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Landesvertretung des Freistaates Bayern (Bonn)

From Wickepedia
File:2014-06-29 Schlegelstraße 1, Bonn, Fassade nach Restaurierung IMG 1958.jpg
Ehemaliger Sitz der bayerischen Landesvertretung (2014)

Die Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund hatte von 1955 bis 1999 ihren Sitz im Bonner Parlaments- und Regierungsviertel. Das Gebäude, 1954/55 nach Plänen Sep Rufs errichtet, liegt im Zentrum des Bundesviertels im Ortsteil Gronau an der Schlegelstraße 1 unmittelbar südlich des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, und unweit östlich der Willy-Brandt-Allee (Bundesstraße 9). Es steht als Baudenkmal unter Denkmalschutz.[1] Heute befindet sich hier der Sitz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Geschichte

Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 kam die bayerische Landesvertretung zunächst im Block III der behelfsmäßig errichteten sogenannten „Pressehäuser“ am Bundeshaus sowie in der heutigen Villa Kurt-Schumacher-Straße 10 unter. Als Gästehaus der Landesvertretung („Bayernhaus“) diente die teilweise kriegszerstörte Villa Bülbring (Koblenzer Straße 121a), die von der Stadt Bonn für den Freistaat bis Herbst 1949 hergerichtet wurde.[2]

Der Neubau für den Freistaat Bayern entstand von 1954 bis 1955 nach einem Entwurf des Architekten Sep Ruf, der auch für den Bau des Kanzlerbungalows verantwortlich zeichnet. Er war eine der ersten neugebauten Landesvertretungen in der provisorischen Bundeshauptstadt Bonn und erregte Aufsehen, denn die Leichtigkeit und Eleganz als programmatische Eigenschaften der Baukunst des jungen Staates hoben ihn ab von den Vertretungen anderer Bundesländer und stellten ihn in eine Reihe mit den neuen Bauten des Bundes in Bonn.[3]

Bayern verfügte ab Mai 1963 auch über ein Gästehaus im Ortsteil Schweinheim (Axenfeldstraße 7) in Form einer Villa mit etwa 350 m² Wohnfläche, in der der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten während seines Aufenthalts in Bonn wohnte, politische Gespräche führte und Empfänge ausrichtete. Anfang 1995 gab Bayern das Gästehaus, unter anderem aufgrund des Wegfalls von Repräsentationsaufgaben in Folge einer Umstrukturierung des Landeskabinetts, auf und verkaufte die Villa.[4][5]

Mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes zog die bayerische Vertretung mit zuletzt 50 Mitarbeitern[6] 1999 nach Berlin um. Die Eintragung des Gebäudes in die Denkmalliste der Stadt Bonn erfolgte 2002.[7] Im Mai 2009 wurde es als letzte der 16 vormaligen Landesvertretungen – mit Ausnahme der nordrhein-westfälischen – an einen privaten Eigentümer verkauft. Neue Besitzer waren zwei Bonner Investoren, die es bis Herbst 2009 zu einem Bürogebäude umbauen wollten und im November 2009 an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz weiterverkauften.[8] Die Stiftung zog dort im Oktober 2010 mit ihrer Bonner Zentrale ein, die zuvor auf mehrere Standorte verteilt war.

Architektur

„Die ehemalige Bayerische Landesvertretung zeigt enge Verwandtschaft mit zahlreichen gleichzeitigen Bauten Sep Rufs. Pavillonartige Anordnung und Staffelung der Baukörper sowie große Transparenz durch eine schlanke Skelettkonstruktion, raumhohe Fenster und Türen knüpfen an den amerikanischen Villenbau der 1930/40er Jahre an. Das Gebäude ist ein wertvolles Zeugnis sowohl der Architekturmoderne der Nachkriegszeit als auch der Geschichte der frühen Bundesrepublik und ihrer Hauptstadt Bonn.“[3]

Ursprünglicher Bau 1954/55

Das Gebäude ist ein dreigeschossiger Stahlskelettbau, zur rückwärtigen Gartenseite hin erstreckt sich ein eingeschossiger Trakt. Der langgestreckte Hauptbau wird von einem Staffelgeschoss mit Dachterrasse und vorkragendem Flachdach abgeschlossen. Die Fassade gliedert sich durch ein Raster weißer Stützen und dreiteiliger Fenster mit Brüstungen aus schwarzem Kunststein. Der seitlich versetzte, vollständig verglaste Eingang wird durch ein ausschwingendes Vordach akzentuiert. Der Eingang führt zu einer zur Gartenseite durchfensterten Erdgeschosshalle und zu dem rückwärtigen Flachbau, in dem u. a. die Büros des bayerischen Ministerpräsidenten und des Gesandten, sowie Sitzungsräume untergebracht waren. Die Fenster des Hauptbaus und des gartenseitigen Flachbaus waren mit orangefarbenen Fallarmmarkisen versehen.[9] Im Kontrast zur modernen, offenen Architektur stand von Beginn an die Gestaltung des holzgetäfelten, rustikalen Bierkellers, dem legendären gesellschaftlichen „Herzstück“ der Landesvertretung, der über die Grenzen der bayerischen Vertreter beim Bund hinaus bekannt wurde.[3]

Sep Ruf war auch verantwortlich für die innenarchitektonische Gestaltung des Gebäudes. Als markant dürfte die Gestaltung der Erdgeschosshalle und des Treppenhauses gelten. Die Erdgeschosshalle schließt zum Garten mit bodentiefen Fenstern und schmalen Rundsäulen ab. Zu Rufs Ärger wurden die filigranen Säulen aus Feuerschutz-Gründen mit voluminösen Asbest-Ummantelungen versehen. Das Treppenhaus orientiert sich an einer vom Erdgeschoss bis zum letzten Obergeschoss führenden, freistehenden und etwa 10 Meter hohen Stahlbeton-Wand, die mit einem anthrazitfarbenen Terrazzo-Belag mit hohem manuellem Aufwand versehen wurde. Der Bodenbelag in den Obergeschossen des Treppenhauses bestand aus petrolfarbenem Linoleum. Die nordwestlichen Stirnseiten der Erdgeschosshalle und des Treppenhauses wurden rot gestaltet. Das „Schwarz“ der Treppenhaus-Wand, das Rot der Stirnseite und eine goldfarbene Zierleiste im Deckenbereich der Erdgeschosshalle bilden ein Ensemble in Schwarz-Rot-Gold – die Farben der Flagge der Bundesrepublik Deutschland.

Erweiterung im Jahr 1982

Unter Leitung der Planungsgruppe Stieldorf und unter Beteiligung von Sep Ruf († 1982) wurde 1981/82 ein Anbau fertiggestellt. Dabei wurde das Gebäude um eine Hausmeisterwohnung und anstelle eines flachen Nebentrakts um einen Anbau mit Tiefgarage erweitert. Dadurch wurde der Hauptbau in voller Höhe um etwa ein Drittel auf der rechten Seite erweitert. Unter Beibehaltung des Grundrasters wurden geschlossene Wandflächen mit schusssicheren Verglasungen realisiert. Die Brüstungen der Fenster waren nicht mehr mit Kunststein gestaltet, sondern in Stahlbeton; der Anstrich wurde in der schwarzen Farbe des Kunststeins des bisherigen Gebäudes gewählt. Die schusssicheren Verglasungen entsprachen dem Sicherheitsbedürfnis der damaligen Zeit, das von Bedrohungen der RAF geprägt war. Der Anbau umfasste u. a. einen Aufzug und einen Tresorraum.

Bauliche Veränderungen während der Nutzung durch die bayerische Landesvertretung

Während der Nutzung des Gebäudes durch die bayerische Landesvertretung gab es einige bauliche Veränderungen. Beispielsweise wurde die Fassade in blau-weiß gestaltet, den Farben der Staatsflagge Bayerns, und die orangen Jalousien wurden durch horizontale Metall-Jalousien ersetzt.

Rekonstruktionen und Erweiterung nach 2010

Nachdem die Deutsche Stiftung Denkmalschutz das Gebäude übernommen hatte, bemühte sie sich um eine Rekonstruktion des Gebäudes im Sinne Sep Rufs. Bereits im Jahre 2009 wurde der weiß-blaue Fassadenanstrich aus den 1980er Jahren entfernt. In einem weiteren Schritt wurde die Farbigkeit der Erdgeschosshalle rekonstruiert. Dabei wurden Details nach alten Fotografien restauriert, wie z. B. die Formgebung der Wandleuchten, die durch Replikate ersetzt wurden. Die Asbest-Mäntel der schlanken Säulen wurden entfernt und durch Brandschutzfarben der Feuerwiderstandsklasse F30 ersetzt. An den Stellen, an denen ursprünglich petrolfarbener Linoleumboden verlegt war, entschied man sich aus Schallschutzgründen für Nadelfilz-Teppichboden, wobei darauf geachtet wurde, dass die Farbgebung mit der des früheren Linoleumbodens identisch ist. Auch die Musterung der Gardinen der Erdgeschosshalle wurde anhand historischer Fotos rekonstruiert. Der Bierkeller wurde in der Fläche deutlich reduziert; der Großteil des Kellers wird nunmehr als Archiv der Stiftung genutzt. Weiterhin offene Themen sind vor allem eine Rekonstruktion der orangefarbenen Fallarmmarkisen. Des Weiteren wird erwogen, die schusssicheren und daher zentnerschweren Fenster des Anbaus von 1982 durch leichtere, handhabbare Fenster zu ersetzen.

Der Deutschen Stiftung Denkmalschutz war bei Bezug des Gebäudes die Nutzungsfläche unzureichend. Daher wurde im rückwärtigen Gelände, angrenzend an die Karl-Carstens-Straße, 2010 ein dreigeschossiger Erweiterungsbau errichtet. Er ist mit dem Flachbau des bisherigen Gebäudes durch einen gläsernen Gang verbunden.

Kunst am Bau

Im Garten befinden sich als Kunst am Bau Reliefs des Bildhauers Josef Henselmann sowie an der Stirnseite des Pavillons ein Keramikrelief des Bildhauers Karl Knappe; beide hatten wie Architekt Ruf an Münchner Hochschulen gelehrt.[10][11]

Außen- und Innenansichten des Gebäudes

Siehe auch

Literatur

  • Felix Wellnitz: Bauklimatische Ertüchtigung und nachhaltige Instandsetzung denkmalgeschützter Verwaltungsbauten der 1950er Jahre am Beispiel der ehemaligen Bayerischen Landesvertretung von Sep Ruf in Bonn, Diss. Bauhaus-Universität Weimar 2014 (E-book: https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/2303).
  • Angelika Schyma: Die Häuser der Landesvertretungen in Bonn. In: Kerstin Wittmann-Englert, René Hartmann (Hrsg.): Bauten der Länder: Die Landesvertretungen in Bonn, Berlin und Brüssel, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2013, ISBN 978-3-89870-796-1, S. 17–55 (hier: S. 23–25).
  • Bredenbeck, Moneke, Neubacher (Hrsg.): Bauen für die Bundeshauptstadt (=Edition Kritische Ausgabe, Band 2). Weidle Verlag, Bonn 2011, ISBN 978-3-938803-41-7, S. 95–99.
  • Walter Schmid: Die weissblaue Botschaft, Nürnberg 1976.
  • Helmut Vogt: Brückenköpfe: Die Anfänge der Landesvertretungen in Bonn 1949–1955. In: Rheinische Vierteljahrsblätter, ISSN 0035-4473, Jahrgang 64 (2000), S. 309–362. (online)
  • Ursel und Jürgen Zänker: Bauen im Bonner Raum 49–69. Versuch einer Bestandsaufnahme. In: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kunst und Altertum am Rhein. Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn. Nr. 21. Rheinland-Verlag, Düsseldorf 1969, S. 128.

Einzelnachweise

  1. Denkmalliste der Stadt Bonn (Stand: 15. Januar 2021), S. 50, Nummer A 3811
  2. Stadt Bonn, Stadtarchiv (Hrsg.); Helmut Vogt: „Der Herr Minister wohnt in einem Dienstwagen auf Gleis 4“. Die Anfänge des Bundes in Bonn 1949/50, Bonn 1999, ISBN 3-922832-21-0, S. 57/58, 236.
  3. 3.0 3.1 3.2 Sep-Ruf-Bau in der Bonner Schlegelstraße, ein Faltblatt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, September 2011 (ohne Namensnennung des Autors)
  4. Karl-Ulrich Gelberg (Hrsg.): Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats, 1945–1954: 5.1.1949-29.12.1949. In: Das Kabinett Ehard II: 20. September 1947 bis 18. Dezember 1950, Band 2, Oldenbourg, 2005, ISBN 978-3-486-57566-8, S. lvi.
  5. Die Bayern verkaufen ihr Gästehaus in Schweinheim, General-Anzeiger, 4. Februar 1995
  6. Verkaufen, vermieten, verwerten: Abschied der Länder, General-Anzeiger, 9. Februar 1998, Stadtausgabe Bonn, Seite 3
  7. Tag des offenen Denkmals, 9. September 2012 (Memento des Originals vom 3. Januar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.baukultur-bonn.de (PDF; 2,2 MB), s. 12
  8. Bayern verkauft seine Landesvertretung, General-Anzeiger, 29. Mai 2009
  9. Ein Foto des Gebäudes mit den orangen Jalousien und der Bildunterschrift „Das Gebäude nach dem Bezug 1955“ ist dem Artikel Klimafreundliche Nachkriegsmoderne auf www.monumente-online.de, einem Online-Magazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, zu entnehmen.
  10. Angelika Schyma: Die Häuser der Landesvertretungen in Bonn.
  11. Felix Wellnitz: Bauklimatische Ertüchtigung und nachhaltige Instandsetzung denkmalgeschützter Verwaltungsbauten der 1950er Jahre am Beispiel der ehemaligen Bayerischen Landesvertretung von Sep Ruf in Bonn, Diss. Bauhaus-Universität Weimar 2014, S. 49, 51. (E-book: https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/2303)

Weblinks

Commons: Landesvertretung Bayern Bonn – Sammlung von Bildern

Koordinaten: 50° 43′ 2,6″ N, 7° 7′ 18,5″ O

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