überlieferte – geltenden Rechtsverhältnisse widerspiegelten.
Bei diesen Aufzeichnungen handelt es sich um Skizzen, aber auch um kunstvoll gestaltete Karten, welche sehr detailliert eine bestimmte Landschaft und deren wirtschaftliche Nutzung durch symbolische Darstellung von Pfluggespannen, Fuhrwerken oder Lastkähnen auf Flüssen darstellt. Diese – als Augenscheine bezeichneten – Beweismittel wurden Bestandteil der Gerichtsakten zum jeweiligen Fall, weshalb sie bis heute wissenschaftlich weitgehend unerschlossen sind.
Siehe auch
Literatur
- Benno Mergenthaler: Der lebende menschliche Körper im geltenden Strafprozessrecht unter Berücksichtigung des Entwurfes. Ein Beitrag zur Lehre vom Augenschein und von der Durchsuchung. Dissertation Universität Würzburg. Druck Ellwanger, Bayreuth 1919.