Müßiggang (von mittelhochdeutsch müezec gân, müßig gehen, untätig sein, nichts tun, träge sein; von althochdeutsch muozîg, Muße habend)[1] bezeichnet das Aufsuchen der Muße, das entspannte und von Pflichten freie Ausleben, nicht die Erholung von besonderen Stresssituationen oder körperlichen Belastungen. Er geht z. B. mit geistigen Genüssen oder leichten vergnüglichen Tätigkeiten einher, kann jedoch auch das reine Nichtstun bedeuten.
Laster und Literatur
In der Umgangssprache besitzt der Müßiggang – im Gegensatz zur Muße – eine negative Konnotation als Laster und wird in der Regel mit Faulheit in Verbindung gebracht. Faulheit oder Trägheit (Acedia) zählt in der christlichen Theologie zu den sieben Hauptlastern, den „Wurzeln“ von lässlichen Sünden oder Todsünden. Ausdruck dieser Einschätzung ist das Sprichwort „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, der auf dem Gedanken „Müßiggang ist der Feind der Seele“[2] beruht. Einen literarischen Kontrapunkt zum Sprichwort setzte 1935 Bertrand Russell mit seinem Essay Lob des Müßiggangs (Originaltitel: In Praise of Idleness).
Friedrich Nietzsche schrieb:[3]
„Die Arbeit bekommt immer mehr alles gute Gewissen auf ihre Seite: Der Hang zur Freude nennt sich bereits „Bedürfniss der Erholung“ und fängt an, sich vor sich selber zu schämen. ‚Man ist es seiner Gesundheit schuldig‘ — so redet man, wenn man auf einer Landpartie ertappt wird. Ja, es könnte bald so weit kommen, dass man einem Hange zur vita contemplativa (das heisst zum Spazierengehen mit Gedanken und Freunden) nicht ohne Selbstverachtung und schlechtes Gewissen nachgäbe.“
Müßiggang oder auch Freizeit war lange Zeit ein Privileg des Adels, der oberen Schichten und des Klerus. So spricht Henri de Saint-Simon unter anderem von einem Gegensatz zwischen einer „Klasse der Müßiggänger“ (Adel, Klerus) und den Industriels, der „industriellen Klasse“ (die ganze arbeitende Nation, angeführt von Industriellen, Bankiers, Ingenieuren und Wissenschaftlern).[4] Müßiggang war allerdings oft mit der Beschäftigung mit freien Künsten und der Bildung verknüpft und galt als unverzichtbare Grundlage für Kunst und Kultur.[5]
Dazu auch ein passendes Zitat von Søren Kierkegaard:
„An sich ist Müßiggang durchaus nicht eine Wurzel allen Übels, sondern im Gegenteil ein geradezu göttliches Leben, solange man sich nicht langweilt.“
Siehe auch
Literatur
- Bertrand Russell: In Praise of Idleness. George Allen & Unwin, London 1935.
- Lob des Müßiggangs. München: dtv, 2019. ISBN 978-3-423-34955-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 496.
- ↑ vgl. Basilius Steidle (Hrsg.): Die Benediktiner-Regel, lateinisch-deutsch. 2. Auflage. Beuron 1975, S. 145.
- ↑ Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch, Aphorismus 329 „Musse und Müssiggang“ (KSA 3, S. 557).
- ↑ Herrschende Klasse(n), H.J. Krysmanski, Universität Münster.
- ↑ Siehe zum Beispiel MDR: Müßiggang - aber hoch konzentriert! ( vom 28. März 2009 im Internet Archive)