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Ansgar Beckermann

From Wickepedia

Ansgar Beckermann (* 20. Juni 1945 in Hamburg) ist ein deutscher Philosoph und einer der Hauptvertreter der Philosophie des Geistes in Deutschland. Weitere Arbeitsgebiete sind Erkenntnistheorie und Logik.

Beckermann erwarb sein Abitur auf der Sankt-Ansgar-Schule und studierte von 1964 bis 1970 Philosophie, Soziologie und Mathematik an den Universitäten Hamburg und Frankfurt am Main. 1974 promovierte er mit der Arbeit "Gründe und Ursachen"; von 1975 bis 1981 war er wissenschaftlicher Assistent an der Universität Osnabrück. Nach Professuren an der Universität Göttingen und der Universität Mannheim war Beckermann von 1995 bis 2012 Professor an der Universität Bielefeld. Von 2000 bis 2006 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie und seit 2018 ist er deren Ehrenmitglied.[1]

Physikalismus und die Metaphysik des Geistes

Beckermann bezeichnet sich als Vertreter eines physikalistischen Monismus.[2] Der ontologische Physikalismus behauptet, dass alle Entitäten physische Entitäten sind. Dies bedeutet zum einen, dass alle Objekte aus den grundlegenden physischen Teilchen zusammengesetzt sind. Beckermann hat allerdings darauf hingewiesen, dass ein umfassender Physikalismus auf Eigenschaften ausgedehnt werden muss.[3] Nur wenn ein Physikalist behauptet, dass sich alle Eigenschaften aus den Eigenschaften der grundlegenden physischen Objekte ergeben, kann man den Physikalismus adäquat vom Eigenschaftsdualismus abgrenzen. Durch diese These scheint der Physikalismus jedoch auf eine reduktionistische Theorie festgelegt zu sein. Beckermann akzeptiert, dass ein solcher Reduktionismus mit schwerwiegenden Einwänden konfrontiert ist.

Insbesondere die Erlebnisgehalte (die Qualia) widersetzen sich nach Beckermann einer reduktiven Analyse. Viele mentale Zustände haben die Eigenschaft, auf eine bestimmte Weise erlebt zu werden. Beckermann versucht diesen Aspekt des Bewusstseins durch das folgende Beispiel zu erläutern:

„Und wenn jemand sagt, er wisse trotzdem nicht, worin der qualitative Charakter etwa eines Geschmacksurteils bestehe, können wir diesem Unverständnis so begegnen: Wir geben ihm einen Schluck Wein zu trinken, lassen ihn danach ein Pfefferminzbonbon lutschen und geben ihm dann noch einen Schluck desselben Weins mit der Bemerkung: Das, was sich jetzt geändert hat, das ist der qualitative Charakter deines Geschmacksurteils.“[4]

Eine reduktive Theorie des Bewusstseins wäre nur vollständig, wenn sich auch der Erlebnisaspekt durch eine naturwissenschaftliche Analyse verständlich machen ließe. Doch genau dies scheint nicht möglich zu sein. Zwar können etwa die Neurowissenschaften neuronale Korrelate des Bewusstseins finden, also erklären, welcher Vorgang im Gehirn mit welchem Bewusstseinszustand einhergeht. Doch dies macht nicht verständlich, warum etwas erlebt wird.[5]

Da eine solche Erklärungsleistung nicht möglich scheint, drohen reduktive Ansätze zu scheitern. Nun ist jedoch die Annahme plausibel, dass der Physikalismus auf die Zurückführbarkeit des Bewusstseins festgelegt ist. Dieses Problem hat Beckermann dazu gebracht, emergenztheoretische Positionen im Anschluss an C. D. Broad zu diskutieren.[6]

Im Gegensatz zu den Qualia hält Beckermann das Phänomen der Intentionalität für kein Problem des Physikalismus. Der intentionale Gehalt mentaler Zustände lasse sich im Zuge eines messtheoretischen Ansatzes verstehen.[7]

Freiheit und Wissen

Beckermann meint, dass Physikalismus und Determinismus mit der Idee der Freier Wille vereinbar sind. Zwar impliziert der Determinismus die Vorherbestimmtheit unseres Willens, doch dies muss nicht als eine Widerlegung der Freiheitsidee verstanden werden. Vielmehr können wir unter „Freiheit“ die Übereinstimmung von Wollen und Denken verstehen.[8]

In einem einflussreichen Aufsatz hat Beckermann zudem den philosophischen Wissensbegriff angegriffen.[9] Traditionell wird „Wissen“ als wahre, gerechtfertigte Meinung definiert, schon Platon hatte diese Definition am Schluss des Theaitetos diskutiert.[10] 1963 zeigte Edmund Gettier jedoch, dass diese Definition falsch ist, da es Fälle von wahren, gerechtfertigten Meinungen gibt, die kein Wissen darstellen. Seitdem wurden zahllose Versuche unternommen, eine neue Definition zu finden. Beckermann macht jedoch auf logische Fehler bei dieser Bestimmung von „Wissen“ aufmerksam:

„Wenn wir Wissen als gerechtfertigte wahre Überzeugung definieren, dann definieren wir Wissen mit Hilfe zweier Bedingungen, von denen eine – Wahrheit – für das Ziel unserer Erkenntnisbemühungen steht, während die andere – Rechtfertigung – für ein Kriterium steht, mit dessen Hilfe wir herausfinden wollen, ob wir dieses Ziel erreicht haben. Dies […] ist jedoch illegitim. Denn prinzipiell ist es nicht statthaft, ein Ziel und die Kriterien, mit denen wir überprüfen, ob das Ziel erreicht wurde, in die Definition ein und desselben Begriffs aufzunehmen. Mit anderen Worten: Systematisch ist der alltagssprachliche Wissensbegriff ein inkohärenter Hybridbegriff – ein Begriff, in dem zwei Merkmale zusammengefasst werden, die nicht auf derselben Stufe stehen und die daher nicht zusammengefasst werden dürfen.“[11]

Im Gegensatz dazu schlägt Beckermann vor, auf eine Definition zu verzichten und „Wissen“ als zentralen Begriff in der Erkenntnistheorie aufzugeben:

„Wir sollten etwas mutiger […] sein und auf den Wissensbegriff ganz verzichten. Es gibt in der Erkenntnistheorie keine interessante Frage und keine interessante These, die wir nicht auch ohne diesen Begriff formulieren könnten. Was ist das Ziel unserer Erkenntnisbemühungen? Wahrheit. Wie können wir feststellen, welche unserer Aussagen und Überzeugungen wahr sind? Z.B. indem wir überprüfen, ob diese Aussagen und Überzeugungen gerechtfertigt sind. Aus unterschiedlichen Gründen interessieren wir uns für die Wahrheit von Aussagen und Überzeugungen und für die Rechtfertigung von Aussagen und Überzeugungen. Aber die Frage, ob Aussagen und Überzeugungen wahr und gerechtfertigt sind, spielt in unseren Erkenntnisbemühungen aus guten Gründen keine Rolle. Mit anderen Worten: Wenn man Wissen im Sinne von wahrer und gerechtfertigter Überzeugung versteht, dann ist dieser Begriff nicht nur inkohärent, sondern – glücklicherweise – auch uninteressant und verzichtbar.“[12]

Veröffentlichungen

  • Ansgar Beckermann (Hrsg.): Analytische Handlungstheorie. Band 2 (Handlungserklärungen). Suhrkamp, Frankfurt 1977, ISBN 3-518-06399-5; 1985, ISBN 3-518-28089-9
  • Gründe und Ursachen. Zum vermeintlich grundsätzlichen Unterschied zwischen mentalen Handlungserklärungen und wissenschaftlich-kausalen Erklärungen. Scriptor-Verlag, Kronberg 1977, ISBN 3-589-20395-1 (Dissertation)
  • Descartes über die wirkliche Verschiedenheit von Körper und Seele – eine Untersuchung zum Cartesischen Dualismus. Fachbereich 2 der Universität Osnabrück, 1982
  • Descartes' metaphysischer Beweis für den Dualismus. Analyse und Kritik. Alber, Freiburg/München 1986, ISBN 3-495-47608-3
  • mit Hans Flohr und Jaegwon Kim (Hrsg.): Emergence or Reduction? Essays on the prospects of nonreductive physicalism. de Gruyter, Berlin/New York 1992, ISBN 3-11-012880-2
  • Einführung in die Logik. de Gruyter, Berlin/New York 1997, ISBN 3-11-014774-2; 2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2003, ISBN 3-11-017965-2
  • Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes. de Gruyter, Berlin/New York 1999; 2., überarbeitete Auflage 2001, ISBN 3-11-017065-5 ; 3., überarbeitete Auflage 2008, ISBN 978-3-11-020424-7
  • Gehirn, Ich, Freiheit. Naturwissenschaften und Menschenbild. mentis, Paderborn 2008; 2., überarbeitete Auflage 2010, ISBN 978-3-89785-619-6
  • mit Dominik Perler (Hrsg.): Klassiker der Philosophie heute. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010557-9

Weblinks

Fußnoten

  1. Gesellschaft für Analytische Philosophie e.V. - Organisation. Abgerufen am 10. Juli 2020.
  2. Ein Argument für den Physikalismus. In: Geert Keil, Herbert Schnädelbach (Hrsg.): Naturalismus. Philosophische Beiträge. Suhrkamp, Frankfurt 2000, ISBN 3-518-29050-9, S. 128–143
  3. Eigenschafts-Physikalismus. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Nr. 50 (1996), S. 3–25
  4. Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes. Walter de Gruyter, Berlin 1999
  5. Was macht Bewußtsein für Philosophen zum Problem? In: Logos. Nr. 4 (1997), S. 1–19.
  6. Die reduktive Erklärbarkeit phänomenalen Bewusstseins – C. D. Broad zur Erklärungslücke. In: Michael Pauen, Achim Stephan (Hrsg.): Phänomenales Bewusstsein. Rückkehr zur Identitätstheorie? Mentis, Paderborn 2002, ISBN 3-89785-094-X, S. 122–147
  7. Gibt es ein Problem der Intentionalität? In: Ulrike Haas-Spohn (Hrsg.): Intentionalität zwischen Subjektivität und Weltbezug. Mentis, Paderborn 2003, ISBN 3-89785-065-6, S. 19–44
  8. Biologie und Freiheit. In: Heinrich Schmidinger und Clemens Sedmak (Hrsg.): Der Mensch – ein freies Wesen? Autonomie - Personalität - Verantwortung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-17502-6, S. 111–124.
  9. Zur Inkohärenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs. Plädoyer für eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In: Zeitschrift für Philosophische Forschung. Nr. 55 (2001), 571–593
  10. Platon: Theätet. 201d-206b
  11. Zur Inkohärenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs. Plädoyer für eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In: Zeitschrift für Philosophische Forschung. Nr. 55 (2001), S. 576f.
  12. Zur Inkohärenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs. Plädoyer für eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In: Zeitschrift für Philosophische Forschung. Nr. 55 (2001), S. 578f.