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Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit

From Wickepedia
File:Koenigstraße5HL.jpg
Gesellschaftshaus
File:MemPlaqueGemeinnützige.JPG
Erinnerungstafel an die Gründung der Gesellschaft an Suhls Wohnhaus in der Großen Petersgrube 27

Die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit ist Lübecks älteste Bürgerinitiative. Durch Dekret des Lübeckischen Senats vom 25. November 1795 ist ihr Rechtsfähigkeit und damit der Status eines rechtsfähigen Vereins alten Lübecker Rechts verliehen worden.[1]

Geschichte

Die „Gemeinnützige“, wie die Gesellschaft heute durchweg abgekürzt genannt wird, wurde von dem Prediger an der Petrikirche, Mitglied der Lübecker Freimaurerloge Zur Weltkugel und späteren Advokaten Ludwig Suhl mit seinen Freunden Christian Adolph Overbeck, Johann Julius Walbaum, Anton Diedrich Gütschow, Gottlieb Nicolaus Stolterfoth, Johann Friedrich Petersen (der Ältere) und Nikolaus Heinrich Brehmer am 27. Januar 1789 ins Leben gerufen, zunächst als Literärische Gesellschaft zur wissenschaftlichen Unterhaltung und gegenseitiger Unterrichtung. 1791 wurde der Zweck der Gesellschaft um den gemeinnützigen Aspekt erweitert, und seit 1793 führt sie den Namen, der sich bis heute erhalten hat.

Die demokratisch aufgebaute und vom Bürgertum getragene Gesellschaft und ihr Gesellschaftshaus (ab 1826 in der Breiten Straße 33, seit 1891 in der Königstraße 5) wurden rasch zum Mittelpunkt praktischer Reformarbeit im Geist der Aufklärung. Die Gesellschaft wirkte an der Verbesserung der Verhältnisse in vielen Lebensbereichen mit, von der 1791 als eine der ältesten Einrichtungen des frühen europäischen Rettungswesens etablierten[2] Rettungsanstalt für im Wasser Verunglückte bis zum Lehrerseminar. Über die der Gesellschaft schon damals nahestehenden Neuen Lübeckischen Blätter war sie der Erneuerungsbewegung Jung-Lübeck im Vormärz verbunden.

Die Gemeinnützige war Trägerin der Sparkasse zu Lübeck und bis 1934 auch der Lübecker Museen, die dann in staatliche (ab 1937 kommunale) Trägerschaft übergingen. 1938 wurde ihr der Konzert-, Theater- und Veranstaltungssaal Kolosseum in der Kronsforder Allee übertragen.

1933 brachte die durchgreifende Gleichschaltung der Gesellschaft den von der Vorsteherschaft mitgetragenen Bruch mit ihrer bis dahin liberal-demokratischen Tradition: Schon im Juli wurde das Führerprinzip eingeführt, und im Oktober gab sich die Gesellschaft eine neue Satzung auf der Grundlage des Nationalsozialismus; jüdische Mitglieder wie Moritz Neumark wurden zum Austritt gedrängt oder ausgeschlossen. Die Tochtergesellschaften wurden im nationalsozialistischen Sinne umgeformt und neu ausgerichtet, siehe z. B. die Emanuel-Geibel-Gesellschaft. Im Herbst 1945 kam es dann zu einem demokratischen Neuanfang unter Leitung des Rechtsanwalts Adolf Ihde, der bereits von 1927 bis 1930 Direktor der Gesellschaft gewesen war.

Bereits zum 100. Jubiläum 1889 erhielt die Gesellschaft Lübecks höchste Auszeichnung, die Gedenkmünze Bene Merenti. Damit war sie bis 2018 die einzige juristische Person (rechtsfähiger Verein), welche diese Auszeichnung erhielt. 2019 erhielt die Possehl-Stiftung diese Auszeichnung – ebenfalls anlässlich ihres hundertjährigen Bestehens. Weiter wurden bislang acht Direktoren der Gesellschaft mit der Münze geehrt.

Gegenwart

Die Gesellschaft unterhält zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben zahlreiche Einrichtungen, wie etwa die „Familienbildungsstätte Lübecker Mütterschule“, die „Lübecker Knabenkantorei“, die „Lübecker Musikschule“, eine Bücherei usw. Darüber hinaus können Institutionen, deren Ziele denen der Gesellschaft wesensverwandt sind, auf Antrag den Status einer Tochtergesellschaft erlangen. Hierzu gehören beispielsweise die Geographische Gesellschaft zu Lübeck, die Archäologische Gesellschaft und die in den Bürgergärten gelegene benachbarte Overbeck-Gesellschaft. Die Tochtergesellschaften werden von der „Gemeinnützigen“ bei der Verfolgung ihrer Ziele unterstützt. Darüber hinaus verwaltet die Gesellschaft zahlreiche unselbständige Stiftungen Lübecker Bürger.

Die „Gemeinnützige“ mit ihren mehr als 1.800 Mitgliedern erfreut sich in der Hansestadt Lübeck über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg eines hohen Ansehens. Ihr sind unter anderem folgende Institutionen als Tochtergesellschaften angeschlossen:

Direktoren der Gesellschaft

Name und Lebensdaten Amtszeit Ratslinie Nr. Besonderheiten und Anmerkungen Abbildung
Ludwig Suhl
1789–1790 Gründer; Archidiakon an der St. Petrikirche, in seinem Haus in der Großen Petersgrube 27 fand die Gründungsversammlung statt (heute Teil der Musikhochschule) zentriert
Christian Adolph Overbeck
1791 949 Obergerichtsprokurator, später Lübecker Bürgermeister zentriert
Adolph Friedrich Dehns
1792 Senatssekretär; Sohn des Predigers an St. Aegidien Johann Balthasar Dehns, Ratssekretär seit 1769.
**Ludwig Suhl 1793 nunmehr: Assessor des Domkapitels
**Christian Adolph Overbeck 1794–1797 949 nunmehr: Zweiter Syndikus des Domkapitels
Gottlieb Nicolaus Stolterfoht
1798–1801 Prediger an der Kirche des Burgklosters, zugleich nach dem Lübecker Adressbuch 1798 auch Prediger am Heiligen-Geist-Hospital und am Pockenhaus. zentriert
Anton Diedrich Gütschow
1802–1803 Syndicus der Hansestadt Lübeck zentriert
***Ludwig Suhl 1804–1808 nunmehr: Titular-Assessor
Johann Friedrich Petersen
1808–1814 Prediger am Dom. Erster Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1835). zentriert
Nikolaus Heinrich Brehmer
1814–1818 Dr. med., praktischer Arzt, Vater des Senators und Bürgermeisters Heinrich Brehmer zentriert
****Ludwig Suhl († 1819) 1818–1819 zuletzt: Dr. jur., Advokat, Titular-Assessor
**Nicolaus Heinrich Brehmer 1819–1821 Dr. med., praktischer Arzt zentriert
Bernhard Heinrich von der Hude
1821–1825 Pastor an der Marienkirche zentriert
Johann Friedrich Hach
1825–1830 955 Oberappellationsgerichtsrat, Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1850) zentriert
Christian Gerhard Overbeck
1830–1833 Oberappellationsgerichtsrat, Mitglied der Jung-Lübeck genannten nationalliberalen Erneuerungsbewegung zentriert
**Johann Friedrich Hach 1833–1836 Oberappellationsgerichtsrat
**Christian Gerhard Overbeck 1836–1839 Oberappellationsgerichtsrat
Heinrich von der Hude
1839–1842 Prokurator am Oberappellationsgericht, am Landgericht und Niedergerichtsprokurator, 1844 Dritter Ratssyndikus und 1852 Senator
Friedrich Boldemann
1842–1845 Assekuradeur, Schonenfahrer und Mitglied der Bürgerschaft
Johann Heinrich Behn
1845–1848 Wetteaktuar
Johannes Classen
1848–1851 Professor am Katharineum zentriert
Hermann Wilhelm Hach
1851–1854 992 Senator, Sohn des Senators Johann Friedrich Hach. zentriert
Georg Friedrich Ludwig Oppenheimer
1854–1856 Oberappellationsgerichtsrat a. D. zentriert
Marcus Jochim Carl Klug
1856–1859 Pastor an St. Jakobi zentriert
Friedrich Wilhelm Mantels
1859–1862 Professor am Katharineum, früher Mitglied der Jung-Lübeck genannten nationalliberalen Erneuerungsbewegung zentriert
Wilhelm von Bippen (Mediziner)
(† 1865)
1862–1865 Praktischer Arzt zentriert
Heinrich Gustav Plitt
1865–1868 1002 Direktor des Untergerichts, ab 1868 Senator zentriert
Wilhelm Brehmer
1868–1871 1005 Advokat, ab 1870 Senator, Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1901) zentriert
Carl Alexander von Duhn
1871–1874 Mitglied des Obergerichts, vorher Mitglied der Jung-Lübeck genannten nationalliberalen Erneuerungsbewegung
Adolph Hach
1874–1877 Aktuar des Polizeiamtes zentriert
August Sartori
1877–1889 Oberlehrer des Katharineums, 1880 dort Professor
Heinrich Klug
1886–1889 1012 Senator, Inhaber der drei höchsten Auszeichnungen Lübecks (Gesellschaft (1893), Handelskammer und Senat (1904)) zentriert
Johann Georg Eschenburg
1883–1886 1017 Senatssekretär, ab 1885 Senator, Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1910) zentriert
**Heinrich Klug 1886–1889 1012 Senator
Ernst Christian Johannes Schön
1889–1892 1022 Erster Staatsanwalt zentriert
Adolf Brehmer
1892–1895 Rechtsanwalt
Emil Ferdinand Fehling
1895–1898 1023 Rechtsanwalt, ab 1896 Senator, Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1917) zentriert
Johannes Daniel Benda
1898–1901 Richter am Landgericht Lübeck, ab 1901 Erster Staatsanwalt, Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1919)
Ernst Julius Ludwig Müller
1901–1904 Direktor des Johanneums
**Ernst Christian Johannes Schön 1904–1907 1022 nunmehr: Senator
Johann Martin Andreas Neumann
1907–1910 1029 Senator zentriert
Carl Dimpker
1910–1913 1037 Konsul, amtierender Wortführer in der Bürgerschaft und Präses der Handelskammer zentriert
Christian Reuter
1913–1915 Direktor des Katharineums zentriert
Cay Diedrich Lienau
1915–1918 1034 Senator zentriert
Johannes Evers
1918–1921 Hauptpastor an St. Marien zentriert
Hermann Stodte
1921–1924 Oberstudiendirektor des Johanneums
Rudolf Keibel
1924–1927 Erster Syndikus der Handelskammer, Abgeordneter und stellvertretender Wortführer der Lübecker Bürgerschaft zentriert
Adolf Ihde 1927–1930 Rechtsanwalt und Notar zentriert
Karl Utermarck
1930–1933 Landgerichtspräsident
Hans Sellschopp
1933–1938 Kaufmann und nationalsozialistischer Kulturfunktionär, Leiter der Auslandsstelle der Reichsmusikkammer und 1973 als Companion of the Order of the Cross of Nails eine der Symbolfiguren der Versöhnung in Coventry.
Otto Bernhard Clausen
1939–1945 Kreisleiter der NSDAP
**Adolf Ihde
1945–1949 Rechtsanwalt und Notar
Wilhelm Kusche
(† 1951)
1949–1951 Oberstudiendirektor der Oberschule zum Dom
Rolf Sander
1952–1958 Landgerichtsrat
Gerhard Gaul
1958–1961 Rechtsanwalt und Notar. Inhaber der Gedenkmünze Bene Merenti (1982) zentriert
Gerhard Schneider
1961–1964 Senator
**Rolf Sander
(1911–2009)
1964–1966 Richter am Landgericht Lübeck
Werner Dalstein 1967–1969 Baudirektor
Julius Edelhoff 1970–1972 Leitender Medizinaldirektor
Gerhard Lund 1973–1975 Rechtsanwalt und Notar
Christoph Deecke 1976–1978 Architekt
Boto Kusserow 1979–1984 Rechtsanwalt und Notar
**Christoph Deecke
(1924–2004)
1985 Architekt
Hans-Helmke Goosmann (* 1927) 1991–1996 Architekt
Renate Menken 1997–2002 Apothekerin
Helmut Wischmeyer (1935–2019) 2003–2005 Whg.-Bau-Kfm.
Antje Peters-Hirt 2006–2011 Germanistin, Kauffrau
Titus Jochen Heldt (* 1969) 2012–2017 Rechtsanwalt
Angelika Richter seit 2018 Rechtspflegerin, ehemalige Geschäftsstellenleiterin des Amtsgerichts Lübeck

Anmerkung zur Tabelle: Die Amtszeit beträgt drei Jahre, sich unmittelbar anschließende weitere Amtszeiten sind in der Tabelle nicht gesondert markiert, sie ergeben sich aus der Zeitangabe. Weitere Amtsperioden, nach der Zäsur durch einen anderen Amtsinhaber, sind durch die Anzahl vorgesetzter Sternchen markiert, also ** für eine zweite weitere Periode (ursprünglich, um deutlich zu machen, das nicht wieder ein Porträt mit eingesetzt werden muss).

Ehrenmitglieder

Die Gesellschaft hat nach ihrer Satzung insgesamt 27 Ehrenmitglieder ernannt. Seit 1961 ist die Ehrenmitgliedschaft nicht mehr vorgesehen. Ehrenmitglieder wurden (noch unvollständig; Jahr der Ehrenmitgliedschaft in Klammern):

Denkmünze

Die Gesellschaft verleiht als besondere Auszeichnung seit 1832 ihre Denkmünze in Gold und in Silber. Die Ausführung in Bronze wurde nur in den ersten Jahren nach Begründung der Auszeichnung verliehen und dann eingestellt.

Literatur

  • Ludwig Heller: Geschichte der Lübeckischen Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit. Rohden, Lübeck 1837, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10019443-5
  • Friedrich Bruns: Die Lübecker Syndiker und Ratssekretäre bis zur Verfassungsänderung von 1851. In: ZVLGA, Band 29 (1938), S. 91–168.
  • Hermann Stodte: Festschrift zur 150-Jahr-Feier der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit zu Lübeck, begründet 1789. Lübeck 1939.
  • Georg Behrens: 175 Jahre Gemeinnütziges Wirken. Lübeck 1964
  • Ahasver von Brandt: Das Lübecker Bürgertum zur Zeit der Gründung der "Gemeinnützigen" – Menschen, Ideen und soziale Verhältnisse. In: Der Wagen, 1966, S. 18–33.
  • Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie. Lübeck 1925.
  • 200 Jahre Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in Lübeck 1789-1989. Vorsteherschaft der Gesellschaft, Lübeck 1989.
  • Rüdiger Kurowski: Medizinische Vorträge in der Lübecker Gesellschaft zur Beförderung Gemeinnütziger Tätigkeit 1789-1839: eine Patriotische Sozietät während der Aufklärung und Romantik. Schmidt-Römhild, Lübeck 1995 ISBN 3-7950-0463-2
  • Ideen für Lübeck – bewegen, fördern, gestalten – 225 Jahre Die Gemeinnützige. Vorsteherschaft der Gesellschaft, Lübeck 2014. ISBN 978-3-00-045212-3.
  • Sylvina Zander: "Mögen wir doch einen ländlichen Gottesacker haben". Die "Gemeinnützige und die Vision einer neuen Begräbniskultur um 1800. In: Der Wagen 2006, S. 273–288

Weblinks

Commons: Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. § 1 der Satzung der Gemeinnützigen; siehe auch Lübisches Recht. Das moderne Vereinsrecht wurde in Deutschland erst 1900 mit dem BGB eingeführt.
  2. M. Strätling, A. Schneeweiß, Peter Schmucker: Medizinische Universität zu Lübeck: Klinik für Anästhesiologie. In: Jürgen Schüttler (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2003, ISBN 3-540-00057-7, S. 479–486, hier: S. 479.
  3. Zur Geschichte seit 1896: Georg Behrens: 175 Jahre Gemeinnütziges Wirken. Lübeck 1964, S. 124–126
  4. Seit Oktober 1919 war Franz von Hoeßlin Dirigent bei den Konzerten des Vereins
  5. 175 Jahre Rechtsfürsorge e.V. Lübeck – Resohilfe, in: Lübeckische Blätter 181 (2016), Heft 13 (Digitalisat), S. 222–225
  6. Neuer Nekrolog der Deutschen, 6, 1828, S. 364