Ein verkehrsanalytisches Gutachten oder Unfallrekonstruktionsgutachten (auch unfallanalytisches Gutachten) dient der Aufklärung eines Unfallhergangs.[1]
Bei Verkehrsunfällen mit Personen- und/oder hohen Sachschäden werden Sachverständige von der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft direkt zur Unfallstelle gerufen, um den Verkehrsunfall aufzunehmen.[2] Die Dokumentation erstreckt sich etwa auf Bremsspuren, Deformationen der Unfallfahrzeuge, Straßenverhältnisse oder den Zustand der Fahrzeuge vor dem Unfallgeschehen.
Auch im Rahmen eines streitigen Zivilprozesses, bezogen auf Schadenersatz, kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen ein solches Gutachten eingeholt werden (§§ 402 ff. ZPO).[3] Nach § 411a ZPO kann die schriftliche Begutachtung in Verkehrsunfallprozessen durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem Verkehrsstrafverfahren ersetzt werden.[4]
Anhand der Summe der Informationen ist es dem Sachverständigen möglich, den Hergang einer Verkehrsstraftat oder im Verkehrszivilrecht strittige Tatsachen mit naturwissenschaftlichen Mitteln einem Beweis zugänglich zu machen. Dabei bedient sich ein Unfallanalytiker moderner Technik, insbesondere moderner Berechnungsprogramme (z. B. PC-Crash oder Analyzer Pro), die anhand verschiedener Parameter die Bremswege der Unfallfahrzeuge, die Stellung der Fahrzeuge vor und nach der Kollision sowie Geschwindigkeiten unmittelbar vor dem Unfallgeschehen errechnen können. Das Gutachten besteht aus der Zusammenfassung der am Unfallort aufgenommenen Daten und Fakten, den Schlussfolgerungen, einer Bilddokumentation (Lichtbildmappe) sowie einer mittels des Rechnerprogramms erstellten Unfallskizze, die den Unfallverlauf darstellt.
Der Sachverständige, in der Regel ein speziell für die Unfallanalyse ausgebildeter Ingenieur, erstellt ein Gutachten zu den spezifischen Fragen des Gerichts oder Auftraggebers; die Fragestellungen und somit die Fachgebiete hierbei sind vielfältig, beispielhaft seien genannt:
- Unfallhergang
- Wahrnehmung (beispielsweise "War eine taktil-kinästhetische Bemerkbarkeit für einen so genannten „Normalfahrer“ mit einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit gegeben?")
- Biophysik (meist Biomechanik)
- Schadenkorrespondenz
- Fahrtüchtigkeit
- Vermeidbarkeit
- Versicherungsbetrug
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Wendt: Unfallanalyse – Kollisionsanalyse – verkehrsanalytisches Gutachten. Abgerufen am 20. Juli 2018.
- ↑ vgl. Jörg Maibaum: Ermittlungen: Tödliche Einsatzfahrt an Neujahr: Essener Polizist schuldlos WAZ, 13. Dezember 2016; Steffen Gerber: Verkehr: Staatsanwaltschaft untersucht tödlichen Unfall in Wengern Westfalenpost, 4. Januar 2018
- ↑ vgl. OLG Hamm, Urteil vom 4. August 2017 – 9 U 173/16; BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 – VI ZR 275/08; LG Coburg, Urteil vom 13. Juli 2005, 21 O 418/03
- ↑ Christoph Eggert: Wichtige Änderung beim Sachverständigenbeweis 1. März 2007