Hans Schaefer (* 13. August 1906 in Düsseldorf; † 22. November 2000 in Heidelberg[1]) war ein deutscher Mediziner. Er war im Dritten Reich an der „Geheimforschung zu Kreislauf und Atmung bei Detonationstod“ und Menschenversuchen[2] zur Höhenfestigkeit als Physiologe und nach dem 2. Weltkrieg als Sozialmediziner an der Universität Heidelberg tätig.
Leben
Nach seinem Abitur absolvierte Hans Schaefer von 1925 bis 1930 ein Medizinstudium in München, Königsberg, Düsseldorf und Bonn. Während seines Studiums wurde er Mitglied des AGV München.[3] 1930 erfolgte seine Promotion zum Dr. med. an der Universität Bonn, wo er anschließend noch neun Jahre am physiologischen Institut tätig war.
Im Mai 1933 trat Schaefer der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.144.220[4]) und der Sanitäts-SA.[1] Im selben Jahr habilitierte er sich im Fach Physiologie. 1940 wurde er außerplanmäßiger Professor und Leiter der Abteilung für experimentelle Pathologie und Therapie am Kerckhoff-Institut in Bad Nauheim. In dieser Rolle war er an der Geheimforschung zu Kreislauf und Atmung bei Detonationstod und Menschenversuchen zur Höhenfestigkeit beteiligt.[1] Er wirkte auch in der Luftfahrtforschung bei den Untersuchungen über die elektrischen Begleiterscheinungen bei Anoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) mit.[5] 1941 wurde er außerordentlicher Professor und Direktor des Kerckhoff-Institutes für Kreislaufforschung in Bad Nauheim, was er bis 1949 blieb. 1944 wurde er zusätzlich beratender Physiologe beim Oberkommando der Marine.[5] Zu Schaefers Schülern gehörte der Mediziner Paul Schölmerich.
Nach einer einjährigen Lehrtätigkeit als Ordinarius für Physiologie an der medizinischen Fakultät der Universität Gießen wurde er 1950 auf den Lehrstuhl für Physiologie an der Universität Heidelberg berufen und im selben Jahr zum Direktor dieses Instituts ernannt. Von 1953 an bis zu seinem Tode war Hans Schaefer Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 1970 wirkte Hans Schaefer an einem „Arbeitsentwurf der Medizinischen Gesamtfakultät der Universität Heidelberg“ mit und sprach sich in diesem Kontext für ein „Konzept der Gesamthochschule in der Medizin“ aus. In diese Gesamthochschule sollten die Krankenpflege und die medizinisch-technische Assistenz hineingenommen werden, da hier der Mangel an hoch qualifiziertem Personal besonders eklatant war.[6] Schaefer wirkte 1954 an der Gründung des neuen Lions Clubs in dieser Stadt mit.[7] Zusammen mit dem Lions-Club und der Deutschen Paulusgesellschaft initiierte er das Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Theologie.
Hans Schaefer übte zahlreiche Funktionen aus. So war er von 1958 bis 1988 als Kuratoriumsmitglied des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft tätig und gründete und leitete ab 1961 das Institut für Sozialmedizin der Universität Heidelberg. Er fungierte von 1962 bis 1974 als Gründer und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und war 10 Jahre lang von 1965 bis 1975 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention. Außerdem war Hans Schaefer 30 Jahre lang bis zu seinem Tode Mitglied im Bundesgesundheitsrat. 1974 erfolgte seine Emeritierung, doch sein Wissen stellte er weiterhin zur Verfügung, sei es von 1977 bis 1984 als Präsident der Deutschen Liga für das Kind, als wissenschaftlicher Leiter und Mitautor beim Funkkolleg Umwelt und Gesundheit oder als Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention. 1986 erschien seine Autobiographie unter dem Titel Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Wissenschaftlers.[5]
Für seine Engagements erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter
- 1975 Großes Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland der Bundesrepublik Deutschland
- 1986 Salomon-Neumann-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention
- 1988 Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft
- Albert-Schweitzer-Medaille der Landesärztekammer Baden-Württemberg
- Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit der New York Academy of Sciences
- Mitgliedschaft im Kuratorium der Gesellschaft für Verantwortung in der Wissenschaft
- Ehrenpräsidentschaft der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik
- Mitgliedschaft im Council der International Physiological Society.
- 1957 Mitgliedschaft in der Leopoldina[8][5]
Hans Schaefer wurde auch zum Herausgeber der Physiological Review und Mitglied der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Hans Schaefer starb am 22. November 2000. Insgesamt gab er 33 Bücher heraus und war Autor von über 1.000 Veröffentlichungen.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Die Medizin heute : Theorie, Forschung, Lehre, München : Piper 1963
- (mit Maria Blohmke): Sozialmedizin : Einführung in die Ergebnisse u. Probleme d. Medizin-Soziologie und Sozialmedizin ; mit Schlüssel zum Gegenstandskatalog, 2. Auflage, Stuttgart : Thieme 1978, ISBN 3-13-473802-3
- Plädoyer für eine neue Medizin, München, Zürich : Piper 1979, ISBN 3-492-02490-4, 2. Aufl. München : Piper 1981, ISBN 3-492-00525-X, (Serie Piper ; 225)
- Medizinische Ethik, Heidelberg : Verlag für Medizin Fischer 1983, ISBN 3-88463-026-1.
- Brückenschläge : zum Verständnis zwischen Schulmedizin und ausserschulischen Methoden, Heidelberg : Verlag für Medizin Fischer 1983, ISBN 3-88463-035-0.
- Über die Wirkung elektrischer Felder auf den Menschen : vorgetragen in d. Sitzung vom 26. Juni 1982, Berlin ; Heidelberg ; New York ; Tokyo : Springer 1983, ISBN 3-540-12655-4, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse ; Jg. 1983, Abh. 3
- Das Prinzip Psychosomatik, Heidelberg : Verlag für Medizin Fischer 1990, ISBN 3-88463-128-4.
- Gefährden Magnetfelder die Gesundheit? : Mit 19 Tabellen, Berlin ; Heidelberg ; New York ; London ; Paris ; Tokyo ; Hong Kong ; Barcelona ; Budapest : Springer 1991, ISBN 3-540-54284-1, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse ; Jg. 1991, Abh. 4
- Modelle in der Medizin : vorgelegt in der Sitzung vom 30. November 1991 / Hans Schaefer. Mit einer historischen Einleitung von Dietrich von Engelhardt, Springer 1992, ISBN 3-540-55153-0, Reihe Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse ; Jg. 1992, Abh. 1
- Gefährdet Elektrosmog die Gesundheit? : [Gutachten], Mit einer „Stellungnahme der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg“ / Hans Mohr. Herausgegeben von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, 2. Auflage, Stuttgart : Akademie für Technikfolgenabschätzung 1995, ISBN 3-930241-46-3.
- Gott im Kosmos und im Menschen : Gedanken eines Naturwissenschaftlers, Graz ; Wien ; Köln : Styria 2000, ISBN 3-7867-8360-8, Topos-plus-Taschenbücher ; Bd. 360
Festschriften und Autobiografie
- Heinrich Schipperges (Hrsg.): Ein wahrer Forscher wird nie alt : Hans Schaefer zum 80. Geburtstag, Heidelberg : Verlag für Medizin Fischer 1986, ISBN 3-88463-087-3.
- Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (Hrsg.): Aspekte und Perspektiven der Sozialmedizin : Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Schaefer, dem Gründer der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention zum 90. Geburtstag gewidmet, Stuttgart ; New York : Thieme 1996, Das Gesundheitswesen ; Jg. 58, Sonderh. 3.
- Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Wissenschaftlers, Heidelberg : Verlag für Medizin Fischer 1986, ISBN 3-88463-085-7.
Literatur
- Maria Blohmke: Institut für Sozial- und Arbeitsmedizin, In: Gotthard Schettler (Hrsg.): Das Klinikum der Universität Heidelberg und seine Institute, mit einem Geleitwort von Gisbert Frhr. zu Putlitz, Springer Berlin, Heidelberg et al., 1986, S. 220.
- August W. Holldorf: Schäfer, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 505–507 (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Hans Schaefer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Hans Schaefer in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Laudatio zur Verleihung der Paracelsus-Medaille 1988. Dtsch Arztebl 1988; 85(20): A-1474
Einzelnachweise
- ↑ 1.0 1.1 1.2 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 523.
- ↑ Hierfür gibt es keinen Beweis. Gleichwohl darf vermutet werden, dass er Mitwisser von Menschenversuchen war, da er fest eingebunden war in das Netzwerk von (NS)-Ärzten, die für die Wehrmacht und SS luftwaffenmedizinische Forschung betrieben (Roth K H [2000] Strukturen, Paradigmen und Mentalitäten der luftfahrtmedizinischen Forschung des „Dritten Reichs“. Der Weg ins KZ Dachau, S. 57, in: 1999. Zeitschrift für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 15, 2, S. 49–77). Zu seiner Involvierheit in den Nationalsozialismus siehe: Mythos Domagk II, Anm. 74 Gerhard Domagk – ein Mythos. In: gerhard-domagk-ein-mythos.de, Detlev Stummeyer, abgerufen am 24. Juli 2023.
- ↑ Verband Alter SVer (VASV): Anschriftenbuch und Vademecum. Ludwigshafen am Rhein 1959, S. 105.
- ↑ Schaefer Hans – Detailseite – LEO-BW. Abgerufen am 31. August 2021.
- ↑ 5.0 5.1 5.2 5.3 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 524.
- ↑ Antje Grauhan: Beitrag zur Planung dreijähriger praxisbezogener Studiengänge in der Krankenpflege. Magisterarbeit Universität Konstanz, akademische Betreuer Joachim Domnick und Thure von Uexküll, 1973, S. 20 f.
- ↑ Mitgliederverzeichnis, herausgegeben von Lions International Gesamt-District 111, Stand 1. Juni 1976
- ↑ Mitgliedseintrag von Hans Schaefer bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 28. März 2016.
Personendaten | |
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NAME | Schaefer, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Mediziner und Mitbegründer der Max-Planck-Gesellschaft |
GEBURTSDATUM | 13. August 1906 |
GEBURTSORT | Düsseldorf |
STERBEDATUM | 22. November 2000 |
STERBEORT | Heidelberg |