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Karl Brandt (Mediziner)

From Wickepedia

Karl Brandt als Angeklagter im Nürnberger Ärzteprozess

Karl Franz Friedrich Brandt (* 8. Januar 1904 in Mülhausen, Elsass; † 2. Juni 1948 in Landsberg am Lech) war ein deutscher Arzt, chirurgischer „Begleitarzt“ von Adolf Hitler, SS-Gruppenführer der Allgemeinen SS, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS sowie Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen. Er war der Ranghöchste unter den Angeklagten im Prozess gegen Mediziner im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses.

Leben

Ausbildung

Titelblatt von Brandts Dissertation 1929, Belegexemplar der Universitätsbibliothek Freiburg

Karl Brandt wurde als Sohn eines Offiziers geboren. Er legte sein Abitur in Dresden ab. 1922 begann er ein Studium der Medizin in Jena, das er in München, Berlin und Freiburg fortsetzte; im Sommersemester 1925 und ab Wintersemester 1926/27 in Freiburg, wo Brandt Vorlesungen bei Ludwig Aschoff, Erich Lexer und Alfred Hoche besuchte und sein Studium 1928 mit dem medizinischen Staatsexamen abschloss. 1929 wurde er bei Pädiater Carl Noeggerath an der Freiburger Universität promoviert; Titel der 50-seitigen Dissertation: Angeborener Verschluss der Gallenausfuhrgänge.[1]

Während seiner chirurgischen Ausbildung an den Bergmannsheil-Kliniken in Bochum liebäugelte Karl Brandt mit einer anschließenden ärztlichen Tätigkeit im Tropenkrankenhaus des berühmten Elsässer Arztes und späteren Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer in Lambaréné im damaligen Französisch-Äquatorialafrika. Nach Brandts eigenen Aussagen im Nürnberger Ärzteprozess scheiterte dieses Vorhaben 1932 an einer fehlenden Genehmigung der französischen Behörden, da er keine französische Staatsbürgerschaft besaß und keine französische Wehrpflicht abgeleistet hatte.

Karriere im Nationalsozialismus

Karl Brandt trat zum 1. März 1932 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 1.009.617)[2] und 1933 in die SA ein. Am 29. Juli 1934 wechselte er im Rang eines Sturmführers zur SS (SS-Nummer 260.353). 1933 behandelte er den Hitler-Adjutanten Wilhelm Brückner nach einem Autounfall. Dieser soll ihn gegenüber Hitler lobend erwähnt haben.

Brandt war zudem Mitte der 1930er Jahre als chirurgischer Oberarzt an der Berliner Universitätsklinik tätig und war dort wohl auch Assistent von Ferdinand Sauerbruch, der ihm 1942 im Führerhauptquartier Werwolf wiederbegegnete.[3][4][5]

Am 17. März 1934 heiratete er die Rekordschwimmerin Anni Rehborn aus München, die Hitler bereits seit 1925 kannte. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor, der spätere Chefarzt an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg, Karl Adolf Brandt (* 1935).

Beauftragung durch Hitler per Erlass vom 1. September 1939 Karl Brandt, dritte Reihe, Zweiter von links, im Stab von Adolf Hitler im Juni 1940 vermutlich in Eselsberg in Bad Münstereifel-Rodert, in der Nähe des "K-Standes" des Führerhauptquartiers Felsennest

Am 14. Juni 1934 wurde Karl Brandt Hitlers Begleitarzt. Sein Stellvertreter war zunächst Werner Haase und später Hanskarl von Hasselbach. Karl Brandt gehörte mit seinem Freund Albert Speer und ihren Familien zum Kern der Menschen, die Hitler ständig auf seiner Privatresidenz, dem Berghof, umgaben.[6]

Ab dem 1. September 1939 war er zusammen mit Philipp Bouhler Hitlers Beauftragter für die massenhaften Morde der Aktion T4 im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ in den NS-Tötungsanstalten Hadamar, Schloss Grafeneck, Schloss Hartheim, Sonnenstein, Bernburg sowie in Brandenburg. Dokumentiert ist dies in einem Schreiben Hitlers, datiert auf den 1. September 1939, das wahrscheinlich aber erst im Oktober entstanden ist und Bouhler und Brandt als Beauftragte der Krankenmorde nennt (Deckname „Gnadentod“).[7] 1940 wurde Brandt zum Professor ernannt.

Am 28. Juli 1942 wurde Brandt zum Bevollmächtigten und ab 1943 Generalkommissar[8] für das Sanitäts- und Gesundheitswesen ernannt. In dieser Funktion sorgte er für die Koordination zwischen zivilem und militärischem Gesundheitswesen. Teil seiner Aufgaben war die „Schaffung von Bettenplätzen“ für Ausweichkrankenhäuser und Lazarette. Hierzu wurden in der später nach ihm benannten „Aktion Brandt“ auch Patienten von Heil- und Pflegeanstalten verlegt oder getötet.

Brandt wusste von einigen medizinischen Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. Versuche zur Malaria förderte er, die zur Hepatitis A regte er selbst an. Am 5. September 1943 wurde er durch Erlass Hitlers zum Leiter des gesamten medizinischen Vorrats- und Versorgungswesens und Koordinator der medizinischen Forschung. Der Reichsärzteführer Leonardo Conti[9] überlegte, seinen Rücktritt einzureichen, da Brandt ihn in seiner Machtfülle überholt hatte. Hitler lehnte dies ab. Brandts politische Beziehungen zu Speer machten ihm Bormann zum Feind.

In einer Intrige um Hitlers Leibarzt Theo Morell wurde Brandt zunächst als Begleitarzt entlassen. Am 16. April 1945 wurde er verhaftet. Hitler hatte erfahren, dass Brandt seine Frau mit Kind nach Thüringen in Sicherheit hatte bringen lassen, und befahl, ihn vor ein Standgericht zu stellen und zum Tode verurteilen zu lassen.[10] Die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel reichten ein Gnadengesuch ein.[11] Himmler verzögerte seine Hinrichtung.

Nach dem Krieg

Karl Brandt während des Urteilsspruchs im Nürnberger Ärzteprozess

Der sogenannten Rattenlinie Nord folgend tauchte Brandt im Mai 1945 in Flensburg auf.[12] Alliierte Truppen verhafteten ihn bald darauf zusammen mit der Regierung Dönitz in Flensburg.

Brandt wurde im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 vor dem Ersten Amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg angeklagt und am 20. August 1947 zum Tode durch den Strang verurteilt. Bis zuletzt fand Brandt kein Wort des Bedauerns für die Opfer; das Urteil bewertete er als „Ausdruck eines politischen Racheaktes“. Zahlreiche Gnadengesuche wurden von Vertretern der Kirchen, u. a. von Eugen Gerstenmaier als dem Vorsitzenden des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie namhaften Medizinern bei Lucius D. Clay eingereicht. Doch am 2. Juni 1948 wurde Brandt im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg hingerichtet.[13]

Literatur

  • Ulf Schmidt: Hitlers Arzt: Karl Brandt. Medizin und Macht im Dritten Reich. Aus dem Engl. von Helmut Ettinger. Aufbau, Berlin 2009, ISBN 978-3-351-02671-4. (zuerst englisch 2007)
  • Michael H. Kater: Ärzte als Hitlers Helfer. Piper TB, München 2002, ISBN 3-492-23407-0.
  • Wolfgang U. Eckart: SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Prof. Dr. med. Karl Brandt. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende. Band 2, Primus, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-089-1.
  • Robert S. Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich? Ein biographisches Lexikon. Fischer TB, Frankfurt 1993, ISBN 3-596-24373-4.
  • Götz Aly (Hrsg.): Aktion T4: 1939–1945. Die Euthanasie-Zentrale in der Tiergartenstraße 4. Hentrich, Berlin 1989, ISBN 3-926175-43-5.

Weblinks

Commons: Karl Brandt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl Brandt: Angeborener Verschluss der Gallenausfuhrgänge. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde in der gesamten Medizin der Hohen Medizinischen Fakultät der Albert Ludwig Universität zu Freiburg im Breisgau. Marburg 1929.
  2. Bundesarchiv R 9361-III/518634
  3. Angelika Ebbinghaus, Klaus Dörner (Hrsg.): Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozess und seine Folgen. Berlin 2001, S. 624.
  4. Cornelia Lein: Unentschuldbare Schwäche. Der deutsche Arzt Karl Brandt. Das Leben und Wirken von Hitlers Leibarzt. Grin, München 2016, ISBN 978-3-668-23914-2.
  5. Ferdinand Sauerbruch, Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951; benutzt: Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956, S. 409 f.
  6. Heike B. Görtemaker: Hitlers Hofstaat. Der innere Kreis im Dritten Reich und danach. München 2019, ISBN 978-3-406-73527-1, S. 196 f.
  7. Das Schreiben Hitlers im Faksimile (Nürnberger Dokument PS-630) mit handschriftlichem Vermerk des Reichsjustizministers Franz Gürtner: „von Bouhler mir übergeben am 27.8.1940 Dr. Gürtner“; vgl. auch Peter Longerich: Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur „Endlösung“. München 2001, ISBN 3-492-04295-3, S. 73 f. und Götz Aly (Hrsg.): Aktion T4 1939–1945. Die „Euthanasie“-Zentrale in der Tiergartenstraße 4. 2., erw. Auflage. Berlin 1989, ISBN 3-926175-66-4, S. 56.
  8. Matthias Meusch: Brandt, Karl. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 204 f.
  9. Michael H. Kater: Doctor Leonardo Conti and His Nemesis: The Failure of Centralized Medicine in the Third Reich. In: Central Europ. Hist. Band 18, 1985, S. 299–325.
  10. Gitta Sereny: Albert Speer: Sein Ringen mit der Wahrheit. München 2001, ISBN 3-442-15141-4, S. 607.
  11. Kurt Nowak: Widerstand, Zustimmung, Hinnahme. Das Verhalten der Bevölkerung zur „Euthanasie“. In: Norbert Frei (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit. R. Oldenbourg Verlag, München 1991 (= Schriften der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Sondernummer), ISBN 3-486-64534-X, S. 235–251, hier: S. 236.
  12. Stephan Link: „Rattenlinie Nord“. Kriegsverbrecher in Flensburg und Umgebung im Mai 1945. In: Gerhard Paul, Broder Schwensen (Hrsg.): Mai ’45. Kriegsende in Flensburg. Flensburg 2015, ISBN 978-3-925856-75-4, S. 22.
  13. Heike B. Görtemaker: Hitlers Hofstaat. Der innere Kreis im Dritten Reich und danach. München 2019, ISBN 978-3-406-73527-1, S. 351.