Eine Rechtsfolgenverweisung liegt in der Rechtswissenschaft vor, wenn in einer Rechtsnorm lediglich tatbestandliche Voraussetzungen aufgestellt werden, bezüglich der Rechtsfolge jedoch auf eine andere Norm (Zielnorm) verwiesen wird. Die Rechtsfolgen der Norm, auf die verwiesen wurde, treten also ein, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der verweisenden Norm vorliegen. Der Tatbestand der in Bezug genommenen Norm muss nicht erfüllt sein.
Beispiel: Nach § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet die Verletzung eines absoluten Rechts zum Schadensersatz. Gemäß § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Liegt also gem. Abs. 2 Satz 1 tatbestandlich eine Schutzgesetzverletzung vor, ergibt sich die Rechtsfolge kraft Verweisung aus Abs. 1 (Schadensersatzpflicht).
Damit ist logisch dasselbe erreicht, wie wenn § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB lauten würde: „Wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Die Verweisungstechnik vermeidet jedoch diese unnötige Wiederholung.
Wird auch auf den Tatbestand der anderen Norm verwiesen, so spricht man von einer Rechtsgrundverweisung.
Liste von Vorschriften mit Rechtfolgenverweisungen
Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht
Folgende Vorschriften stellen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht dar:[1]
- § 346 Abs. 3 S. 2 BGB[2]
- § 516 Abs. 2 S. 3 BGB
- § 527 Abs. 1 BGB
- § 528 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 547 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 628 Abs. 1 S. 3 BGB
- § 682 BGB
- § 684 S. 1 BGB
- § 852 S. 1 BGB[3]
- § 988 BGB
- § 993 Abs. 1 BGB
- § 1390 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB
- § 1989 BGB
- § 2021 BGB
- § 2287 Abs. 1 BGB (Herausgabeanspruch des beeinträchtigten Vertragserben bei böswilliger Schenkung des Erblassers)[4]
- § 2329 Abs. 1 S. 1 BGB
Rechtsfolgenverweisung auf das Rücktrittsrecht
Rechtsfolgenverweisung auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) stellen durchweg eine Rechtsfolgenverweisung dar, insbesondere in folgenden Vorschriften:
Rechtsfolgenverweisung auf die GoA
Auf die Negotiorum gestio (§ 677 ff. BGB) verweisen in Form der Rechtsfolgenverweisung folgende Vorschriften:
- § 539 Abs. 1 BGB (Mindermeinung, h. M. sieht § 539 als Rechtsgrundverweisung)
- § 994 Abs. 2 BGB (gemischte Verweisung)
- § 1049 BGB
- § 1216 BGB
- § 1835 BGB
- § 1978 Abs. 1 S. 2 BGB (§ 1985 Abs. 2 S. 2 BGB)
- § 1978 Abs. 3 BGB
Rechtsfolgenverweisung auf das Kaufrecht
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ vgl. auch Wörlen/Leinhaus, JA 2006, 22 ff.
- ↑ BGH NJW 2008, 911 mit Verw. auf BT-Drs. 14/6040, S. 196
- ↑ str. aber stRspr BGHZ 71, 86, 97 ff; 98, 77, 83 ff; BaRoth/Wendehorst § 812 Rz 33; AnwK/v Sachsen Gessaphe Vor §§ 812 Rz 19; Erman/Buck-Heeb Vor § 812 Rz 8; aA Ebert, NJW 03, 3035, 3036 f; v Caemmerer FS Rabel I, 333, 394 ff
- ↑ BGH, Urteil vom 20. November 2013 - IV ZR 54/13 Rdnr. 16.