Mit Sicherungsvermögen bezeichnet man im Versicherungswesen den Teil der Aktiva eines Versicherungsunternehmens, der dazu dient, die Ansprüche der Versicherungsnehmer im Insolvenzfall zu sichern. Es wurde in deutsches Recht aufgrund europäischer Rechtsvorschriften (sogenannte „Zwangsliquidationsrichtlinie“)[1] eingeführt, wobei zuvor schon mit dem Institut des Deckungsstocks ähnliche Vorschriften in Deutschland galten.
Für das Sicherungsvermögen gelten besondere rechtliche Beschränkungen. Diese sollen sicherstellen, dass in einem Insolvenzfall hinreichende Vermögenswerte im Sicherungsvermögen enthalten sind, um die Ansprüche der Versicherungsnehmer bedienen zu können.
Umfang des Sicherungsvermögens
Die Höhe des Sicherungsvermögens richtet sich nach § 125 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Das Sicherungsvermögen muss mindestens die Summe folgender Posten bedecken:
Beitragsüberträge + Deckungsrückstellung + Rückstellungen für * noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und Rückkäufe * erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung * unverbrauchte Beiträge aus ruhenden Versicherungsverträgen + festgelegter Teil der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung + Verbindlichkeiten aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft gegenüber Versicherungsnehmern + als Versicherungsprämie eingenommene Beträge, die ein Versicherungsunternehmen zu erstatten hat (*) = Sicherungsvermögen
(*) wenn ein Versicherungsvertrag oder ein in § 2 Abs. 2 VAG genanntes Geschäft nicht zustande gekommen ist oder aufgehoben wurde.
Sicherungsvermögen als Insolvenzschutz
Zur Sicherstellung der Ansprüche der Versicherten im Falle einer Insolvenz ist das Sicherungsvermögen ein vom übrigen Vermögen des Versicherungsunternehmens intern getrenntes Sondervermögen, das dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen ist. Im Insolvenzfall werden aus diesem zuerst die Ansprüche aus den damit abgedeckten Versicherungsverträgen befriedigt. Nur wenn danach noch Vermögen übrig ist, können Vermögenswerte auch zur Abgeltung anderer Ansprüche verwendet werden.
Die dem Sicherungsvermögen angehörenden Vermögensgegenstände werden in einem Sicherungsvermögensverzeichnis geführt. In der Lebensversicherung, der substitutiven Krankenversicherung und der privaten Pflegepflichtversicherung wird das Sicherungsvermögen von einem Treuhänder überwacht.
Deckungsstock als Vorgänger des Sicherungsvermögens
Bis Dezember 2003 erfüllte der Deckungsstock die Funktion des Sicherungsvermögens. Der Deckungsstock war so anzulegen, dass er größtmögliche Sicherheit und Rentabilität bot, jedoch gleichzeitig jederzeit liquidierbar war. Darüber hinaus sollte er angemessen diversifiziert sein. Er wurde vom übrigen Vermögen getrennt verwaltet. Die strengen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen wurden durch einen Treuhänder überwacht. Mit der Erweiterung der zu bedeckenden Positionen (z. B. wurden Anzahlungen und Prämiendepots und ein Großteil der Schadenrückstellung nicht durch den Deckungsstock abgesichert) erfolgte – auch zur Vermeidung von Verwechslungen – die Umbenennung dieses Absicherungsinstrumentes in Sicherungsvermögen.
Gebundenes Vermögen
Die versicherungstechnischen Rückstellungen sowie die Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten, soweit sie aus Versicherungsverträgen stammen, bilden den Sollwert des gebundenen Vermögens (bis 2015). Soweit das gebundene Vermögen nicht bereits zum Sicherungsvermögen gehört, bildete es das sonstige gebundene Vermögen. Seit 2016 ist diese Position nicht mehr vorgesehen.
Kapitalanlagevorschriften
Nach § 125 Abs. 5 VAG sind die Kapitalanlagen der fonds- und indexgebundenen Lebensversicherung in einer eigenen Abteilung des Sicherungsvermögens, dem Anlagestock, in den betreffenden Werten anzulegen.
Im Übrigen galten für die Anlage des gebundenen Vermögens (und damit des Sicherungsvermögens) die Vorschriften des § 54 VAG a. F. und der auf seiner Grundlage erlassenen Anlageverordnung (AnlV). Ziele der Kapitalanlage sind Sicherheit und Rentabilität unter Berücksichtigung der Liquidität. Die zulässigen Anlageformen sind abschließend beschrieben. Es sind die Grundsätze von Mischung (quantitative Beschränkung einzelner Kapitalanlagearten) und Streuung (auf verschiedene Schuldner) zu berücksichtigen. Die Anlageverordnung listet die zulässigen Anlageformen auf (§ 2 AnlV), fordert die Beachtung spezieller Mischungsquoten (§ 3 AnlV), enthält Streuungsvorschriften (§ 4 AnlV) und verlangt die Einhaltung der Kongruenzregeln (§ 5 AnlV).
Bedeutung für die Versicherungsnehmer
Die besondere Absicherung von Vermögenswerten in Höhe der Verpflichtungen des Versicherers aus Versicherungsverträgen bewirkt einen besonderen Schutz der Versicherungsnehmer im Fall der Insolvenz eines Versicherers. Die Ansprüche der Versicherungsnehmer, obwohl untereinander gleich, rangieren damit vor allen anderen Gläubigern soweit Mittel im Sicherungsvermögen enthalten sind. Allerdings haben Versicherer außer Versicherungsnehmern kaum Gläubiger mit im Vergleich zu denen der Versicherungsnehmer wesentlichen Ansprüchen.
Obwohl der Umfang des Sicherungsvermögens in etwa dem der versicherungstechnischen Rückstellungen entspricht, stellt es nicht die Grundlage für bestimmte Leistungsbemessungen, wie z. B. die Überschussbeteiligung dar. Der Anteil der Versicherungsnehmer an den Kapitalerträgen wird nicht auf Basis des den versicherungstechnischen Rückstellungen zugeordneten Sicherungsvermögens, sondern auf Basis aller Aktiva des Versicherers mit besonderen Verteilungsschlüsseln bestimmt. Im Fall der fondsgebundenen Lebensversicherung müssen die in den Verträgen spezifizierten Kapitalanlagen, die auf Rechnung und Risiko der Versicherungsnehmer gemäß den vertraglichen Vereinbarungen gehalten werden, zwar im Sicherungsvermögen aufbewahrt werden, doch beziehen sich die Verträge direkt auf die Kapitalanlagen, nicht auf das Sicherungsvermögen. Insofern dient das Sicherungsvermögen ausschließlich der Absicherung im Insolvenzfall. Die von den im Sicherungsvermögen aufbewahrten Kapitalanlagen erwirtschafteten Kapitalerträge werden meist noch nicht einmal gesondert erfasst.
Auswirkungen von Solvabilität II
Seit der Einführung von Solvabilität II zum 1. Januar 2016, also der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht (Versicherungsaufsichtsgesetz), werden quoten-/regelbasierte Vorgaben für das Sicherungsvermögen nur noch für „kleine Versicherungsunternehmen“ im Sinne des § 211 Abs. 1 VAG gemacht. Für die unter das Aufsichtsregime Solvabilität II fallenden Unternehmen sind die quantitativen Vorgaben der Anlageverordnung ersetzt durch prinzipienbasierte Anlagegrundsätze und risikoadäquate Eigenmittelanforderungen.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehme
- ↑ Kirsten Anna Scharenberg: Kapitalanlage nach Solvency II – jetzt sind die Versicherer am Zug. In: BB-Standpunkte. Betriebs-Berater, 23. März 2016, abgerufen am 2. Februar 2017.
Weblinks
- Anlageverordnung (für Versicherungsunternehmen unter Solvency II entfallen am 1. Januar 2016)
- Kurzerklärung im Wirtschaftslexikon Gabler