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Hermann Pünder (Politiker)

From Wickepedia
File:Bundesarchiv Bild 102-13917, Hermann Pünder.jpg
Hermann Pünder (1932)

Hermann Josef Maria Ernst Pünder[1] (* 1. April 1888 in Trier; † 3. Oktober 1976 in Fulda) war ein deutscher Verwaltungsjurist, Ministerialbeamter und Politiker der Deutschen Zentrumspartei. Er stieg zum Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei unter den Reichskanzlern Wilhelm Marx (Zentrum), Hermann Müller (SPD) und Heinrich Brüning (Zentrum) auf. Nach 1945 trat er in die Christlich Demokratische Union Deutschlands ein. 1949–1957 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Von November 1945 bis Mai 1948 war er der von der Control Commission for Germany (British Element) ernannte Oberbürgermeister von Köln.[2] 1947 wurde er Oberdirektor (Vorsitzender des Verwaltungsrates) des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Er leistete wichtige Vorarbeiten für die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland.[3]

Familie

Hermann Pünder war seit 1920 verheiratet mit Magda[4], geb. Statz; seine Frau war die Schwester von Leo Statz (1898–1943) und Cousine von Erich Klausener. Aus der Ehe stammen die vier Kinder Hermann, Adelheid, Winfried und Tilman Pünder.[5] Ein Enkel ist Hermann Pünder (Jurist).

Er war der Bruder der Nationalökonomin und Dozentin Marianne Pünder. Sein älterer Bruder war der Jurist Werner Pünder, dessen Sohn Reinhard Pünder war Bischof des brasilianischen Bistums Coroatá.

Die Grabstätte von Hermann und Magda Pünder befindet sich auf dem Kölner Melaten-Friedhof (Lit. J, zwischen Lit. C+D).

Leben und Wirken

Aufstieg zum Leiter der Reichskanzlei

File:Bundesarchiv Bild 102-02064, Kabinett Luther.jpg
Das Kabinett Luther in der Alten Reichskanzlei, Pünder ist der leitende Beamte

Nach dem Abitur am St. Michael-Gymnasium (Bad Münstereifel) studierte Pünder Rechtswissenschaft in Freiburg, Berlin und London. Das Studium schloss er 1911 mit der Promotion zum Dr. iur. ab. 1919 wurde er Regierungsrat im Reichsministerium der Finanzen. Unter dem parteilosen Reichskanzler Hans Luther wechselte Pünder 1925 mit diesem in die Reichskanzlei, zunächst im Range eines Ministerialrats, jedoch mit der Amtsbezeichnung „Ministerialdirektor“.[6] Anschließend stieg Pünder zum Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei auf – ein Posten, auf dem er sich von 1926 bis 1932 unter den Reichskanzlern Marx (Zentrum), Müller (SPD) und Brüning (Zentrum) halten konnte. Nebenberuflich lehrte er an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin teils zeitgleich mit dem ebenfalls dort lehrenden Theodor Heuss.

Zwangspensionierung seit 1933

Brünings Nachfolger Franz von Papen zu dienen, war Pünder hingegen nicht bereit[7]. So ging er von Berlin in die Provinz und amtierte zunächst von 1932 bis 1933 als Regierungspräsident von Münster, bevor die Nationalsozialisten ihn auch aus dieser Position verdrängten und in Pension schickten[8]. Ab 1939 diente er als Reserveoffizier, zuletzt als Major, im Kommandostab vom Wehrkreis VI (Münster).[9][10]

Freispruch im Prozess am Volksgerichtshof

File:Zellengefängnis Moabit Lageplan 1896.jpg
Zellengefängnis Moabit, Lageplan 1896

Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er am 21. Juli 1944 in Münster von der Geheimen Staatspolizei verhaftet und nach Berlin überführt. Dort war er vier Monate im Zellengefängnis Lehrter Straße eingesperrt und wurde wegen Beteiligung an der Verschwörung gegen Hitler verhört.[11] Verdächtig gemacht hatte ihn ein Kontakt zu Carl Friedrich Goerdeler, der zu den Hauptverschwörern gehörte. Es kam dann alles auf die Verteidigung im Prozess an und um eine mögliche Einflussnahme auf maßgebliche Leute, vor allem auf Roland Freisler. Durch die Einfädelung eines spektakulären Kontaktes von Heinz Tietjen zu Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes, erreichte Marianne Pünder den Freispruch ihres Bruders Hermann im Prozess am Volksgerichtshof. Allerdings war es nur ein Freispruch aus Mangels an Beweisen. Der Mitangeklagte Eugen Bolz wurde im gleichen Verfahren zum Tode verurteilt.[12]

Schutzhäftling bis Mai 1945

Nach dem Freispruch wurde er in Schutzhaft genommen und zuerst im KZ Ravensbrück in einem speziellen Kellergefängnis der Sicherheitspolizeischule Drögen eingesperrt. Gegen Ende des Kriegs wurden die Sonderhäftlinge über Buchenwald, Schönberg, Dachau in den Bereich der sogenannten Alpenfestung gebracht und landeten in Niederdorf (Südtirol). Die Befreiung der SS-Geiseln in Südtirol bewahrte sie vor der Erschießung durch die SS-Wachen.[13]

Karriere in der Nachkriegszeit

Politisch unbelastet konnte Pünder seine politisch-administrative Karriere bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fortsetzen, zuerst als Oberbürgermeister von Köln und dann als Oberdirektor des Verwaltungsrats im Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Bizone). Von 1947 bis 1973 amtierte Pünder als Vorsitzender des Zentral-Dombau-Vereins zu Köln von 1842.

Partei

In der Weimarer Republik war Pünder Mitglied der Deutschen Zentrumspartei. Pünder gehörte 1945 zu den Mitgründern der CDU Nordrhein-Westfalen. Vom 15. Oktober bis zum 30. November 1945 war er Erster Vorsitzender der CDP (später CDU) in Münster.

Abgeordneter

1947 wurde Pünder als Abgeordneter in den Landtag Nordrhein-Westfalen gewählt, nachdem er zuvor dem ernannten Landtag angehört hatte. Bei der Bundestagswahl 1949 und der Bundestagswahl 1953 errang er im Bundestagswahlkreis Köln II ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag, dem er bis 1957 angehörte.

Von 1949 bis 1953 war er Vorsitzender des Bundestagsausschusses für den Marshallplan und vom 20. März 1952 bis zum Ende der ersten Legislaturperiode des Ausschusses für Kommunalpolitik.

Vom 16. Juli 1952 bis zum 1. Juli 1956 war er auch Mitglied des Europaparlaments. Zeitweise gehörte er auch der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an, in der er 1957 den Ausschuss für Haushaltsfragen und intergouvernementale Arbeitsprogramme leitete.

Öffentliche Ämter

Am 1. April 1932 wurde Pünder nach dem Preußenschlag als Nachfolger des entlassenen Rudolf Amelunxen zum Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Münster ernannt, jedoch schon zum 1. Juli 1933 von den Nationalsozialisten in den einstweiligen Ruhestand versetzt.[14] 1933 war er für kurze Zeit auch gleichzeitig kommissarischer Oberpräsident der Provinz Westfalen. 1934 wurde Pünder endgültig aus dem Staatsdienst entlassen.

Am 20. November 1945 wurde Pünder von der britischen Militärregierung zum Oberbürgermeister von Köln ernannt.[15] Er übte dieses Amt bis 1948 aus. 1947 wurde er zum Oberdirektor (Vorsitzender des Verwaltungsrates) des Wirtschaftsrates der Bizone ernannt.

Ehrungen

File:Hermann Pünder -grave.jpg
Grab (Friedhof Melaten)

Veröffentlichungen

  • Die deutschen Gemeinden gestern, heute und morgen. Bachem, Köln 1948.
  • Politik in der Reichskanzlei. Aufzeichnungen aus den Jahren 1929–1932. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1961.
  • Der Reichspräsident in der Weimarer Republik. Athenäum-Verlag, Frankfurt/M. 1961.
  • Von Preußen nach Europa. Lebenserinnerungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1968.

Literatur

  • Rudolf Morsey: Zwischen Verwaltung und Parteipolitik. Hermann Pünder und die Gründung der CDU in Münster 1945, in: Heinz Dollinger u. a.: Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift für Heinz Gollwitzer. Münster 1982, S. 529–542.
  • Rudolf Morsey: Pünder, Hermann Joseph Maria Ernst. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 762 f. (Digitalisat).
  • Rudolf Morsey: Hermann Pünder (1888–1976). Vorsitzender der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. In: Günter Buchstab, Brigitte Kaff, Hans-Otto Kleinmann (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-20805-9, S. 397–402.
  • Tilman Pünder: Hermann Pünder und seine Kölner Zeit. In: Jahrbuch des Kölner Geschichtsvereins. Köln 1988.
  • Hildegard Wehrmann: Hermann Pünder (1888–1976). Patriot und Europäer. Klartext Verlag, Essen 2012, ISBN 978-3-8375-0635-8.
  • Hermann Pünder, Internationales Biographisches Archiv 49/1976 vom 22. November 1976, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Philipp Gatzka: Hermann Pünder. Persönlichkeit und Wirken eines deutschen Spitzenbeamten in der Weimarer Republik. Shaker Verlag, Aachen 2016 (zugleich Diss. phil. Univ. zu Köln), ISBN 978-3-8440-4479-9.
  • Tilman Pünder: In den Fängen des NS-Staates. Staatssekretär Dr. Hermann Pünder 1944/45, Münster: Aschendorff 2018, ISBN 978-3-402-13310-1.

Weblinks

Commons: Hermann Pünder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Deutsche Biographie: Pünder, Hermann - Deutsche Biographie. Abgerufen am 29. September 2020.
  2. stadt-koeln.de.
  3. Hermann Pünder: Von Preußen nach Europa. Lebenserinnerungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1968, S. 317–346.
  4. Historisches Archiv der Stadt Köln, A 188 ff., abgerufen am 29. Januar 2014.
  5. Vgl. Rudolf Morsey: Hermann Pünder. In: Rheinische Lebensbilder, Bd. 12, 1991, S. 275–295.
  6. Philipp Gatzka: Hermann Pünder. Shaker Verlag, Aachen 2016, ISBN 978-3-8440-4479-9, S. 102.
  7. Philipp Gatzka: Hermann Pünder. Shaker Verlag, Aachen 2016, ISBN 978-3-8440-4479-9, S. 609–613.
  8. Tilman Pünder: In den Fängen des NS-Staates. Staatssekretär Dr. Hermann Pünder 1944/45, Münster: Aschendorff 2018, S. 14.
    1. WEITERLEITUNG Vorlage:BibISBN/3770052242
  9. Tilman Pünder: In den Fängen des NS-Staates. Staatssekretär Dr. Hermann Pünder 1944/45, Münster: Aschendorff 2018, S. 14.
  10. Tilman Pünder: In den Fängen des NS-Staates. Staatssekretär Dr. Hermann Pünder 1944/45. Münster: Aschendorff 2018, S. 46–54.
  11. Tilman Pünder: In den Fängen des NS-Staates. Staatssekretär Dr. Hermann Pünder 1944/45. Münster: Aschendorff 2018, S. 88–98.
  12. Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol. Online-Edition Mythos Elser 2006.
  13. Carsten Krystofiak: Zeitreise: Ostfront am Kanal – Recherchen ohne Ende: Der Historiker Christian Steinhagen weiß alles über »Das braune Münster«. In: Ultimo. Nr. 11/13, 13. Mai 2013 – 26. Mai 2013, S. 8 f.
  14. stadt-koeln.de.