Friederike „Frieda“ Nadig (* 11. Dezember 1897 in Herford; † 14. August 1970 in Bad Oeynhausen) war eine SPD-Politikerin und eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“.
Leben und Beruf
Friederike Charlotte Louise Nadig, die der evangelischen Kirche angehörte, war die Tochter der Näherin Luise Henriette Nadig, geb. Drews und des Tischlers Wilhelm Nadig, der von 1919 bis 1931 für die SPD Mitglied im Preußischen Landtag war. Nach dem Besuch der Bürgerschule lernte sie zunächst den Beruf der Verkäuferin in einem Konsum. Nach dem Ersten Weltkrieg besuchte sie die 1908 von Alice Salomon gegründete Soziale Frauenschule in Berlin. Sie absolvierte 1922 das Examen der Wohlfahrtspflegerin und war danach in Bielefeld als Fürsorgerin tätig. Ehrenamtlich engagierte sie sich in der Arbeiterwohlfahrt.
Nach der sogenannten Machtergreifung wurde sie als „bekenntnistreue Sozialistin“ im März 1933 mit einem Berufsverbot (Deutschland) belegt. Eine politische Betätigung war ihr nicht mehr möglich. Erst 1936 konnte sie als Gesundheitspflegerin in Ahrweiler wieder eine Stelle finden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete Nadig 20 Jahre (bis 1966) als hauptamtliche Geschäftsführerin der wiedergegründeten Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Ostwestfalen-Lippe.[1]
Partei
Nadig hatte schon in jungen Jahren ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein und Interesse. Sie schloss sich bereits 1913 mit 16 Jahren der Arbeiterjugend Herford an und trat drei Jahre später in die SPD ein. Nach 1945 beteiligte sie sich am Wiederaufbau der SPD.
Abgeordnete
Von 1930 bis 1933 war Nadig Abgeordnete im Westfälischen Provinziallandtag.
Von 1947 bis 1950 war Nadig Mitglied des Nordrhein-Westfälischen Landtages. 1947/48 gehörte sie dem Zonenbeirat für die Britische Besatzungszone an.
1948 wurde sie als eine von vier Frauen[2] in den Parlamentarischen Rat berufen und arbeitete am Entwurf des Grundgesetzes mit. Neben Elisabeth Selbert, die ebenfalls der SPD angehörte, war sie eine der engagiertesten Streiterinnen für die Gleichberechtigung. Im Gegensatz zu Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum), die einer umfassenden Gleichberechtigung von Frauen und Männern skeptisch gegenüberstanden, vertrat Nadig die Position, dass die Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Mehrzahl der Bürger Deutschlands ausmachten und auf deren Schultern ein Großteil der tatsächlichen Versorgungsleistungen für die Familien lastete, über die staatsbürgerliche Gleichstellung hinaus auch im Familien- und Eherecht gleichgestellt werden müssten. Während sich die SPD mit der Forderung nach der Gleichheit von Männern und Frauen vor dem Gesetz (Artikel 3 des Grundgesetzes) durchsetzen konnte, was eine umfassende Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches nach sich zog, scheiterte Nadig mit den Forderungen nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ sowie der Gleichstellung unehelicher mit ehelichen Kindern.
Bei der ersten Bundestagswahl zog Frieda Nadig 1949 in den Bundestag ein, dem sie bis 1961 angehörte. Sie wurde 1949 im Wahlkreis Bielefeld-Stadt und 1953 sowie 1957 im Wahlkreis Bielefeld – Halle direkt gewählt.[3]
Ehrungen
1961 wurde sie für ihren Einsatz um die „Festigung des demokratischen Gedankens vor allem bei der weiblichen Bevölkerung“ mit dem Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die Arbeiterwohlfahrt zeichnete sie 1970 mit der Marie-Juchacz-Plakette aus. Nach ihr sind mehrere Straßen und Wege, unter anderem in ihrer Geburtsstadt Herford, in Berlin[4], Bielefeld, Bonn, Detmold, Dortmund, Gütersloh, Köln, Moers, Norderstedt, Offenburg, Rhede, Roßdorf und Salzkotten sowie ein Seniorenheim in Bielefeld-Sennestadt[5] und die Frieda-Nadig-Stiftung benannt. Am 8. November 2021 wurde auf dem Rathausplatz in Herford das Frieda-Nadig-Denkmal enthüllt.[6] Die Bronze-Skulptur mit dem Titel Für Frieda Nadig, eine der vier Mütter des Grundgesetzes wurde von der Bildhauerin Asta Gröting geschaffen.[7]
Literatur
- Gisela Notz: Frauen in der Mannschaft. Sozialdemokratinnen im Parlamentarischen Rat und im Deutschen Bundestag 1948/49 bis 1957. Bonn 2003, S. 54–79.
- Bärbel Sunderbrink: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Die SPD-Politikerin und Mitgestalterin des Grundgesetzes Frieda Nadig (1897–1970). In: dies. (Hrsg.): Frauen in der Bielefelder Geschichte. Bielefeld 2010, S. 222–231.
- Bärbel Sunderbrink: Frieda Nadig, das Grundgesetz und „der Kampf um die Gleichberechtigung der Frau“. In: Ravensberger Blätter, Heft 1/2009, S. 49–62.
Weblinks
- Literatur von und über Friederike Nadig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Regina Haunhorst, Sven Trösch: Friederike Nadig. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
- Der Parlamentarische Rat: Friederike Nadig. (Umfangreiche Darstellung der Stiftung Haus der Geschichte)
- Erhard H.M. Lange: Friederike Nadig. Bundeszentrale für politische Bildung, 1. September 2008
- Friederike Nadig beim Landtag Nordrhein-Westfalen
- Biografie Frieda Nadig, auf Lebendiges Museum Online, abgerufen am 30. Juni 2022
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen Büschenfeld: Vom "Sozialismus der Tat" zur Freien Wohlfahrtspflege. Die Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen-Lippe 1946-1966. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-7395-1066-8.
- ↑ Hilke Lorenz: 61 Verfassungsväter und vier Mütter. In: Pressehaus Stuttgart (Hrsg.): Stuttgarter Zeitung. Nr. 107. Stuttgart 9. Mai 2019, S. 4.
- ↑ Siegfried Sänger: Handbuch des Deutschen Bundestages, 4. Auflage, Klett-Verlag, Stuttgart 1957, Seite 157.
- ↑ Friederike-Nadig-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- ↑ Seniorenzentrum Frieda-Nadig-Haus
- ↑ Ralf Bittner: Denkmal in Herford erinnert an eine der vier Mütter des Grundgesetzes. Abgerufen am 8. November 2021.
- ↑ Pressemitteilung der Stadt Herford: Enthüllung Frieda Nadig Denkmal. In: herford.de. Stadt Herford, abgerufen am 2. Januar 2022.
Personendaten | |
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NAME | Nadig, Friederike |
ALTERNATIVNAMEN | Nadig, Frieda (Spitzname); Nadig, Friederike Charlotte Louise (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin (SPD), MdL, MdB |
GEBURTSDATUM | 11. Dezember 1897 |
GEBURTSORT | Herford |
STERBEDATUM | 14. August 1970 |
STERBEORT | Herford |