Wilhelm Voß (* 1. Juli 1896 in Rostock als Willy Heinrich Louis Voß[1]; † 1978) war deutscher Wirtschaftsmanager, SS-Standartenführer sowie Wehrwirtschaftsführer und Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS.
Managerlaufbahn im NS-Staat
Wilhelm Voß bekleidete nach seinem Studium, das er mit der Promotion abgeschlossen hatte, zahlreiche Positionen in der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Er war Mitgründer der Reichswerke Hermann Göring im Jahre 1937 und späterer Generaldirektor von 1939 bis 1941. Als prominenter Wehrwirtschaftsführer war er neben seiner Position beim größten Rüstungsproduzenten stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rheinmetall-Borsig AG in Berlin und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Revisions- und Treuhand AG.
In der besetzten Tschechoslowakei war er von 1938 bis 1945 Präsident des Verwaltungsrates der tschechischen Škoda-Werke, die 1938 in die Hermann-Göring-Werke eingegliedert worden waren. Funktionen hatte er darüber hinaus bei weiteren Waffenwerken der Tschechoslowakei, der „Explosia a.s.“ in Prag, den „Waffenwerke Brünn AG“ in Brünn und den „Synthesia-Chemiewerken Prag“. Ferner wurde er Vorsitzender des Verwaltungsrats Avia AG für Flugzeuge in Prag.
In Österreich stieg er zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Simmering-Graz-Pauker AG in Wien auf und als 1938 die Hermann-Göring-Werke die Mehrheit der Aktien der Steyr-Daimler-Puch AG in Steyr übernahmen, wurde er deren Aufsichtsratsvorsitzender. Des Weiteren war er Vorsitzender des Aufsichtsrats Omnipol Handels-AG in Wien und Mitglied des Aufsichtsrats der Veitscher Magnesitwerke AG in Wien.
In Italien war er Präsident des Verwaltungsrats Omnipol SA in Mailand.
Nachkriegslaufbahn
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er für elf Monate in tschechische Internierung, aus der er 1946 entlassen wurde. 1951 stellte Wilhelm Voß von Rottach-Egern aus einen Ausreiseantrag nach Ägypten.[2] Seit März 1951 war Voß bei General Nagib, dem ersten Staatspräsidenten von Ägypten, deutscher Chefberater im ägyptischen Kriegsministerium.[3] Er nahm eine Tätigkeit als Direktor des ägyptischen Raketenprogramms auf und arbeitete dort mit einem umfangreichen Mitarbeiterstab von Spezialisten, die er in seinen vielfältigen Aufgaben kennengelernt hatte. Während seiner Aufgabe in Ägypten war er in diplomatische Initiativen als Leiter der inoffiziellen deutschen Militärmission in Kairo verwickelt gewesen.[2]
Voß verlor an Einfluss, nachdem Nagib im Februar 1954 von Nasser abgesetzt wurde. Er kehrte im Sommer 1956 in die Bundesrepublik zurück. Weitere Details über sein Leben sind nicht bekannt.
Schriften
- Die städtische Kleinsiedlung als Mittel zur Verringerung nachteiliger Einseitigkeit städtischer Wirtschaftsweise. (Dissertation). Rostock 1918.
- Wesen und Bedeutung der „Arbeitsgemeinschaft“. In: Archiv für exakte Wirtschaftsforschung (Thüne-Archiv), Bd. 9, Jena 1922, S. 469–502.
- Sozialpolitik als Wissenschaft. G. Fischer, Jena 1925.
- Die obligatorische Revision im Rahmen der Reform des Aktienrechts. Heymann, Berlin 1927 (Gesellschaftsrechtliche Abhandlungen; 4) (Digitalisat).
- Handbuch für das Revisions- und Treuhandwesen. Poeschel, Stuttgart 1930.
- Die Donau als Großdeutschlands Verkehrsweg zum Süden. In: Der Vierjahresplan 1939, S. 320–321.
Literatur
- Ute Pothmann: Karrieren eines Beraters – biografische Skizze zum Wirtschaftsprüfer Dr. Wilhelm Voss (1896–1974).
- Ute Pothmann: Voss – sozialer Aufstieg im Deutschen Kaiserreich: Mobilität, Bildung, Netzwerk.
- Ute Pothmann: Opportunismus oder Überzeugung? Wilhelm Voss und rechtsradikale Organisationen.
- Ute Pothmann: „…auf eigene Verantwortung freigegeben“ – Wilhelm Voss als Ehemann.
- Ute Pothmann: Waffenwerke Brünn, Škoda-Werke und Dr. Wilhelm Voss – Tschechische Rüstungskonzerne unter deutscher Besatzung 1939 bis 1945.
- Ute Pothmann: „…meine persönliche Ehre als SS-Führer…“ Wilhelm Voss und die SS.
- Ute Pothmann: „Ich sage Ihnen alles, was ich weiß.“ Wilhelm Voss im Verhör 1946/1947.
- Ute Pothmann: Eine „wahre Passion“ – Voss’ Selbstbild im Entnazifizierungsverfahren 1947/1948.
- Ute Pothmann: „Tausenden von Tschechen Leben und Freiheit gerettet“ – Voss im Entnazifizierungsverfahren 1948.
- Ute Pothmann: Zeugen und Testate im Entnazifizierungsverfahren des Dr. Wilhelm Voss (1896-1974).
- Ute Pothmann: Ein Experte für die Tschechoslowakei – Dr. Wilhelm Voss (1896-1974).
- UtePothmann: Dr. Wilhelm Voss (1896-1974) – Lebensentwürfe und Wohnmilieus.
- Ute Pothmann: Wirtschaftsprüfung im Nationalsozialismus. Die Deutsche Revisions- und Treuhand AG (Treuarbeit) 1933–1945. Essen 2013 (Digitalisat).
- Ute Pothmann: „Ära Voss“ – Zur Karriere des Wirtschaftsprüfers Dr. Wilhelm Voss (1896–1974) in der Konsolidierungsphase des NS-Regimes 1933/1934. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook, 58. Band, Heft 1, 2017, S. 279–316. (Digitalisat)
- Ute Pothmann: Ein gescheiterter Opportunist. Der Wirtschaftsprüfer und SS-Führer Dr. Wilhelm Voss und die Reichswerke „Hermann Göring“ (1937–1945). In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 108 (2021), 3, S. 344–372.
- Voss, Wilhelm. In: Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? S. Fischer, Frankfurt am Main 2003.
- Nachschlagewerk: Wer leitet? Die Männer der Wirtschaft und der einschlägigen Verwaltung von 1941/42, zit. n.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Standesamt Rostock, Geburtsregister Nr. 697/1896
- ↑ 2.0 2.1 2.2 Geheim, privat, persönlich. In: Der Spiegel. Nr. 27, 1954, S. 5 (online).
- ↑ Auf Skoda-Spuren. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1955, S. 13 (online).
Personendaten | |
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NAME | Voß, Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Wirtschaftsmanager in der Rüstungsindustrie im Nationalsozialismus |
GEBURTSDATUM | 1. Juli 1896 |
GEBURTSORT | Rostock |
STERBEDATUM | 1978 |