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Karl Justus Obenauer

From Wickepedia

Karl Justus Obenauer (* 29. Februar 1888 in Darmstadt; † 7. Juli 1973 in Wittlensweiler bei Freudenstadt) war ein deutscher Germanist, Professor an der Universität Bonn und SS-Hauptsturmführer.

Leben

Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte mit Promotion 1910 an der Universität München arbeitete Obenauer in Grenoble und an der Sorbonne in Paris als Lektor für deutsche Literatur. Dann folgte während des Ersten Weltkrieges sein Kriegsdienst als Soldat und Dolmetscher von 1915 bis 1918. In Darmstadt und Heppenheim gewann er als Privatgelehrter Kontakt zu Hermann Keyserling („Schule der Weisheit“) und Martin Buber. Nach der Habilitation war Obenauer 1926 bis 1932 Privatdozent, dann nichtbeamteter a.o. Professor an der Universität Leipzig. 1933 wurde er Mitglied der NSDAP, in der er sich als Blockwart betätigte. Im November 1933 unterzeichnete er das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler. 1934 trat er in die SS ein und wurde ehrenamtlicher Mitarbeiter des SD. 1935 wurde Obenauer gegen den Willen der Fakultät zum ordentlichen Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Universität Bonn ernannt. Seine Antrittsvorlesung hielt er in SS-Uniform. Als Dekan der Philosophischen Fakultät war er 1936 verantwortlich für die Aberkennung der Ehrendoktorwürde Thomas Manns.[1] Obenauer war auch beteiligt an Heinrich Himmlers Sonderauftrag zur Hexenforschung. 1941 wurde er zum Hauptsturmführer befördert.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges entlassen, blieb er bis 1948 interniert. Während der Internierungshaft konvertierte er zum Katholizismus. 1949 verlor er seinen Bonner Lehrstuhl, die Internierungszeit wurde als ruhegehaltfähig anerkannt. Anschließend arbeitete er wieder als Goethe-Forscher.

Obenauer und die Beleidigung Thomas Manns

Obenauers Vorgehen 1936 gegen Thomas Mann war kein Zufall. Seinen Beschluss, Mann mitzuteilen, er sei "aus der Liste der Ehrendoktoren" gestrichen, hat er allein gefasst; denn Hans Naumann, der einzige Kollege, mit dem er sich überhaupt darüber beriet, konnte (nach eigenen Angaben) Obenauers Absicht nicht gutheißen. In einem späteren Interview mit der Zeitung ‚Ekstrabladet‘ in Kopenhagen nannte Naumann den Schritt ‚peinlich‘ und bezweifelte, dass er notwendig gewesen sei.[2] Paul Kahle beurteilte Obenauer 1945 so: Obenauer war viel eher ein SS-Mann als ein Wissenschaftler oder ein Professor[3]. Obenauer beteiligte sich am Judenpogrom am 10. November 1938 und rühmte sich dessen öffentlich[4]. Oellers meint, Obenauer war zunächst ein „feinsinniger, grüblerischer Wissenschaftler auf metaphysischem Grunde, anthroposophischer Goethe-Forscher in der Nachfolge und im Geiste Rudolf Steiners[5]. Genauer gesagt war er Anhänger des ‚christlichen‘ Zweigs der Anthroposophie, der Christengemeinschaft[6]. Später wurde er ein „SS- und SD-Mann“[5]. Obenauer wurde zum Wintersemester 1935/1936 an die, wie es in Berlin hieß, ‚heikle‘ Universität Bonn abgeordnet; er wurde nicht von der Bonner philosophischen Fakultät gewünscht.[7] Außerdem wurde er vom Rektor ohne irgendeine Wahl oder einen Vorschlag zum Dekan ernannt[8]

„So ist es also keineswegs schizophren, wenn Himmlers Mann in Bonn Ende 1936 Thomas Mann so tief verletzte, wie es nur immer in seiner Macht stand, der des nach dem Führerprinzip handelnden Dekans; denselben Thomas Mann, den er in einem der letzten Kapitel seines letzten, 1933 erschienenen Buches "Die Problematik des ästhetischen Menschen in der deutschen Literatur" noch ausführlich gewürdigt hatte.“

Oellers 1983, S. 243

Schriften

  • Der faustische Mensch. Vierzehn Betrachtungen zum zweiten Teil von Goethes "Faust", Jena 1922.
  • Friedrich Nietzsche, der ekstatische Nihilist. Eine Studie zur Krise des religiösen Bewußtseins, Jena 1924.
  • Die Problematik des ästhetischen Menschen in der deutschen Literatur. München 1933.
  • Friedrich Nietzsche und die deutsche Gegenwart. Kriegsvorträge. Scheur, Bonn 1940.
  • Ernst Moritz Arndt und der Rhein. Kriegsvorträge Universität Bonn: "Der Kampf um den Rhein". Scheur, Bonn 1942.
  • Goethe-Taschenlexikon v. Heinrich Schmidt. Neu bearb. von Karl Justus Obenauer, Kröner, Stuttgart 1955.

Literatur

  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (= Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte. Band 6). Synchron, Heidelberg 2004, ISBN 3-935025-68-8, S. 125–126.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
  • Andreas Pilger: Obenauer, Karl Justus. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 381 f. (Digitalisat).
  • Artikel in: Internationales Germanisten-Lexikon 1800–1950, hg. v. Christoph König (Auszug bei Google Books)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Paul Egon Hübinger: Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte. Drei Kapitel deutscher Vergangenheit aus dem Leben des Dichters 1905 – 1955. München 1974.
  2. Norbert Oellers, „Dichtung und Volkstum: Der Fall der Literaturwissenschaft“, S. 232–254 in: Beda Allemann (Hrsg.): Literatur und Germanistik nach der „Machtübernahme“. Colloquium zur 50. Wiederkehr des 20. Januar 1933. Bouvier, Bonn 1983. S. 243f
  3. Kahle: Bonn University in Pre-Nazi and Nazi Times 1923 - 1939: The Experience of a German Professor. Private Printing, London 1945, S. 15.
  4. Kahle: Bonn University in Pre-Nazi and Nazi Times 1923 - 1939: The Experience of a German Professor. Private Printing, London 1945, S. 10, 15.
  5. 5.0 5.1 Norbert Oellers, „Dichtung und Volkstum: Der Fall der Literaturwissenschaft“, S. 232–254 in: Beda Allemann (Hrsg.): Literatur und Germanistik nach der „Machtübernahme“. Colloquium zur 50. Wiederkehr des 20. Januar 1933. Bouvier, Bonn 1983. S. 241.
  6. Paul Egon Hübinger: Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte. Drei Kapitel deutscher Vergangenheit aus dem Leben des Dichters 1905 – 1955. München 1974, S. 208.
  7. Norbert Oellers, „Dichtung und Volkstum: Der Fall der Literaturwissenschaft“, S. 232–254 in: Beda Allemann (Hrsg.): Literatur und Germanistik nach der „Machtübernahme“. Colloquium zur 50. Wiederkehr des 20. Januar 1933. Bouvier, Bonn 1983. S. 242.
  8. Paul Egon Hübinger: Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte. Drei Kapitel deutscher Vergangenheit aus dem Leben des Dichters 1905 – 1955. München 1974, S. 219f; 311.