Friedrich Wilhelm Ferdinand Friedensburg (* 17. November 1886 in Schweidnitz, Provinz Schlesien; † 11. März 1972 in West-Berlin) war ein deutscher Politiker (DDP, später CDU). Von Dezember 1946 bis Februar 1951 war er stellvertretender Oberbürgermeister Groß-Berlins bzw. dann West-Berlins. Während der Berlin-Blockade vertrat er dreieinhalb Monate die erkrankte Oberbürgermeisterin Louise Schroeder.
Jugend und Beruf
Er wurde am 17. November 1886 im schlesischen Schweidnitz als Sohn des Numismatikers Ferdinand Friedensburg geboren und kam früh mit Politik in Berührung. Die Familie war liberal-konservativ geprägt. Sein Großvater war der Politiker Ferdinand Friedensburg, sein Bruder der General Walter Friedensburg. 1889 zog die Familie nach Berlin. Er besuchte das Gymnasium Steglitz, begann nach dem Abitur und einjähriger praktischer Ausbildung ein Studium an der preußischen Bergakademie Berlin. Dort wurde ihm eine umfassende akademische Ausbildung zuteil, sowohl in Naturwissenschaft als auch in Geisteswissenschaft und Rechtswissenschaft.
Er war zunächst Bergreferendar; weitere Studien führten ihn nach Marburg und in seine schlesische Heimat nach Breslau. Nach der Promotion in Geologie legte er 1914 sein Examen als Bergassessor ab. Während seines Studiums trat Friedensburg dem Verein Deutscher Studenten in Marburg bei. Zwischenzeitlich leistete Friedensburg seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 2. Schlesischen Feldartillerie-Regiment Nr. 42 in Schweidnitz ab.
Erster Weltkrieg
Auf der Rückreise von einem Amerika-Aufenthalt 1914 wurde Friedensburg (der inzwischen den Dienstgrad eines Leutnants der Reserve erreicht hatte), bei Gibraltar von den Briten interniert. Er unternahm einen Fluchtversuch, bei dem er sich beide Beine brach. Damit hatten sich jegliche Berufsaussichten im Bereich des Bergbaus zerschlagen. 1916 wurde er als nicht mehr kriegsverwendungsfähig entlassen und zur medizinischen Behandlung in die Schweiz gebracht. Dort blieb er bis Kriegsende und war für die deutsche Botschaft in Bern tätig.
Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Nach Kriegsende kehrte Friedensburg nach Berlin zurück und widmete sich zunächst dem Journalismus. Friedensburg wurde Mitglied der liberalen DDP. 1920 begann er eine Laufbahn in der allgemeinen Verwaltung und wurde Landrat des Kreises Rosenberg in Westpreußen. Mit viel Umsicht löste er seine Aufgaben gegen den massiven Widerstand der dort ansässigen Großagrarier. In Berlin wurde man so auf ihn aufmerksam und betraute ihn mit dem Amt des Polizeivizepräsidenten der Reichshauptstadt. Die Unbeugsamkeit, mit der er in seinem Amt für die rechtsstaatlichen Prinzipien der Weimarer Republik und gegen Extremismus von rechts und links eintrat, machte seinen Namen bald in ganz Deutschland zu einem Begriff.
Wegen des Drucks deutschnationaler Kräfte wurde Ferdinand Friedensburg aus Berlin „weggelobt“ und im März 1927 zum Regierungspräsidenten von Kassel befördert. Der Kyffhäuserverband, der Verein Deutscher Studenten, schloss Friedensburg wegen seiner liberalen republikanischen Haltung bereits 1926 aus. Friedensburg engagierte sich im republiktreuen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.
Die Nationalsozialisten beurlaubten ihn zunächst und entließen ihn im September 1933 aus dem Staatsdienst. In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft sicherte er mit wissenschaftlicher Forschungsarbeit auf seinem alten Fachgebiet, dem Bergbau, sein Überleben. 1935 war er für kurze Zeit in Gestapo-Haft.
Nachkriegsdeutschland
Bürgermeister in Berlin
Aufgrund seiner strikten politischen Enthaltsamkeit während der Zeit der NS-Diktatur galt Friedensburg nach dem Krieg als unbelastet. So übernahm er die Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Marschall Schukow ernannte ihn am 1. August 1945 zum Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie in der sowjetischen Besatzungszone.
Friedensburg war 1945 Mitgründer der CDU in Berlin. Aufgrund von Auseinandersetzungen mit seinen beiden kommunistischen Vizepräsidenten Gustav Sobottka und Bergholz, denen er fachliche Inkompetenz vorwarf, wurde er ein Jahr später unter dem Vorwurf der „Duldung faschistischer Umtriebe“ wieder entlassen. Im Oktober 1946 fanden zum ersten Mal seit dem Ende der NS-Herrschaft wieder Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung statt. Das Stadtparlament wählte ihn am 5. Dezember 1946 zum 1. Bürgermeister von Groß-Berlin und damit Stellvertreter des SPD-Oberbürgermeisters Otto Ostrowski.
Als die amtierende Oberbürgermeisterin Louise Schroeder am 14. August 1948 nach einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zur medizinischen Behandlung nach Hamburg ausgeflogen wurde, übernahm Friedensburg in der achten Woche der Berliner Blockade die Amtsgeschäfte des Oberbürgermeisters. Am 30. November 1948 fand im Admiralspalast eine von der SED einberufene Kundgebung statt, die einen „provisorischen demokratischen Magistrat“ proklamierte. Als Oberbürgermeister wurde Friedrich Ebert (SED) eingesetzt. Die sowjetische Kommandantur erkannte den neuen Magistrat als einzig rechtmäßigen an. Als Friedensburg darauf seine Diensträume im Ostsektor betreten wollte, wurde er von der Volkspolizei daran gehindert. Zum 1. Dezember war die Spaltung endgültig vollzogen.
Mit diesem Datum ging auch für Friedensburg die Zeit als Kommissarischer Oberbürgermeister zu Ende. Louise Schroeder nahm formell ihre Amtsgeschäfte bis zum 7. Dezember wieder auf. Der Urnengang zur Stadtverordnetenversammlung durfte nur in den Westsektoren stattfinden. Für den Ostsektor erließ der sowjetische Stadtkommandant, General Kotikow, ein Verbot. Obwohl die Wahlen der SPD einen haushohen Sieg brachten (64,5 Prozent), wurde die Koalition mit der CDU und der LDP fortgesetzt. Ferdinand Friedensburg gehörte der neuen Stadtregierung wieder als Bürgermeister an. Nach erneuten Wahlen am 3. Dezember 1950 stand Friedensburg für eine Mitarbeit im neuen Senat nicht mehr zur Verfügung und schied am 1. Februar 1951 aus dem Amt.
Abgeordneter
Friedensburg zog bei der Erhöhung der Zahl der Berliner Abgeordneten am 1. Februar 1952 in den Deutschen Bundestag ein und wurde auch in den folgenden drei Legislaturperioden vom Berliner Abgeordnetenhaus ins Bonner Parlament gewählt, dem er somit bis 1965 angehörte. 1953 bis 1957 war er stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses zum Schutze der Verfassung und 1957 bis 1961 Vorsitzender des „Wahlmännerausschusses gemäß § 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951“.
Dem Europäischen Parlament gehörte er vom 27. Februar 1958 bis 21. Dezember 1965 ebenfalls an.
Wissenschaftliches Wirken
Zugleich widmete er sich seiner Arbeit als Wissenschaftler. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, das er zu einem profilierten Institut für die wirtschaftswissenschaftliche Grundlagenforschung ausbaute, stand er von 1945 bis 1968 als Präsident vor. Außerdem bemühte er sich intensiv um die Förderung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, deren Vorsitz er von 1964 bis zu seinem Tode innehatte. Als Geo- und Wirtschaftswissenschaftler in einer Person lag ihm die interdisziplinäre Ausrichtung beider Wissenschaften sehr am Herzen. Er erreichte, dass 1963–65 für die Gesellschaft das Alexander-von-Humboldt-Haus in Berlin-Steglitz errichtet wurde. Auf dem Gebiet des Bergbaus übernahm er Lehraufträge und verfasste wissenschaftliche Arbeiten zu berg- und hüttenmännischen Themen. Dem Kyffhäuserverband trat Friedensburg nach dessen Wiedergründung 1953 wieder bei. In der Tradition studentischer Verbindungen war er 1969 Mitbegründer der nach ihm benannten Ferdinand-Friedensburg-Stiftung. Ganz im Sinne des Initiators ist es bis heute die Aufgabe des als gemeinnützig anerkannten Vereins, Studenten und junge Akademiker zu unterstützen und deren wissenschaftliche Arbeit zu staatspolitischen Themen zu fördern. Ebenfalls 1969 schrieb Friedensburg seine Lebenserinnerungen (Athenäum) nieder. Im Jahr 1946 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.[1]
Gesellschaftliches Engagement
Von 1949 bis 1954 war Ferdinand Friedensburg Kuratoriumsmitglied der Fürst Donnersmarck-Stiftung.[2] Er war auch Mitglied des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI).[3]
Auszeichnungen
Berliner Gedenktafel am Haus Hoiruper Straße 14a, Berlin-Zehlendorf
1956 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet. 1961 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Am 20. Oktober 1971 wurde Ferdinand Friedensburg zum Ehrenbürger West-Berlins ernannt. Die Wayne State University, die University of Detroit und die Columbia University, New York City ernannten ihn zum Ehrendoktor.
Im Ortsteil Haselhorst des Berliner Bezirks Spandau wurde die nach dem U-Bahnbau (U7) gestaltete Grünfläche am Zusammentreffen von Gartenfelder Straße, Straße am Juliusturm, Nonnendammallee und Daumstraße am 16. September 1987 in Ferdinand-Friedensburg-Platz benannt.[4]
Er ist auf dem Friedhof Nikolassee in Feld A Nr. 10/11 bestattet. Dort ist sein Grab als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.
Siehe auch
Schriften (Auswahl)
- Ferdinand Friedensburg: Die Rohstoffe und Energiequellen im neuen Europa. Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1943
- Umfangreicher Auszug in: Reinhard Opitz (Hg.): Europastrategien des deutschen Kapitals 1900–1945. 2. Auflage. Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn 1994, ISBN 3-89144-198-3, S. 271–389.
- Ferdinand Friedensburg: Politik und Wirtschaft. Aufsätze und Vorträge. Berlin 1961.
- Ferdinand Friedensburg: Lebenserinnerungen – Kaiserreich, Weimarer Republik, Hitlerzeit. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1969.
- Ferdinand Friedensburg: Es ging um Deutschlands Einheit. Rückschau eines Berliners auf die Jahre nach 1945. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1971.
Literatur
- Manfred Agethen: Ferdinand Friedensburg (1886–1972). Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin. In: Günter Buchstab, Brigitte Kaff, Hans-Otto Kleinmann (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-20805-9, S. 179–186.
- Thomas Klein: Leitende Beamte der allgemeinen Verwaltung in der preußischen Provinz Hessen-Nassau und in Waldeck 1867 bis 1945 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte. Bd. 70), Hessische Historische Kommission Darmstadt, Historische Kommission für Hessen, Darmstadt/Marburg 1988, ISBN 3884431595, S. 122.
- Marc Zirlewagen: Ferdinand Friedensburg (Politiker, 1886). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 26, Bautz, Nordhausen 2006, ISBN 3-88309-354-8, Sp. 313–321.
- Marc Zirlewagen (Hrsg.): Ferdinand Friedensburg und die Vereine Deutscher Studenten. Herausgegeben anlässlich seines 125. Geburtstags. Essen 2012, ISBN 978-3-929953-13-8.
- Kurzbiografie zu: Friedensburg, Ferdinand. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
- Literatur von und über Ferdinand Friedensburg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Ferdinand Friedensburg in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Homepage der Ferdinand-Friedensburg Stiftung
- Friedensburg, Friedrich Wilhelm Ferdinand. Hessische Biografie. (Stand: 11. Oktober 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Nachlass Bundesarchiv N 1114
Einzelnachweise
- ↑ Mitgliedseintrag von Ferdinand Friedensburg bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 13. November 2015.
- ↑ Sebastian Weinert: 100 Jahre Fürst Donnersmarck-Stiftung 1916–2016. Berlin 2016. S. 71.
- ↑ Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): Mitgliederverzeichnis 1952. Düsseldorf 1952, S. 219.
- ↑ Ferdinand-Friedensburg-Platz. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
Personendaten | |
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NAME | Friedensburg, Ferdinand |
ALTERNATIVNAMEN | Friedensburg, Friedrich Wilhelm Ferdinand (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (DDP, CDU), MdB, MdEP |
GEBURTSDATUM | 17. November 1886 |
GEBURTSORT | Schweidnitz, Provinz Schlesien |
STERBEDATUM | 11. März 1972 |
STERBEORT | West-Berlin |