Marktstarke Stellung ist ein Begriff des deutschen Kartellrechts und gleichbedeutend mit relativer Marktmacht. Ein Unternehmen, das nicht marktbeherrschend im Sinne des deutschen oder europäischen Kartellrechts ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen dennoch marktstark sein und daher bestimmten kartellrechtlichen Beschränkungen unterliegen, namentlich dem Diskriminierungsverbot (Diskriminierung der vor- oder nachgelagerten Handelsstufe) und dem Behinderungsverbot (Behinderung der Wettbewerber).
Gesetzlich geregelt ist die marktstarke Stellung in § 20 Absatz 2 in Verbindung mit § 20 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
Voraussetzungen
Voraussetzung für die Annahme einer marktstarken Stellung ist, dass eine Abhängigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu dem dann marktstarken Unternehmen in der Weise besteht, dass diese kleinen oder mittleren Unternehmen keine Möglichkeit haben, auf einen anderen Anbieter oder Nachfrager auszuweichen. Die Feststellung, ob das abhängige Unternehmen ein kleines bzw. mittleres ist, wird in erster Linie im Horizontalverhältnis zu seinen Mitbewerbern und nur ausnahmsweise im Vertikalverhältnis zum marktstarken Unternehmen festgestellt.[1]
Fallgruppen
Die Rechtswissenschaft hat zur Bestimmung der Abhängigkeit Fallgruppen gebildet, insbesondere die sortimentsbezogene Abhängigkeit und die unternehmensbezogene Abhängigkeit. Daneben existieren noch die Fallgruppen der knappheitsbedingten und der nachfragebedingten Abhängigkeit.
Sortimentsbezogene Abhängigkeit
Bei der sortimentsbezogenen Abhängigkeit ist zwischen der Spitzenstellungsabhängigkeit und der Spitzengruppenabhängigkeit zu unterscheiden. Eine Spitzenstellungsabhängigkeit liegt vor, wenn etwa ein Händler ein ganz bestimmtes Produkt führen muss, um überhaupt am Markt zu bestehen. Dies wurde beispielsweise für Ski der Marke Rossignol im Jahr 1975 bejaht.[2] Bei einer Spitzengruppenabhängigkeit ist das kleine bzw. mittlere Unternehmen nicht von einer einzelnen Ware abhängig, sehr wohl aber muss es mehrere anerkannte Marken in seinem Sortiment führen, um konkurrenzfähig zu sein. Normadressaten sind dann diejenigen Unternehmen, deren Produkt zum Kreis dieser Markenartikel zählt. Exemplarisch seien hier etwa Designermöbel genannt.[3]
Unternehmensbezogene Abhängigkeit
Die unternehmensbezogene Abhängigkeit ist zu bejahen, wenn der Geschäftsbetrieb des kleinen oder mittleren Unternehmens so auf einen bestimmten Anbieter oder Abnehmer ausgerichtet ist (Ausstattung, Schulung der Mitarbeiter etc.), dass ein Wechsel mit hohen Risiken verbunden, also in wirtschaftlicher Hinsicht nicht tragbar, wäre. Typischerweise trifft dies auf Autozulieferer oder Kfz-Vertragshändler zu.
EU-Recht
Dem EU-Kartellrecht ist der Begriff des marktstarken Unternehmens fremd. Vielmehr verbietet das EU-Kartellrecht nur den Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben (Art. 102 AEUV). Das deutsche Kartellrecht geht insofern weiter als das europäische. Die Befugnis des deutschen Gesetzgebers, auch strengeres Recht zu erlassen, ergibt sich aus Art. 3 Absatz 2 Satz 2 der EU-Kartellverordnung,[4] die Grenzen bestimmt § 22 GWB.[5]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Loewenheim/Meessen/Riesenkampff Kartellrecht § 20 GWB Rn. 20
- ↑ BGH, Urteil vom 20. November 1975 – KZR 1/75 = NJW 1976, 801 – Rossignol
- ↑ BGH, WuW/E DE-R 481, 482 – Designer-Möbel
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 1/2003
- ↑ Die Zweispurigkeit des Europäischen u. Deutschen Kartellrechts Parallelität der Rechtsordnungen und Einschränkung durch EU-Vorgaben. Universität Augsburg, Datenbank zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht, abgerufen am 23. März 2017