Gustav Adolf Sonnenhol (* 25. Januar 1912 in Lüdenscheid; † 21. Januar 1988 in Bonn) war ein deutscher Diplomat. Sonnenhol trat schon 1931 in die NSDAP und 1939 die SS ein. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete er u. a. in der Gruppe Inland II im Auswärtigen Amt unter Eberhard von Thadden. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Prozesse der an dem Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligten Diplomaten zu beobachten und die Leitung des Auswärtigen Amtes darüber zu informieren. In der Bundesrepublik Deutschland machte er zunächst Öffentlichkeitsarbeit für den Marshallplan, trat 1956 in die FDP ein und fungierte später unter anderem als Botschafter in Südafrika und der Türkei. Einer seiner Söhne ist ebenfalls Diplomat.
Leben
Von 1929 bis 1930 war Adolf Sonnenhol Mitglied der Hitlerjugend. Sonnenhol studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre und trat 1930 in die SA und 1931 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 545.961) ein. Von 1935 bis 1937 leitete Sonnenhol die Auslandsabteilung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes und studierte in Paris (1936) und London (1938). Er wurde persönlicher Referent des Reichsstudentenführers Gustav Adolf Scheel.[1] Sonnenhol schrieb 1936 eine rechts- und staatswissenschaftliche Dissertation an der Universität Marburg.[2]
Am 9. November 1939 trat Sonnenhol in die SS (Mitgliedsnummer 347.149) ein, am 20. April 1941 zum Obersturmführer befördert. Am 1. Juni 1939 wurde er im Reichsaußenministerium eingestellt. Er war von 1940 bis 1941 in Paris stationiert und wurde am 13. März 1941 zum Legationssekretär befördert. 1941 bis 1942 war er Vizekonsul am Generalkonsulat Casablanca als Stellvertreter Theodor Auers und nach der Besetzung Marokkos durch die Alliierten (Operation Torch)[3] 1942 bis 1944 am Generalkonsulat Tanger, das aufgrund der Marokko-Verträge einen internationalen Statut hatte. Sein wiederholt geäußerter Wunsch, zum Fronteinsatz eingezogen zu werden, wurde abgelehnt.[4] In der Gruppe Inland II im Auswärtigen Amt unter Eberhard von Thadden, Stellvertreter von Horst Wagner, wurde das Referat Inland II B von April 1943 bis Juni 1944 durch den Vizekonsul Emil Geiger geleitet. Referat Inland II B war zuständig für die Verbindung zum Chef der Sicherheitspolizei und des SD, zur Ordnungspolizei, Polizeiattachés, polizeiliche Ermittlungen und Auskünfte.[5][6] Als Geiger im Juli 1944 als Konsul nach Barcelona ging, löste ihn Sonnenhol von Juli bis Oktober 1944 ab. Zu seinen Aufgaben gehörte es insbesondere, die Prozesse der an dem Attentat des 20. Juli beteiligten Diplomaten zu beobachten und die Leitung des Auswärtigen Amtes darüber zu informieren.[7] Als Sonnenhol anschließend nach Genf versetzt wurde,[8] wurde er als Leiter der Gruppe Inland II B von Rudolf Bobrik abgelöst. Sonnenhol war von November 1944 bis zum Kriegsende zusammen Graf Christoph Dönhoff (* 27. Juli 1906 in Friedrichstein; gest. 1992), Bruder von Marion Gräfin Dönhoff, am Generalkonsulat Genf tätig.[9][10]
Von 1949 bis 1951 war Adolf Sonnenhol in dem von Vizekanzler Franz Blücher geleiteten Marshallplan-Ministerium in Referat III 4, Marshallplan: Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, dessen Leitung er 1951 übernahm. Von 1951 bis 1953 leitete er die Pressestelle. Von März 1953 bis 1956 war er Leiter des Referats K1: Kabinettsvorlagen des Bundeskanzleramtes, des Außenministeriums, BMBR, des Gesundheitsministeriums, Rechtsfragen der europäischen Integration, Ausschusssitzungen von Bundestag und Bundesrat. Von 1957 bis 1962 war Sonnenhol als Stellvertreter von Karl Werkmeister Botschaftsrat I. Klasse bei der Vertretung der BRD bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
1956 trat Sonnenhol der FDP bei. Als außenpolitischer Berater Walter Scheels und Kenner Frankreichs beteiligte er sich an den Deutschland-politischen Diskussionen[11] und setzte sich 1963 gegen starke Strömungen in der FDP für die Ratifizierung des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Elysée-Vertrag) und den Ausbau der bilateralen Beziehungen mit Frankreich ein.[12] Von 1965 bis 1972 war er Mitglied des Beirats der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Von 1962 bis 1968 leitete er die Abteilung Wirtschaftspolitik im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). 1968 bis 1971 war er Botschafter in Südafrika. Wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit lehnte Bundespräsident Gustav Heinemann Sonnenhols Berufung zum Staatssekretär im Außenministerium unter Walter Scheel ab. Sonnenhol erhielt stattdessen den Botschafterposten in der Türkei. Im Anschluss an seine diplomatischen Tätigkeiten übte er von 1977 bis 1985 den Beruf des Industrieberaters aus.[13] Als "kritischer Freund" setzte er sich im Ruhestand auch weiterhin mit Südafrika und der Türkei[14][15] sowie mit Fragen der Entwicklungspolitik auseinander.[16]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Untergang oder Übergang? Wider die deutsche Angst. Seewald, Stuttgart und Herford 1984, ISBN 3-512-00709-0
- Südafrika ohne Hoffnung? Wege aus der Gefahr. Econ, Düsseldorf und Wien 1978, ISBN 3-430-18590-4
- Rohstofflieferant Südafrika. Deutsche Afrika-Stiftung, Bonn 1980
- Die Türkei – Land zwischen zwei Welten. Kommentare eines kritischen Freundes. Hrsg. Dietrich Schlegel, Leske und Budrich, Opladen 1990, ISBN 3-8100-0804-4
- Die Dritte Welt: Mythos und Wirklichkeit, Bouvier, 2007 (von Rainer Barthelt bearbeitete Fassung eines hinterlassenen Manuskripts mit einem Vorwort des ehem. Bundespräsidenten Walter Scheel)
- Sitte, Moral, Sittlichkeit und Recht im zukünftigen Strafrecht, unter besonderer Berücksichtigung der Beurteilung der Täterpersönlichkeit. Eine Wert-Wirklichkeitsbetrachtung. J. D. Reuter, 1936, 56 S.
Literatur
- Hans-Jürgen Döscher: Auswärtiges Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. 1987, S. 286-287.
- Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930–1942 (= Studie zur Zeitgeschichte Bd. 59). Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56495-1, S. 215-239.
- Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.
- Susanna Schrafstetter: A Nazi Diplomat Turned Apologist for Apartheid: Gustav Sonnenhol, Vergangenheitsbewältigung and West German Foreign Policy towards South Africa. In: German History. Band 28, Nr. 1, 2010, S. 44–66.
- Sebastian Weitkamp: Braune Diplomaten. Horst Wagner und Eberhard von Thadden als Funktionäre der „Endlösung“. Dietz, Bonn 2008, ISBN 978-3-8012-4178-0.
- Wolfgang Schollwer: FDP im Wandel – Aufzeichnungen 1961–1966 (Hrsg. Monika Faßbender). Oldenbourg Verlag, München 1994
- Jan-Erik Schulte, Michael Wala (Hrsg.): Widerstand im Auswärtigen Amt – Diplomaten gegen Hitler. Siedler, München 2013
- CIA/FBI-Memo vom 12. Juli 1965 (NARA RG 263, box 49 - 230/C/65/1 und box 122 230/86/24/4)
- Philipp C. Brooks "Oral History Interview with Dr. Gustav Adolf Sonnenhol", Information Officer, Marshall PlanMinistry, Germany 1949–54, vom 14. Mai 1964 für die Harry S. Truman Library, Independence, MO (Digitalisat).
- Neal H. Petersen: From Hitler´s Doorstep, The Wartime Intelligence Reports of Allen Dulles, 1942–45 Pennsylvania State University, S. 417-418.
- Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, ISBN 978-3-506-71843-3, S. 239.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930–1942. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56495-1, S. 211.
- ↑ Dissertation Sonnenhol: Sitte, Moral, Sittlichkeit und Recht im zukünftigen Strafrecht, unter besonderer Berücksichtigung der Beurteilung der Täterpersönlichkeit. Eine Wert-Wirklichkeitsbetrachtung. J.D.Reuter, 1936, 56 S.
- ↑ Sonnenhol, Übergang oder Untergang, S. 89–90
- ↑ Weitkamp, Braune Diplomaten, S. 111, Sonnenhol, Übergang oder Untergang, S. 93
- ↑ Weitkamp: Braune Diplomaten. 2008, S. 111.
- ↑ Sonnenhol: Übergang oder Untergang. 1984, S. 106–112.
- ↑ Sonnenhol: Übergang oder Untergang. Anmerkungen zum 20. Juli 1944, S. 106–112.
- ↑ Ray: Annäherung an Frankreich. 2000, S. 111 (und Fußnote 20).
- ↑ Weitkamp: Braune Diplomaten. 2008, S. 111.
- ↑ Sonnenhol: Übergang oder Untergang. 1984, S. 113–115.
- ↑ Schollwer: FDP im Wandel. 1994, S. 33 ff., 101.
- ↑ Reinhard Schiffers (Bearbeiter): FDP-Bundesvorstand. Die Liberalen unter dem Vorsitz von Erich Mende. Sitzungsprotokolle 1960-1967. Düsseldorf 1993, S. 460–464.
- ↑ Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, S. 293.
- ↑ Sonnenhol: Südafrika ohne Hoffnung? Wege aus der Gefahr. Düsseldorf und Wien 1978, ISBN 3-430-18590-4.
- ↑ Sonnenhol: Die Türkei - Land zwischen den Welten. Kommentare eines kritischen Freundes. Hrsg.: Dietrich Schlegel. Leske und Buderich, Opladen 1990, ISBN 3-8100-0804-4.
- ↑ Sonnenhol/ Barthelt, mit Vorwort von Walter Scheel: Die Dritte Welt: Mythos und Wirklichkeit. Bouvier, Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03163-9.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Werner Junker | Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Pretoria/Südafrika 1968 bis 1971 | Erich Strätling |
Rudolf Thierfelder | Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ankara/Türkei 1971 bis 1977 | Ulrich Sahm |
Personendaten | |
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NAME | Sonnenhol, Gustav Adolf |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Botschafter |
GEBURTSDATUM | 25. Januar 1912 |
GEBURTSORT | Lüdenscheid |
STERBEDATUM | 21. Januar 1988 |
STERBEORT | Bonn |