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Zulässigkeit, Fortbestehen des Anspruchs, unwirksame Verlängerung der PatRG-Frist, 10. November 2020

From Wickepedia
Doc:20201110-sg-reply.redacted

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[ 1 ]

Az.: S 12 KR 1268/20
sowie S 12 KR 1265/20 ER

München, 10. November 2020

(1)

In einem Schreiben vom 26. Oktober 2020 wird durch die Vorsitzende[1] darauf hingewiesen, die Klage sei aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens zuächst unzulässig. Dies ist unzutreffend.

Grund dafür ist, da die Leistungsklage bereits durch Eintritt der Genehmigungsfiktion statthaft wurde. Die sowohl für Zulässigkeit als auch Begründung doppelrelevante Tatsachenfrage der Genehmigungsfiktion hatte der Kläger bereits im Schreiben vom 13. Oktober 2020 glaubhaft gemacht. Der schlüssige Klägervortrag gilt für die Frage der Zulässigkeit als ausreichend (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 13a vor §51).

Ebenso ist nicht nachvollziehbar, warum dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz noch nicht stattgegeben wurde. Sofern sich der Anordnungsgrund nicht ohnehin bereits aus den Ermittlungen des Gerichts ergibt, dann ist, wenn die abschließende rechtliche Beurteilung in angemessener Zeit nicht möglich ist, bei unstrittig schwerer Erkrankung eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die begehrte einstweilige Anordnung wird daher zu erlassen sein wenn ansonsten mit schweren und un umutbaren gesundheitlichen Nachteilen zu rechnen ist und der Anordnungsanspruch zumindest möglicherweise besteht (ibid, §86b 33a).

(2)

Zu den Tatsachen ist zwischenzeitlich jenes Ereignis hinzugetreten, da der Kläger, wie angekündigt, zwischenzeitlich die Mitgliedschaft bei der Beklagten rückwirkend zum 30. September 2020 beendet hat. Per §19 Abs 2 SGB V besteht in diesem Fall nachgehender Leistungsanspruch bis Ende Oktober 2020. Somit kann die im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sowie in der Klage begehrte Leistung nunmehr wie folgt konkretisiert werden: Die Beklagte ist zur Leistungserbringung umindest im jenem Umfang zu verpflichten, wie er dem Zeitraum vom 20. August 2020 (Eintritt der Genehmigungsfiktion) bis um 31. Oktober 2020 (Ende gesetzlicher [ 2 ]Leistungsanspruch) entspricht. Für die Kosten der begleitenden ärztlichen Betreuung und notwendigen Diagnostik wird Schadensersatz zu leisten sein.

Die begehrte einstweilige Anordnung nimmt die Haupsache nicht vorweg, denn die Gegnerin kann, sofern der Kläger nicht obsiegen sollte, sich an diesem schadlos halten. Da der Kläger hierbei nicht in Vorleistung getreten war sondern Sachleistung fordert ist damit begründet, da dies einem gesetzlich Versicherten im allgemeinen sowie dem Kläger bzw. Antragsteller im besonderen nicht zugemutet werden kann. Selbst im Rahmen der privaten Krankenversicherung erfolgt die Abrechnung teurer Arzneimittel bei berschreiten einer Bagatellgrenze in aller Regel direkt, eine Verpflichtung zur Vorleistung kann folglich im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht angemessen sein. Eine Unterscheidung zwischen gesetzlich Versicherten, welche in der Lage sind bei solchen Beträgen in Vorleistung zu gehen, und solchen die es nicht sind, würde allenfalls den Gleichheitsgrundsatz verletzen und zur Verfassungsbeschwerde berechtigen. Sofern keine direkte Abrechnung mit einer Apotheke oder Bestellung durch die Gegnerin erfolgen kann wird daher zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die Gegnerin die Arzneimittelkosten vorab zu ersetzen haben.

Die Leistung hier zunächst vom Nachversicherer in Anspruch zu nehmen kann nicht verlangt werden, denn dies widerspricht bei Eintritt des Ereignisses vor Vertragsschluss offenkundig dem Prinzip der Versicherung, und ist konsequenterweise vertraglich ausgeschlossen. Der Kläger würde zudem durch Verletzung der Obliegenheit, hier die Beklagte in Anspruch zu nehmen, sein zukünftiges Versicherungsverhältnis gefährden. Ob später dieselbe Leistung vom Nachversicherer begehrt wird hängt nicht zuletzt von Verträglichkeit und Wirksamkeit der Therapie ab, welche erst nach Beginn bewertet werden kann. Wie bereits dargelegt, wird der Kläger, falls die Gegnerin nicht bald zur Leistung verpflichtet wird, seinen Arzneimittelbedarf daher un chst durch Beschaffung im internationalen Drogenhandel decken. Es dürfte offensichtlich sein, da die Therapie dann nicht mehr im Rahmen ärztlicher Betreuung stattfinden kann der Kläger würde dies aufgrund der Haftung für Arzneimittelrisiken gewiss von keinem Arzt verlangen. Beim Eintritt gewisser, damit verbundener und unvermeidbarer Risiken können weitere Ansprüche gegen die Beklagte entstehen, sollte der Kläger in der Leistungsfrage letztlich obsiegen.

(3)

Zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. Oktober 2020 ist nichts weiter anzumerken, da dieser offensichtlich ohne Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 13. Oktober 2020 erstellt wurde. Die Argumentation der Beklagten war antizipiert worden, so daß sich hieraus nichts neues ergibt.

Daß die Beklagte zunächst die Realität der Genehmigungsfiktion verweigert scheint nicht ungewöhnlich, wie eine Durchsicht der Urteile der Berufungsinstanz zeigt. Auch hier wird die Beklagte irgendwann zur Einsicht gelangen müssen, da bei Nichtvorliegen hinreichender Gründe die behauptete Fristerweiterung auf einen nicht rechtfertigbar langen Zeitraum unwirksam ist. [ 3 ]Zur Glaubwürdigkeit der tatsächlichen Ausführungen, welche sich auf den Medi inischen Dienst der Kassen stützen ist anzumerken, daß diese von einer fachfremden Person unter offensichtlicher Missachtung ärztlicher Pflichten erstellt wurden.

Den MDK als neutrale und glaubwürdige Begutachtungsinstanz zu charakterisieren wäre unzutreffend, denn gerade das Gegenteil ist der Fall: Zum einen ist der MDK ein Dienstleister der Kassen und wird allein von diesen alimentiert und gesteuert; der Verwaltungsrat beim MDK Bayern ist aktuell nur mit Vertretern der Krankenkassen besetzt. Zum anderen stehen dem MDK, bedingt durch die Arbeitsmarktsituation und das geringe Ansehen für nicht-kurative Tätigkeit unter Ärzten, tendenziell eher Bewerber am unteren Ende der Kompetenz - sowie Motivationsskala zur Verfügung. Daß diese bei langjähriger rein bürokratischer Tätigkeit zunehmend den Bezug zur Realität kurativer Behandlung verlieren liegt auf der Hand. Dieser Umstand tritt bei MDK-Moscatelli hier in besonderem Ausmaß zum Vorschein.

Die Beklagte war aufgrund begründeter Zweifel aufgefordert worden, die fachliche Eignung Die Beklagte war aufgrund begründeter Zweifel aufgefordert worden, die fachliche Eignung von MDK-Moscatelli, welche nur durch Weiterbildung im Rahmen der ärztlichen Berufsordnung aufrechterhalten werden kann, nachzuweisen. Diesem Begehren ist die Beklagte bislang nicht nachgekommen. Es ist daher wahrscheinlich, da auch formell gesehen eine notwendige Qualifikation der Gutachterin fehlt.

Es sollte auch für die Vorsit ende, durch Abwägung der Reputation der antragstellenden Praxis Prof. Dr. [..] mit jener der MDK-Ärzte, auf der Hand liegen, daß man in den medizinischen Tatsachenfragen i.e. Wirksamkeit, Angemessenheit der Verabreichungsform, zulässiges Risikoprofil im Off-Label Einsatz, Seltenheit der Indikation die Position der Beklagten a priori als eher chancenlos denn aussichtsreich einschätzen muss. Ein Sachverständiger wird dementsprechend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Sichtweise der antragstellenden Ärztin unterstützen.

In Hinsicht auf die Prozessökonomie ist anzumerken, die Beklagte hätte die Rechtshängigkeit der Sache vermeiden können:

(a) Der Kläger hatte der Beklagten angeboten, den Eintritt der Genehmigungsfiktion anzuerkennen und hätte damit zumindest sein Interesse nach Rechtssicherheit befriedigt. Dies wurde durch die Beklagte ernstlich verweigert und daher war nach Verstreichen der hierfür gesetzten Frist die Klage rechtshüngig zu machen.
(b) Die Beklagte hätte aufgrund ihrer Erfahrung und langjährigen Zusammenarbeit mit dem MDK erkennen müssen, da die korrekte Bewertung einer ungewöhnlichen medizinischen Lage nicht im Rahmen der MDK-Tätigkeit erwartet werden konnte1. Hätte die Beklagte pro-forma den MDK beauftragt sowie parallel einen Gutachtenauftrag an einen tatsächlich fachlich kompetenten Arzt erteilt, dann wäre ihr mit fünf Wochen ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestanden.

Kausal ist freilich MDK-Moscatelli dafür verantwortlich, daß hier anderen, einschließlich der Vorsitzenden, ein unangemessener Aufwand entsteht. Wäre MDK-Moscatelli eine pflichtgemäß handelnde Beamtin, dann hätte sie wohl das Telefon zur Hand genommen und

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1Daß MDK-Moscatelli einen fachfremden Auftrag nicht hätte annehmen dürfen wird noch zum Gegenstand dienstrechtlicher Überprüfung außerhalb dieses Verfahrens werden.
[ 4 ] sich die Sache wie ausdrücklich angeboten von der antragstellende Ärztin erklären lassen können2. Daß sich die Beklagte hier verantworten muß, mag zunächst unbillig erscheinen; andererseits dient gerade die Situation, da die Beklagte keinerlei Rechtsanspruch gegenüber dem MDK auf korrekte Erledigung hat3, der Beklagten selbst: denn nur so kann das Märchen von der Unabhängigkeit des MDK aufrechterhalten werden und eine Vielzahl von Anträgen durch schlichte bürokratische Frustration der Versicherten zugunsten der Beklagten erledigt werden. Auch Billigkeitserwägungen können hier also nicht gegen die Zulässigkeit der Klage sprechen.

Daß die Ärztin selbst keine Beschwerde gegen den Bescheid eingelegt ist übrigens damit begründet, da der Kläger die Sichtweise vertritt, kurativ im überlebenskritischen Bereich tätige Ärzte sind nur im strikt notwendigen Umfang mit bürokratischen Belangen zu belasten. Nur wenn Einzelne, welche zufälligerweise dazu fähig sind, fehlerhaftem Verhalten auf prozessuale Weise begegnen, kann die Rechtmäßigkeit der Verwaltung für die Gemeinschaft der Versicherten insgesamt bewahrt werden. Die Zulässigkeit der Klage wird daher auch aus rechtspolitischen Erwägungen zu bejahen sein.

(4)

daher auch aus rechtspolitischen Erwägungen u bejahen sein. Der Kläger bzw Antragsteller hat sich zur Beschleunigung des Verfahrens zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr entschieden. Im Rahmen der Eintragung in das De-Mail Ver eichnis wurde ausdrücklich der Zugang für öffentliche Stellen, und damit auch für die Gerichte, eröffnet.

Die Anschrift des Klägers bzw Antragstellers ändert sich zudem per 1. Dezember 2020 wie folgt: [..], 80802 München.

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2Dem standen offensichtlich Bequemlichkeit und Arroganz entgegen, trotz Verpflichtung durch die Berufsordnung der Ärzte. 3 Probleme mit dieser gesetzlichen Konstruktion sind wohl nur im dienstrechtlichen Rahmen zu lösen, etwa durch Entlassung der weisungsfreien MDK-Gutachter infolge schwerwiegender ärztlicher Pflichtverletzung.