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Deutsches Wörterbuch

From Wickepedia
File:Deutsches Wörterbuch Grimm - Titel Band 1.png
Titelblatt zum ersten Band des Deutschen Wörterbuches
File:Grimm Wörterbuch Manuskript.jpg
Manuskript Jacob Grimms (Universitätsbibliothek Gießen, Nachlass Karl Weigand)
File:1000 DM Serie4 Rueckseite.jpg
Das Deutsche Wörterbuch als Hauptmotiv auf der Rückseite des 1000-DM-Scheins (ab 1992)

Das Deutsche Wörterbuch (DWB, gelegentlich auch DW) ist das größte und umfassendste Wörterbuch zur deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert mit Wortbedeutungen und Belegstellen. Es wird auch der Grimm genannt, weil es die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm waren, die 1838 mit dem ab 1852 in Lieferungen erscheinenden DWB begonnen haben. Erst 1961, nach 123 Jahren, wurde es beendet. Insgesamt entstanden bis dahin 16 Bände in 32 Teilbänden. Die Neubearbeitung hat jedoch gleichzeitig mit dem Abschluss der Arbeit begonnen. Der zusätzliche Quellenband erschien als 17. Band 1971.[1]

Aufgabe und Entstehungsgeschichte

Die Herausgabe des Deutschen Wörterbuchs (DWB) war ein ehrgeiziges sprachwissenschaftliches Arbeitsvorhaben des Philologen-Bruderpaares Jacob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859). Es sollte als Belegwörterbuch in aller Gründlichkeit Herkunft und Gebrauch jedes deutschen Wortes erläutern.

Mit Hilfe des DWBs sollten sich tendenziell alle Angehörigen der deutschen Sprachgemeinsamkeit ihrer Sprache vergewissern können, was zu einer Zeit, als es noch viele deutsche Kleinstaaten und noch kein politisch vereinigtes Deutschland gab, auch ein nationales Anliegen war. Der ältere wie damals gegenwärtige deutsche Wortgebrauch sollte auf allen Stilniveaus dokumentiert werden.

„Das wörterbuch ist kein sittenbuch, sondern ein wissenschaftliches, allen zwecken gerechtes unternehmen. selbst in der bibel gebricht es nicht an wörtern, die bei der feinen gesellschaft verpönt sind. wer an nackten bildseulen ein ärgernis nimmt oder an den nichts auslassenden wachspraeparaten der anatomie, gehe auch in diesem sal den misfälligen wörtern vorüber und betrachte die weit überwiegende mehrzahl der andern.“

Jacob Grimm: Vorwort 1. Band, S. XXXIV, Leipzig 1854

Die Brüder hatten die gewaltige Aufgabe, die vor ihnen lag, unterschätzt; das Werk war ursprünglich auf sechs bis sieben Bände und bis zu 10 Jahren Arbeit veranschlagt. Sie nahmen die Arbeit 1838 in Angriff. Mehr als 80 Mitarbeiter beschafften über 600.000 Belege. Der erste Band erschien lieferungsweise ab 1852 und war 1854 abgeschlossen, doch sie konnten zu ihren Lebzeiten nur einen kleinen Teil bearbeiten: Wilhelm Grimm, der die Beiträge zum Buchstaben D verfasste, starb 1859; Jacob, der die Buchstaben A, B, C und E abschließen konnte, starb am 20. September 1863 über der Bearbeitung des Artikels »Frucht«.

Ende 2005 tauchten Handexemplare – insgesamt neun Bände – des DWBs (darunter sieben Bände Handexemplare Jacob Grimms) mit Marginalien in der sogenannten Berlinka, einem früheren Teilbestand der Preußischen Staatsbibliothek, auf, der sich heute in der Biblioteka Jagiellońska (der Bibliothek der Krakauer Jagiellonen-Universität) befindet. Das in diesen Bänden notierte Material beläuft sich (bezogen auf das erste Lieferungsheft des ¹DWBs mit 2805 Einträgen von A bis Allverein) auf 330 Verweise und Stichwortansätze, wovon sich etwa 130 als wichtig erweisen und bereits Bestandteil der Neubearbeitung (²DWB, s. u.) sind.

Nachfolgende Generationen von Sprachwissenschaftlern setzten die Arbeit fort. Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm die Preußische Akademie der Wissenschaften die Weiterentwicklung des Wörterbuches. In Göttingen wurde eine Zentralsammelstelle zum Systematisieren der Belegstellen eingerichtet. 1930 wurde eine feste Arbeitsstelle bei der Berliner Akademie geschaffen. Am 10. Januar 1961 erteilte der Germanistik-Professor Bernhard Beckmann in Ost-Berlin das Imprimatur für den Abschlussband, wie er seinem westdeutschen Kollegen Theodor Kochs in Göttingen telegrafierte.[2][3] 123 Jahre nach Beginn der Arbeit erschien im Januar 1961 mit der 380. Lieferung der 32. und letzte Band dieses Wörterbuches (Gesamtumfang: 67.744 Textspalten, ca. 320.000 Stichwörter,[4] Gesamtgewicht 84 kg). Die ursprüngliche Auflage beträgt nur wenige hundert Exemplare. Der 33. Band ist ein 1971 erschienener Quellenband.

Neudrucke und Digitalisierung

Ein Neudruck der gebundenen Ausgabe ist im „Haus-Verlag“ der Brüder Grimm, dem S. Hirzel Verlag, erschienen. Dort erschien auch zwischen dem 1. Mai 1852 und 1971 die Erstausgabe des Gesamtwerks. Es besteht aus 33 Bänden mit 34.824 Seiten.

1984 erschien das DWB erstmals in einer Taschenbuchauflage; seit 1999 ist wieder eine Taschenbuch-Ausgabe in 33 Bänden bei dtv erhältlich.[5] Das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier digitalisierte, unter Leitung des Germanisten Kurt Gärtner und gefördert durch die DFG, die gesamten 300 Millionen gedruckten Zeichen nach der Methode der doppelten Eingabe: In China wurde der gesamte Textkörper manuell zweimal eingegeben, um durch die Redundanz Fehler zu reduzieren; ein Scannen war aufgrund der Schriftgröße von nur 7 Punkt bzw. 6 Punkt für die Zitate nicht möglich. Eine CD-ROM-Version dieser Digitalisierung für die Betriebssysteme Windows, OS X und Linux erschien im Juli 2004 beim Verlag Zweitausendeins. Bei dieser Fassung wurden Rechtschreibfehler des Originals korrigiert. Eine Onlineausgabe[6] stellt die Universität Trier zur Verfügung.

Neubearbeitung der Buchstaben A–F

1957 wurde eine Neubearbeitung dieses gewaltigen Wörterbuches beschlossen, um den ältesten Teil, die Buchstaben A–F, auf den neuesten Stand zu bringen. Geplant war eine deutsch-deutsche Kooperation: In Ost-Berlin sollten die Buchstaben A–C, in Göttingen D–F neu bearbeitet werden. Die erste Lieferung erschien 1965. In Göttingen wurden 2006 die Arbeiten an D–F abgeschlossen. Der Berliner Anteil ist gegenüber dem Göttingens umfangreicher. Zudem wurde der Fortschritt der Arbeiten in der DDR aus politischen Gründen massiv behindert, weil das DWB als Projekt einer „bürgerlichen“ Lexikographie angesehen wurde; so wurden im Laufe der 1960er Jahre die meisten Mitarbeiter ab- und für andere Aufgaben herangezogen. Die verbleibende Berliner Strecke wurde 2006 zwischen den beiden Arbeitsstellen neu aufgeteilt. Die Neubearbeitung, die wiederholte Male auf Anordnung der Herausgeber ihren Lemmabestand reduzieren musste, wurde 2016 abgeschlossen. Damit endet nach 178 Jahren durchgehender Bearbeitung die Arbeit am Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.[7][8] Auch die Neubearbeitung ist im S. Hirzel Verlag erschienen.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften schließt die spätere Neubearbeitung der Buchstaben G bis Z aus. Die Berliner Arbeitsstelle schloss ihre Arbeiten im Jahre 2012 ab. Als Grund des Beschlusses zur Einstellung der Arbeiten wird mangelnde Bereitschaft zur Finanzierung genannt, so der Wissenschaftsdirektor der Akademie, Wolf-Hagen Krauth.

Kleinschreibung

Auffällig am Deutschen Wörterbuch ist, dass darin konsequent die in der deutschen Schriftsprache unübliche Kleinschreibung nicht allein der Substantive, sondern auch der Satzanfänge verwendet wird. Großgeschrieben werden nur die Absatzanfänge und die Eigennamen. Jacob Grimm selbst sprach sich gegen die Großschreibung aus, die in der deutschen Sprache damals üblich war, sich aber (nach Grimms Einschätzung) noch nicht völlig durchgesetzt hatte.[2][9]

Literatur

  • Volker Harm: Das Grimmsche Wörterbuch – Stationen seiner Geschichte. In: Sprachreport. 30. Jahrgang, Heft 1, 2014, S. 2–11.
  • Wilfried Kürschner: »... tretet ein in die euch allen aufgethane halle eurer angestammten, uralten sprache«. Essay über die von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm verfassten Teile des Deutschen Wörterbuchs. In: Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Vierter Band, Teil Forschel – Frucht. Mit einem Essay von Wilfried Kürschner = Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Werke. Forschungsausgabe. Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt [sowie von Otfrid Ehrismann, Elisabeth Feldbusch, Wilfried Kürschner, Kurt Schier, Ruth Schmidt-Wiegand und Dieter Werkmüller]. Abteilung III: Gemeinsame Werke. Band 42.2: Deutsches Wörterbuch. Vierter Band, Teil Forschel – Frucht. Neu herausgegeben und mit einem Essay versehen (Bd. 42.2) von Wilfried Kürschner. Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2003, ISBN 3-487-11804-1, S. 1*–55*.
  • Alan Kirkness, Peter Kühn, Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Studien zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 2 Bände. Niemeyer, Tübingen 1991, ISBN 3-484-30933-4.
  • Alan Kirkness, Simon Gilmour (Hrsg.): Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“ Karl Reimer und Salomon Hirzel (= Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden. Band 5). S. Hirzel, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-7776-1525-7.
  • Alan Kirkness (Hrsg.): Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Rudolf Hildebrand, Matthias Lexer und Karl Weigand (= Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden. Band 6). S. Hirzel, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-7776-1800-5.
  • Oskar Reichmann: Einige Thesen zur Bedeutungserläuterung in dem von Jacob Grimm bearbeiteten Teil des Deutschen Wörterbuches und im Wörterbuch der deutschen Sprache von Daniel Sanders. In: Elmar H. Antonsen, James W. Marchandm Ladislav Zgusta (Hrsg.): The Grimm Brothers and the Germanic Past. Benjamins, Amsterdam/Philadelphia 1990 (= Studies in the History of the Language Sciences), S. 87–113.
  • Alan Kirkness: Deutsches Wörterbuch von Jakob Grimm und Wilhelm Grimm. In: Ulrike Haß (Hrsg.): Große Lexika und Wörterbücher Europas. De Gruyter, Berlin / Boston 2012, ISBN 978-3-11-019363-3, S. 211–232.
  • Alan Kirkness: Geschichte des Deutschen Wörterbuchs 1838-1863. Dokumente zu den Lexikographen Grimm. Mit einem Beitrag von Ludwig Denecke. S. Hirzel, Stuttgart 1980, ISBN 978-3-7776-0357-5.
  • Alan Kirkness: Geschichte des Grimmschen Deutschen Wörterbuchs 1863 bis 1908. 2 Bände. S. Hirzel, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7776-2791-5.
  • Alan Kirkness (Hrsg.), Berthold Friemel, Philip Kraut, Joël Lorenz (Mitarb.): Das Grimmsche Deutsche Wörterbuch in der öffentlichen Diskussion 1838–1863. Eine Dokumentation zeitgenössischer Ankündigungen, Anzeigen und Rezensionen. S. Hirzel, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7776-2326-9.
  • Joachim Dückert (Hrsg.): Das Grimmsche Wörterbuch: Untersuchungen zur lexikographischen Methodologie. S. Hirzel, Leipzig, Stuttgart 1987, ISBN 978-3-7776-0428-2.

Weblinks

Commons: Deutsches Wörterbuch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Grimmsches Wörterbuch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. DWB: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. I–XVI, Leipzig 1854–1960, und Quellenverzeichnis (2. Auflage ebenda) 1971; Neudruck (als Ganzes): Deutscher Taschenbuchverlag, München 1984, I–XXXIII (= dtv. Band 5945). DWB2: Neubearbeitung, Leipzig.
  2. 2.0 2.1 A bis Zypressenzweig. In: Der Spiegel. Nr. 20, 1961, S. 65–74 (online10. Mai 1961).
  3. Deutsches Wörterbuch: Das DWB als „Ehrenpflicht der Akademie“ (1908–1960), abgefragt am 14. Februar 2011.
  4. Thomas Schares: Untersuchungen zu Anzahl, Umfang und Struktur der Artikel der Erstbearbeitung des Deutschen Wörterbuchs von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Dissertation Uni Trier, Dez. 2005, S. 41–42.
  5. Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch.(33 Bände), Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, ISBN 3-423-59045-9.
  6. Der digitale Grimm
  7. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, abgerufen am 28. August 2017.
  8. Herzlich Willkommen bei der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Januar 2017; abgerufen am 30. Januar 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-goettingen.de
  9. Jacob Grimm: Deutsche Grammatik. Erster Theil. Dritte Ausgabe. Göttingen 1840, S. 28, zitiert nach portal.uni-freiburg.de