Jost Trier (* 15. Dezember 1894 in Schlitz; † 15. September 1970 in Bad Salzuflen) war ein deutscher Linguist und germanistischer Mediävist. Er war Ordinarius für Germanische Philologie der Universität Münster.
Leben
Jost Trier war der Sohn eines Arztes. 1924 wurde er an der Universität Freiburg promoviert. Nach seiner 1929 erworbenen Habilitation hatte er ab 1932 den Lehrstuhl für Germanische Philologie in Münster inne. Mit seinem 1931 erschienenen Werk Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Die Geschichte eines sprachlichen Feldes begründete er die Wortfeldforschung. Er griff dabei Ideen von Ferdinand de Saussure auf und sah den Wortschatz als System sich gegenseitig bestimmender Einheiten.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten trat Trier 1933 der NSDAP bei.[1] Trier hob die Germanistik radikal von der Erforschung anderer Sprachen ab. Solche Philologien trügen „für das Sein und das Schicksal jener Sprachen keine Verantwortung“.[2] Der Germanist sei hingegen „der Beauftragte seiner Volksgemeinschaft“.[3] Da der deutsche „Volkskörper“, die germanische „Volksgemeinschaft als urgegebene Größe“ den Germanisten in seiner Arbeit trage, könne er ihr nicht neutral, objektiv und wertfrei gegenüberstehen.[4]
Im Jahr 1933 übernahm Trier den Vorsitz der Volkskundlichen Kommission für Westfalen,[5] dieses Amt legte er 1943 nieder. Im Jahr 1934 wurde Trier zum ordentlichen Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen gewählt. 1969 wurde seine Mitgliedschaft in eine korrespondierende umgewandelt. Von 1935 bis 1937 war Trier Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Münster. 1939 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[6]
In der Nachkriegszeit wurde Jost Trier 1956/57 Rektor der Universität Münster. Seit 1961 gehörte er dem Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft an. 1964 war Trier einer der Mitbegründer des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim.[1] 1968 wurde Jost Trier mit dem Konrad-Duden-Preis ausgezeichnet.
Jost Trier starb am 15. September 1970 in einem Sanatorium in Bad Salzuflen. Drei Tage später, am 18. September, wurde er in seiner Heimat Schlitz neben seiner Frau bestattet, die ihm um wenige Tage im Tode vorausgegangen war.[7] Ihr Sohn ist der Archäologe Bendix Trier (* 1930).
Das sprachliche Feld
Jost Trier führte mit seiner Habilitationsarbeit Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Die Geschichte eines sprachlichen Feldes den Begriff des sprachlichen Feldes in die Linguistik ein. Das sprachliche Feld definiert Trier an späterer Stelle als
„die zwischen Einzelworten und dem Wortschatzganzen lebendigen sprachlichen Wirklichkeiten, die als Teilganze mit dem Wort das Merkmal gemeinsam haben, dass sie sich ergliedern, mit dem Wortschatz hingegen, dass sie sich ausgliedern.“
Trier betont, dass das Feld eine Möglichkeit ist, die Gliederung der Sprache besser verstehen zu können, und es kann helfen die Geschichte und Wandlung des Sprachinhalts besser zu untersuchen. Eine Bedeutungsveränderung ist häufig die Veränderung der Feldstruktur.
Untersucht hat Trier den Sinnbezirk des Verstandes einmal zum Zeitpunkt A, „den Zustand höfischer Dichtung um 1200“ und zum Zeitpunkt B, „den Zustand der Mystik um 1300, wie er bei Meister Eckehart vorliegt.“[8] Das sprachliche Feld der höfischen Dichtung setzt sich aus den Begriffen wîsheit, kunst und list zusammen und verschiebt sich schließlich in den Schriften Meister Eckeharts zu wîsheit, kunst, wizzen.
Der Begriff des Wortfeldes erwies sich für die Linguistik als äußerst fruchtbar. So wirft das Konzept des Wortfeldes den Blickpunkt auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Wörtern und betont in einem eigenen Konzept, was bereits in Ferdinand de Saussures valeur Begriff anklingt: Dass sich die Bedeutungen eines Wortes immer aus den Beziehungen zu anderen Wörtern ergeben.[9] Triers Leistung besteht darin, dass er die atomistische Sicht, die zuvor in der Semantik vorherrschte, überwunden hat. Triers Arbeiten übten starken Einfluss auf Walter Porzig, André Jolles und Gunther Ipsen aus. Diese Arbeiten sind auch für die moderne Kollokationsforschung und für die Semantik allgemein von Bedeutung.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Der Heilige Jodocus. Sein Leben und seine Verehrung, zugleich einige Beiträge zur Geschichte der deutschen Namengebung (= Germanistische Abhandlungen. Heft 56). M. & H. Marcus, Breslau 1924, DNB 362906254 (Dissertation Universität Freiburg im Breisgau 1924).
- Aufsätze und Vorträge zur Wortfeldtheorie. Hrsg. von Anthony Lee und Oskar Reichmann. Mouton, The Hague/Paris 1973.
Literatur
- Alexander Nebrig: Trier, Jost. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-5, S. 415 (Digitalisat).
- Werner Zillig (Hrsg.): Jost Trier. Leben – Werk – Wirkung. Mit Beiträgen von Carsten Albers u. a. Aa, Münster 1994, ISBN 3-930472-48-1.
- Werner Zillig (Hrsg.): Über Jost Trier. Vorträge anläßlich des Jost-Trier-Gedenktags am 15. Dezember 1994, mit Beiträgen von Karl-Heinz Borck u. a. Nachwort von Susanne Höfer-Lutz und Werner Zillig, Aa, Münster 1994, ISBN 3-930472-50-3.
- Bernd Haunfelder: Die Rektoren, Kuratoren und Kanzler der Universität Münster 1826–2016. Ein biographisches Handbuch. (= Veröffentlichungen des Universitätsarchivs Münster. 14). Aschendorff, Münster 2020, ISBN 978-3-402-15897-5, S. 243–245.
Weblinks
- Literatur von und über Jost Trier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Prof. Dr. Jost Trier, Biographische Angaben auf den Seiten der Historischen Kommission für Westfalen
- Jost Trier im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
- Veröffentlichungen von Jost Trier im Opac der Regesta Imperii
- Jost Trier liest das althochdeutsche Hildebrandslied (Tonbandaufnahme von 1965, 9:10 Minuten)
- Portraitfotografie von Jost Trier
- Nachlass Jost Trier in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster
Einzelnachweise
- ↑ 1.0 1.1 Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 620.
- ↑ Jost Trier: Warum studieren wir die Geschichte unserer Muttersprache? In: Die Welt als Geschichte. Band 4, 1938, S. 347–357, hier S. 350.
- ↑ Jost Trier: Warum studieren wir die Geschichte unserer Muttersprache? In: Die Welt als Geschichte. Band 4, 1938, S. 347–357, S. 349.
- ↑ Jost Trier: Warum studieren wir die Geschichte unserer Muttersprache? In: Die Welt als Geschichte. Band 4, 1938, S. 347–357, hier S. 347.
- ↑ Darstellung der Geschichte der Volkskundlichen Kommission für Westfalen auf deren Webseite ( des vom 29. November 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
- ↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 242.
- ↑ Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, 1970, S. 110.
- ↑ Jost Trier: Das sprachliche Feld. Eine Auseinandersetzung. In: Jost Trier: Aufsätze und Vorträge zur Wortfeldtheorie. hrsg. v. Anthony van der Lee und Oskar Reichmann, The Hague, Paris 1973, S. 150–151.
- ↑ Jost Trier: Holz. Etymologien aus dem Niederwald. (= Münstersche Forschungen. 6). Köln/ Graz 1952; Jost Trier: Venus. Etymologien um das Futterlaub. (= Münstersche Forschungen. 15). Köln/ Graz 1963.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Hellmut Becher | Rektor der WWU Münster 1956–1957 | Wilhelm Klemm |
Personendaten | |
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NAME | Trier, Jost |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Linguist und Germanist |
GEBURTSDATUM | 15. Dezember 1894 |
GEBURTSORT | Schlitz (Vogelsbergkreis) |
STERBEDATUM | 15. September 1970 |
STERBEORT | Bad Salzuflen |