Das Kreisgericht war von 1952 bis 1990 in der DDR (und danach für eine Übergangszeit auch in den neuen Bundesländern) ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit erster Instanz.
Entstehung
In der SBZ wurden mit dem SMAD-Befehl Nr. 49 vom 4. September 1945 die Gerichtsorganisation festgelegt. Es sollten diejenigen Gerichte wiederhergestellt werden, die am 30. Januar 1933 bestanden hatten. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 bestätigte diese Regelung. Dies waren als Eingangsgerichte die Amtsgerichte.
Nach Bildung der DDR wurde durch Verordnungen auf Länderebene (z. B. die Verordnung zur Änderung von Gerichtsbezirken im Lande Sachsen vom 5. Mai 1951) die Gerichtsorganisation an die bestehenden Stadt- und Landkreise angepasst. Mit der Verwaltungsreform von 1952 wurden die Länder in der DDR aufgehoben und durch Bezirke ersetzt. Gleichzeitig wurden die bestehenden Gerichte aufgehoben. An Stelle der Amtsgerichte traten nun die Kreisgerichte.
Die neugeschaffenen Kreisgerichte übernahmen nur die Aufgaben der streitigen Gerichtsbarkeit. Die freiwillige Gerichtsbarkeit wurde nun von verschiedenen anderen Behörden wahrgenommen. Die Räte der Kreise, Städte und Stadtkreise übernahmen Vormundschafts- und Pachtschutzsachen sowie die Führung der Grundbücher und Handels- und Genossenschaftsregister. Die Volkspolizeikreisämter erhielten die Führung der Vereinsregister und die jeweiligen Staatlichen Notariate die Testaments- und Nachlasssachen.[1]
Kreisgerichte
Grundsätzlich bestand für jeden Landkreis sowie für jeden Stadtkreis bzw. – soweit vorhanden – für jeden Stadtbezirk (so in Ost-Berlin (11), Magdeburg (4), Erfurt (3), Leipzig (7), Dresden (5), Karl-Marx-Stadt (3)) ein Kreisgericht. Die Kreisgerichte in den Stadtbezirken Ost-Berlins führten die Bezeichnung „Stadtbezirksgericht“. Zum Teil wurde für mehrere Kreise (jeweils Stadt- und Landkreis Wismar, Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg, Brandenburg, Eisenhüttenstadt, Weimar, Suhl, Plauen, Görlitz) oder für mehrere Stadtbezirke eines Stadtkreises (Halle) ein gemeinsames Kreisgericht gebildet. Die Gesamtzahl der Kreisgerichte belief sich Mitte der 1980er-Jahre auf 236.
Jedes Kreisgericht wurde von einem Direktor geleitet. Die Rechtsprechung wurde durch Kammern ausgeübt, die in den Verhandlungen mit einem hauptberuflichen Richter und zwei Schöffen besetzt waren. Außerdem bestanden bei den Kreisgerichten unentgeltliche Rechtsauskunftsstellen.
Die Zuständigkeit der Kreisgerichte erstreckte sich auf die Gebiete des Zivil-, Familien-, Arbeits- und Strafrechts, erst in der Endphase der DDR auch auf das Verwaltungsrecht (nach dem Enumerationsprinzip). Sie waren Eingangsinstanz; daneben entschieden sie über Einsprüche gegen Entscheidungen der gesellschaftlichen Gerichte (Konflikt- und Schiedskommissionen). Gegen Urteile des Kreisgerichts gab es als Rechtsmittel zum Bezirksgericht die Berufung (durch die Parteien) und den Protest (durch den Staatsanwalt), gegen Beschlüsse die Beschwerde; bereits rechtskräftige Entscheidungen konnten im Kassationsverfahren durch das Bezirksgericht oder das Oberste Gericht aufgehoben werden.[2][3][4][5]
Aufhebung
Nach der Wende bestanden die Kreisgerichte für eine Übergangsfrist weiter. In Landesgesetzen, wie z. B. dem Sächsischen Gerichtsorganisationsgesetz wurden sie 1992/1993 aufgehoben und an ihrer Stelle wieder Amtsgerichte gebildet.
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag "Amtsgerichte" beim sächsischen Landesarchiv, Online
- ↑ Gerichtsverfassungsgesetz 1952 (insbes. §§ 38–45)
- ↑ Gerichtsverfassungsgesetz 1959 (§§ 50–56)
- ↑ Gerichtsverfassungsgesetz 1963 (§§ 36–43)
- ↑ Gerichtsverfassungsgesetz 1974 (§§ 22–28)
Literatur
- Verzeichnis der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Staatlichen Notariate auf Staats-, Bezirks- und Kreisebene in der DDR und Berlin (Ost). Gesamtdeutsches Institut, Bonn 1987.
- Inga Markovits: Gerechtigkeit in Lüritz: eine ostdeutsche Rechtsgeschichte. Beck, München 2006, ISBN 3-406-55054-1. – Rechtsgeschichte „von unten“ aufgrund der Akten eines Kreisgerichts im Norden der DDR.