Als Derogation (lat. derogare „abschaffen“) werden in der Juristische Fachsprache verschiedene Vorgänge bezeichnet, mit denen geltendes Recht durch eine andere Regelung ersetzt wird.
Rechtssetzung
Eine Rechtsetzungsautorität kann durch Derogation das teilweise Außerkrafttreten einer Rechtsvorschrift anordnen, im kanonischen Recht auch als Obrogation bezeichnet. Im Gegensatz dazu bezeichnet die Abrogation die vollständige Aufhebung einer Rechtsnorm. Bei der Wiederverlautbarung oder Neubekanntmachung wird lediglich bestehendes Recht neu festgestellt, ohne es inhaltlich zu verändern.
Ebenso wie bei der Novellierung gilt auch bei der Derogation die actus contrarius-Theorie, wonach die Rechtsetzungsautorität nur mittels Rechtsvorschriften über Geltung und Verbindlichkeit von Rechtsvorschriften disponieren kann. Dabei sind formelle und materielle Derogation zu unterscheiden.
Formelle Derogation
Eine Rechtsvorschrift kann die Anordnung enthalten, dass eine bestimmte, namentlich genannte Rechtsvorschrift „außer Kraft“ treten soll. Diesen Vorgang bezeichnet man als formelle Derogation. Zum Beispiel kommt sie mit den folgenden Wendungen zum Ausdruck: „§ 4 des XY-Gesetzes tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2012 [oder mit Wirkung vom 1. Januar 2013] außer Kraft.“ Insbesondere werden dann § 1 bis § 3 des betreffenden Gesetzes davon nicht berührt und bleiben in Kraft.
Materielle Derogation
Eine Rechtsvorschrift kann bestimmte Tatbestände regeln, ohne die ausdrückliche Anordnung zu treffen, dass eine ältere, mit der neuen Regelung unvereinbare Rechtsvorschrift außer Kraft treten soll. Damit ist der Rechtsanwender aufgerufen, im Wege der Interpretation zu ermitteln, was aufgehoben wurde und was in Geltung geblieben ist.
Materielle Derogation kommt etwa mit folgender Wendung zum Ausdruck: „Alle diesem Bundesgesetz widersprechenden Bestimmungen in anderen Bundesgesetzen treten mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes außer Kraft.“
Ein Sonderfall ist, wenn eine alte Rechtsvorschrift trotz Unvereinbarkeit nicht explizit außer Kraft tritt: Dann spricht man von Versteinerung des Rechts. Diese Rechtsvorschriften finden typischerweise in der Praxis keine Anwendung mehr, können aber in der Auslegung oder in Sonderfällen zu Problemen führen. Die Versteinerungstheorie als Lehrmeinung ist ein Werkzeug zu Lösung solcher Probleme, die im Sinne des Originalismus die Regelung in den Kontext ihrer Entstehung stellt (geltungszeitliche Auslegung der Intention des Gesetzgebers), um sie so in die aktuellen Regeln und Kompetenzen umzuinterpretieren.
Prozessrecht
Mit einer Vereinbarung über den Gerichtsstand kann das gesetzlich zuständige Gericht abgewählt (Derogation) und zugleich die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet werden (Prorogation).