Das Hendiadyoin [ˌhɛnˌdiaˌdy'ɔʏn] (Plural die Hendiadyoin; {{Module:Vorlage:lang}} Module:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value), selten auch Hendiadys) bezeichnet in der Rhetorik und Linguistik eine Stilfigur, die einen komplexen Begriff mittels zweier nicht bedeutungsgleicher Ausdrücke beschreibt, die in der Regel durch die Konjunktion „und“ verbunden werden.
Beschreibung
Das Hendiadyoin ist im Regelfall ein feststehender Ausdruck (Phraseologismus), also eine Paar- oder Zwillingsformel. Hendiadyoin-Konstruktionen können nach unterschiedlichen Mustern gebildet sein:
- als phraseologische Verbindung zweier annähernd gleichbedeutender Begriffe (wie bei „Grund und Boden“, „nie und nimmer“)
- als phraseologische Verbindung zweier ähnlicher Begriffe, die gemeinsam einen (neugebildeten) Begriff bezeichnen (beispielsweise „Feuer und Flamme“ = begeistert)
- als beiordnende Verbindung zweier Substantive, die zusammen einen einzigen Gegenstand bezeichnen (wie „Haus und Hof“ = das ganze Anwesen).
In manchen Fällen ist eines der beiden Wörter allein ungebräuchlich geworden (semantisch verdunkelt), beispielsweise frank [und frei], rank [und schlank], klipp [und klar].
Phraseologismen wie das Hendiadyoin werden im Deutschen oft in Form einer Alliteration gebildet: Die Paarwörter beginnen mit dem gleichen Laut (wie „frank und frei“, „klipp und klar“). Daneben finden sich auch Paare, die ein Homoioteleuton bilden, also in den Wortendungen übereinstimmen (wie „rank und schlank“).
Die Verknüpfung der beiden Bestandteile im Hendiadyoin kann tendenziell als attributiv beschrieben werden.[1] Das bedeutet, die Verbindung besitzt in der Tendenz den Charakter einer erläuternden und verdeutlichenden, teils auch sinnverändernden Beiordnung. In Abgrenzung zur Tautologie bilden üblicherweise beim Hendiadyoin erst beide Bestandteile zusammen die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks (beispielsweise „Hab und Gut“ für „Besitz“). Bei der Tautologie besitzen dagegen die beiden Wortbestandteile auch schon für sich allein genommen die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck, der als Ganzes nur eine rhetorische Verstärkungsfunktion erfüllt (zum Beispiel „Art und Weise“). Dies wäre ein Spezialfall der Synonymik, also eine Verbindung bedeutungsgleicher Ausdrücke. Ein attributiver Gebrauch (also ein Hendiadyoin) liegt aber auch dann vor, wenn einer der Wortbestandteile die Gesamtbedeutung des Ausdrucks bereits allein in sich trägt und der zweite nur verstärkend hinzutritt (zum Beispiel „klipp und klar“, was so viel wie völlig klar bedeutet, oder „geschniegelt und gestriegelt“, da auch „geschniegelt“ allein bereits in der übertragenen Bedeutung von herausgeputzt benutzt werden kann).
Allerdings ist die Abgrenzung zur Tautologie häufig schwierig, da auch unvollständige Synonyme aneinandergereiht werden und klangliche, rhetorische oder stilistische Kriterien für die Prägung einer begrifflichen Reihung oft die größere Rolle spielen, sodass Wortbedeutungsgesichtspunkte in den Hintergrund treten können oder semantische Unstimmigkeiten in Kauf genommen werden. Bei ursprünglich sondersprachlichen Wendungen sind die Bestandteile oft auch nur im Rückgriff auf historische oder fachsprachliche Verhältnisse des Entstehungskontextes in ihrem Sinngehalt exakt zu unterscheiden und wirken für den heutigen Verwender wie Synonyme. Daher haben Hendiadyoin mitunter auch stark tautologischen Charakter. Besonders in der Rechtssprache fassen hendiadyoinische Paarformeln häufig zwei eng verwandte, aber dennoch historisch oder formal zu unterscheidende Begriffe zu einem Topos zusammen.
Beispiele
- in Bausch und Bogen (Gesamtbedeutung „insgesamt, vollständig“)
- auf Biegen und Brechen (Gesamtbedeutung „unter allen Umständen“)
- unter Dach und Fach (aus dem Zimmermannshandwerk; Gesamtbedeutung „erledigt“)
- mit Fug und Recht (Gesamtbedeutung „mit voller Berechtigung“)
- Feuer und Flamme (Gesamtbedeutung „begeistert“)
- geschniegelt und gestriegelt (aus der Pferdepflege: „schniegeln“ heißt die Mähne mit Löckchen versehen; Gesamtbedeutung „herausgeputzt“)
- gesund und munter (Gesamtbedeutung „körperlich und geistig fit“)
- Hab und Gut (Gesamtbedeutung „sämtlicher Besitz/Eigentum“)
- Haus und Hof (Wohn- und Wirtschaftseigentum; Gesamtbedeutung „Existenzgrundlage“)
- Hinz und Kunz (Gesamtbedeutung „jedermann“; Bezug auf Heinrich und Konrad als verbreitete Vornamen)
- kreuz und quer (Gesamtbedeutung „durcheinander“)
- Kind und Kegel (ursprünglich rechtssprachliche Sammelbezeichnung ehelicher und nichtehelicher Abkömmlinge = „sämtliche Nachkommenschaft“)
- klipp und klar (Gesamtbedeutung „eindeutig“)
- Lug und Trug (Gesamtbedeutung „bösartige Täuschung“)
- Mord und Totschlag (Gesamtbedeutung „Gewaltexzess“)
- Rat und Tat (rechtssprachliche Paarformel „auxilium et consilium“, die Pflicht des Lehnsmannes zur tätigen und ideellen Unterstützung des Lehnsherrn beschreibend; Gesamtbedeutung „jegliche Form der Unterstützung“)
- recht und billig (rechtssprachliche Paarformel „iuste et aeque“, dem allgemeinen Gesetz und der Billigkeit – Einzelfallgerechtigkeit – entsprechend; Gesamtbedeutung „richtig und angemessen“)
- Recht und Ordnung (Gesamtbedeutung „gesetzmäßige Ordnung“)
- mit Schimpf und Schande (Gesamtbedeutung „unehrenhaft“)
- auf Schritt und Tritt (Gesamtbedeutung „ständig und überall“)
- Treu und Glauben (rechtssprachliche Paarformel, Gesamtbedeutung „gewissenhaft und ohne böse Absichten“)
- Tür und Tor (Gesamtbedeutung „alle Zugänge“)
- Leib und Leben (Gesamtbedeutung „die gesamte Person betreffend“)
- Rang und Namen (Gesamtbedeutung „Person von Bedeutung und Bekanntheit“)
- Schall und Rauch (Gesamtbedeutung „nicht greifbar und nicht sichtbar“)
- über Stock und Stein (Gesamtbedeutung: „durch unwegsames Gelände“)
- Tuten und Blasen (Gesamtbedeutung „umfassendes Wissen“)
- Ja und Amen (Gesamtbedeutung „Zustimmung“)
- dies und das (Gesamtbedeutung „Verschiedenes“)
- Lust und Laune (Gesamtbedeutung „nach Belieben“)
- ab und zu (Gesamtbedeutung „manchmal“)
- alt und krank (Gesamtbedeutung „altersschwach“)
- in Amt und Würden (Gesamtbedeutung „amtierend“)
Tautologisch oder schwer von Tautologien zu unterscheiden sind:
- angst und bange (Gesamtbedeutung „angsterfüllt“)
- Art und Weise (streng genommen ist die Art einer Sache, die Weise einem Geschehen zugeordnet)
- einzig und allein (streng genommen begrifflich unterscheidbar)
- frank und frei (scheinbare Tautologie, Gesamtbedeutung „unverblümt“)
- Gelaufe und Gerenne (Tautologie)
- Grund und Boden (tautologisch wirkender Rechtsausdruck, Gesamtbedeutung „Grundstück“)
- Hilfe und Beistand (rechtssprachliche Paarformel, im Ergebnis tautologisch)
- nie und nimmer (Gesamtbedeutung „zu keiner Zeit“, weder bisher noch in Zukunft)
- Ort und Stelle (scheinbare Tautologie, Gesamtbedeutung „genaue Stelle am gegebenen Ort“ oder auch „direkt vor Ort“)
- schlicht und einfach (tautologischer Pleonasmus)
- voll und ganz (tautologischer Pleonasmus)
„Hendiatris“
Den Spezialfall einer feststehenden Formel aus drei Sprachelementen bezeichnet die englische Sprachwissenschaft als hendiatris („eins durch drei“). Der Ausdruck ist im Deutschen allerdings eher ungebräuchlich, man verwendet hier in der Regel den allgemeineren Begriff Drillingsformel.
Beispiele:
- Wein, Weib und Gesang
- heimlich, still und leise
- Jubel, Trubel, Heiterkeit
- Pleiten, Pech und Pannen
- Friede, Freude, Eierkuchen
- Nepper, Schlepper, Bauernfänger
„Hendiatetris“, „Hendiatetrakis“
Der Spezialfall einer feststehenden Formel aus vier Sprachelementen wird in der romanischen Sprachwissenschaft als hendiatetris oder hendiatetrakis („eins durch vier“) bezeichnet.[2] Auch dieser Ausdruck ist im Deutschen ungebräuchlich, zumal es in der deutschen Umgangssprache dafür kaum Beispiele gibt. Ein geläufiges Beispiel für eine hendiatetrische Vierlingsformel wäre „frisch, fromm, fröhlich, frei“ (mit der Gesamtbedeutung „unbefangen“).
Siehe auch
Weblinks
- Rhetorische Figuren auf faql.de
- Erklärung Hendiadyoin auf fremdwort.de
Einzelnachweise
- ↑ Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, S. 275.
- ↑ Marc Girard verweist im Zusammenhang mit der Gruppierung acclamer, éclater, crier, jouer auf die Bezeichnung „hendiatetris“. In: Les Psaumes redécouverts: de la structure au sense. Bellarmin 1997, Bd. 1, S. 768.