Die russische Visasperrliste wurde am 27. Mai 2015 vom russischen Außenministerium an mehrere EU-Delegationen übergeben. Auf der Liste sind 89 europäische Politiker, Militärs und Personen aus der Wirtschaft aufgeführt, die nicht mehr nach Russland einreisen dürfen (Stand der Liste: 26. Mai 2015).[1][2][3]
Vorgeschichte
Im Vorfeld der Übergabe der „schwarzen Liste“ kam es zu Spannungen zwischen Deutschland und Russland, nachdem Russland am 25. Mai 2015 dem Vorsitzenden der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Karl-Georg Wellmann (CDU), die Einreise verwehrt hatte. Das Einreiseverbot bleibt – so teilte man ihm mit – bis 2019 bestehen.[4] In einer ersten Reaktion sagte Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) seine bevorstehende Moskaureise ab. Er hatte geplant, im russischen Außenministerium Gespräche mit Abgeordneten der russisch-deutschen Freundschaftsgruppe, Kirchenvertretern sowie russischen Oppositionspolitikern zu führen.[5]
Sergei Mitrochin, der Vorsitzende der russischen Oppositionspartei Jabloko, hat das Einreiseverbot für den Bundestagsabgeordneten Wellmann als nicht nachvollziehbar kritisiert: „Das Verbot fällt nicht nur aus dem Rahmen zivilisierter Beziehungen zwischen Staaten, sondern zeugt auch von einer unpassenden Außenpolitik.“[6]
Bereits im September 2014 wurde Rebecca Harms, Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne/EFA) im Europäischen Parlament, trotz ihres Diplomatenpasses am Flughafen festgehalten. Ihr wurde ohne Nennung von Gründen die Einreise verwehrt. Nach ihrer Rückkehr sprach Harms von der Existenz einer Liste mit Namen von europäischen Politikern, die mit Sanktionen wie Einreisebeschränkungen nach Russland rechnen müssten. Vertreter der Deutschen Botschaft Moskau hätten ihr gegenüber von einer „stop list“ gesprochen.[7] Gleiches widerfuhr einem lettischen Europaabgeordneten.[5]
Auch eine Sprecherin aus Brüssel teilt mit, dass die Existenz einer solchen Liste schon länger bekannt gewesen sei: „In den vergangenen Monaten wurde einer Vielzahl von EU-Politikern, darunter Mitgliedern des Parlaments, bei der Ankunft an der russischen Grenze die Einreise verweigert.“ Russland habe dies damit begründet, dass jene Personen auf einer vertraulichen Liste stünden.[8]
Reaktionen
Zahlreiche Medien bewerteten die Liste als Reaktion auf die Sanktionen der EU gegen Russland nach der Krimannexion.[1][9][10] Yleisradio (yle), die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt von Finnland, leakte eine deutschsprachige Fassung der Liste, welche auch vom Deutschlandfunk online zugänglich gemacht wurde.[11]
Am 30. Mai 2015 bestätigte ein hochrangiger Mitarbeiter des russischen Außenministeriums der Agentur TASS die „Weitergabe von ähnlichen Listen an europäische Partner Russlands.“ Die Listen seien auf mehrfaches Bitten europäischer Regierungen vertraulich weitergegeben worden. Zu konkreten Begründungen für die Erteilung von Einreisesperren für einzelne Personen mochte das russische Außenministerium jedoch keine Stellung beziehen. Einzig die allgemeine Einordnung der Einreisesperren als Reaktion auf Sanktionen der EU und anderer europäischer Staaten gegen Russland wurde bestätigt.[12]
Auf besonders heftige Kritik stieß das Einreiseverbot in Tschechien. Außenminister Lubomír Zaorálek kritisiert die Liste als „einseitig und intransparent“. Sein Land hat aus Protest den russischen Botschafter, Sergej Kisselew, in das Außenministerium einbestellt. Kisselew solle „erklären, warum die Namen von vier Bürgern der Tschechischen Republik auf der Liste stehen“.[13]
Elmar Brok (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments (AFET), verurteilte die Einreiseverbote, da keine der Personen auf der Liste etwas Rechtswidriges getan habe: „Das ist ein deutlicher Unterschied zu den Sanktionen der EU gegen russische Personen.“ Es handele sich, so Brok, um eine „Show für die eigene Bevölkerung“ und eine „symbolische Retourkutsche“.[14] Rebecca Harms (Vorsitzende der Fraktion der Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament) befand: „Russland rächt sich für die EU-Einreiseverbote. Die Verbote sind aber nicht vergleichbar. Moskau hat Völkerrecht gebrochen. Wir nicht.“[15]
Die EU verurteilte die russische Liste als willkürlich, intransparent und ungerechtfertigt. Der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz (SPD), forderte von den russischen Behörden, ihre Entscheidungen gemäß internationalen Richtlinien transparent zu machen. Nur so könnten die Betroffenen ihr Recht zur Verteidigung wahrnehmen sowie Einspruch einlegen.[16]
Der russische Außenminister Sergei Lawrow wies die Empörungen in der EU mit der Begründung zurück, dass die Betroffenen während der Ukraine-Krise „aktiv einen Staatsstreich unterstützt“ hätten. Vizeaußenminister Alexej Meschkow kritisierte die Veröffentlichung der vertraulich übergebenen Liste als Vertrauensbruch. Das russische Außenministerium schloss eine Erweiterung der Liste nicht aus, falls die EU weitere Einreiseverbote gegen russische Staatsbürger verhänge.[17]
Betroffene Personen
Die Personen sind mit Namen, relevanter Funktionen und Staatsbürgerschaft aufgeführt. Zusätzlich zum Original, das bis Juni 2015 auf Wikisource einsehbar war, wurde die Spalte „Gruppe“ hinzugefügt.[Anm. 1] Mit Hilfe der Sortierfunktion lässt sich die jeweiligen Berufsgruppe wie Politiker, Militär oder Person aus dem Wirtschaftsleben leicht überschauen.
Siehe auch
Weblinks
- Deutschlandfunk-Interviews mit Karl-Georg Wellmann (CDU), Rebecca Harms (Bündninis 90/Die Grünen) und Gernot Erler (SPD), dem Russland-Beauftragten der Bundesregierung
- European Union anger at Russian travel blacklist In: BBC, 31. Mai 2015 (englisch)
Anmerkungen
- ↑ „Original“ meint hier jenes Dokument, welches als PDF-Datei von Yleisradio und Deutschlandfunk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Neben der deutschsprachigen Liste existiert vermutlich noch eine ältere russischsprachige Fassung, die aber bisher nicht vorliegt.
Einzelnachweise
- ↑ 1.0 1.1 Süddeutsche Zeitung-Autor mest: Moskau verhängt Einreiseverbote - auch gegen Deutsche. In: Süddeutsche Zeitung. 30. Mai 2015, abgerufen am 30. Mai 2015.
- ↑ RUS: Russische Visasperrliste. (PDF 23 KB) In: yle.fi. 27. Mai 2015, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. Mai 2017; abgerufen am 1. Juni 2015.
- ↑ RUS: Russische Visasperrliste. (PDF 23 KB) In: Deutschlandfunk. 27. Mai 2015, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. Juni 2015; abgerufen am 1. Juni 2015.
- ↑ SZ-Autor afis: Russland verweigert Wellmann Einreise. In: Süddeutsche Zeitung. 25. Mai 2015, abgerufen am 27. Mai 2015.
- ↑ 5.0 5.1 Hans Monath: Nach Einreiseverbot für CDU-Abgeordneten Wellmann: Bundestagsvizepräsident Singhammer sagt Moskau-Reise ab. In: Der Tagesspiegel. 26. Mai 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Stern: Russische Opposition kritisiert Einreiseverbot für Wellmann. In: Stern. 26. Mai 2015, archiviert vom am 26. Mai 2015; abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Gregor Peter Schmitz: Rebecca Harms über Einreisestopp für EU-Politiker nach Russland. In: Spiegel Online. 26. September 2014, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Der Tagesspiegel: Schwarze Liste in Russland: Frank-Walter Steinmeier kritisiert russisches Einreiseverbot für EU-Politiker. In: Der Tagesspiegel. 30. Mai 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Claudia von Salzen: Russische Einreiseverbote: Moskaus Vergeltung für EU-Sanktionen. In: Der Tagesspiegel. 31. Mai 2015, abgerufen am 1. Juni 2015.
- ↑ Vera Kämper, Severin Weiland: Einreiseverbote für Russland: Berlin fordert Aufklärung. In: Spiegel Online. 30. Mai 2015, abgerufen am 1. Juni 2015.
- ↑ BBC: European Union anger at Russian travel blacklist. In: BBC News. 31. Mai 2015, abgerufen am 4. Juni 2015.
- ↑ TASS: Moscow introduces ‘blacklist’ exceptionally as response to EU actions — FM source. In: TASS. 30. Mai 2015, abgerufen am 4. Juni 2015 (englisch).
- ↑ FAZ: Tschechien bestellt russischen Botschafter ein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Juni 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ PNP: Berlin will Gesprächskanäle mit Moskau trotz Einreiseverboten. In: Passauer Neue Presse. 1. Juni 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Dora Varro, Peter Rossberg: Putins schwarze Liste: Kreml verhängt Einreiseverbot für 89 Personen. In: Bild. 29. Mai 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ Badische Zeitung: Ausland: Russland: EU verurteilt Einreiseverbot für 89 europäische Politiker. In: Badische Zeitung. 30. Mai 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.
- ↑ n-tv-Autor ghö: „Aktiv Staatsstreich unterstützt“: Russland verteidigt Schwarze Liste. In: n-tv. 1. Juni 2015, abgerufen am 2. Juni 2015.