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Medikamentenabgabe

From Wickepedia

Medikamentenabgabe ist der Verkauf oder die sonstige Abgabe von Medikamenten an andere.

Deutschland

Die Medikamentenabgabe ist im deutschen Recht der Verkauf oder die sonstige Abgabe von gesetzlich so bezeichneten Arzneimitteln an andere. Die Abgabe ist ein Unterfall des Inverkehrbringens (§ 4 Abs. 17 AMG). Die Abgabe von Arzneimitteln ist im Arzneimittelrecht geregelt, insbesondere in §§ 43 ff. Arzneimittelgesetz (AMG). Kernpunkte sind die Apotheken- und die Verschreibungspflicht (§ 43, § 48 AMG).

Abgabe durch Unternehmen und Großhändler

Die Abgabe von Arzneimitteln durch pharmazeutische Unternehmer und Großhändler ist in § 47 AMG geregelt. Der Kreis der möglichen Empfänger ist in § 47 Abs. 1 Nr. 1–9 AMG neben anderen pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern sowie Apotheken beschränkt auf Ärzte, Krankenhäuser, Gesundheitsbehörden, wissenschaftliche Forschungseinrichtungen und Hochschulen.

Kostenlose Arzneimittelmuster zum Zwecke der Information und Erprobung dürfen durch pharmazeutische Unternehmer nur an Ärzte und Ausbildungsstätten abgegeben werden, nach der abschließenden Regelung in § 47 Abs. 3 AMG jedoch nicht an Apotheken.[1][2][3]

Näheres zu den internen Betriebsabläufen bestimmt die Arzneimittelhandelsverordnung.[4] Weiter konkretisiert werden die Anforderungen in den EU-Leitlinien für die Gute Vertriebspraxis von Arzneimitteln.[5]

Abgabe in Apotheken

Den Apotheken obliegt die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (§ 1 Abs. 1 ApoG). Dafür müssen die pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler eine bedarfsdeckende und kontinuierliche Belieferung der Apotheken sicherstellen (§ 52b AMG). Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verpflichtet die Apotheken, bestimmte Medikamente stets vorzuhalten (§ 15 ApBetrO).

Seit Dezember 2016[6] darf ein Arzneimittel nicht abgegeben werden, wenn für den Apotheker offenkundig ist, dass eine Verschreibung ohne direkten Kontakt mit dem Arzt, beispielsweise über ein Internetportal, erfolgt ist (§ 48 Abs. 1 AMG n.F.). Damit soll der Schutzzweck der Verschreibungspflicht umfassend erreicht und die bereits geltenden untergesetzlichen Regelungen für Ärzte durch entsprechende Vorgaben für die Abgabe von Arzneimitteln durch Apotheker ergänzt werden.[7]

Nicht der Apothekenpflicht unterliegen Arzneimittel, die von dem pharmazeutischen Unternehmer ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind. Sie dürfen gem. § 44 Abs. 1 und Abs. 2 AMG auch außerhalb von Apotheken abgegeben werden, es sei denn, sie sind verschreibungspflichtig oder kraft Rechtsverordnung ausnahmsweise vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen (§ 44 Abs. 3 AMG). Das betrifft einzelne Arzneimittel, bei deren bestimmungsgemäßem oder gewohnheitsmäßigem Gebrauch eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier zu befürchten ist (§ 46 AMG). Durch Rechtsverordnung sind die in den §§ 7 bis 10 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel aufgeführten Arzneimittel in die Apothekenpflicht einbezogen, die beispielsweise Wirkstoffe mit antibiotischen, blutgerinnungsverzögernden, histaminwidrigen, hormonartigen oder das autonome Nervensystem beeinflussenden Eigenschaften enthalten.

Die Einstufung als verschreibungspflichtig oder nicht dient zur Umsetzung des EU-Gemeinschaftskodex' für Humanarzneimittel,[8] der hinsichtlich des Vertriebswegs ansonsten keine Vorgaben macht.[9]

Abgabe außerhalb von Apotheken

Die in den §§ 1 bis 6 Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel genannten Arzneimittel sind für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben, beispielsweise Erkältungs- oder Abführmittel. Diese Arzneimittel sind auch in Drogeriemärkten, Reformhäusern, Discountern oder dem traditionellen Lebensmitteleinzelhandel verkäuflich. Das Selbstbedienungsverbot aus § 17 Abs. 3 ApBetrO gilt nicht.[10] Ihr Handel setzt jedoch einen besonderen Sachkundenachweis voraus und wird behördlich überwacht (§ 50, § 64 ff. AMG).[11]

Im Jahr 2015 entfiel mehr als die Hälfte des Umsatzes (58 %) auf Apotheken sowie den Versandhandel.[12] Freiverkäufliche Arzneimittel machen einen Anteil von rund 6 % am Gesamtumsatz der Apotheken aus.[13]

Nur die berufs- oder gewerbsmäßige Abgabe von Arzneimitteln, die apothekenpflichtig oder von einem Arzt verschrieben worden sind, an Endverbraucher außerhalb von Apotheken unterliegt der Strafbarkeit nach § 95 Abs. Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG.[14]

Abgabe im Versandhandel

Seit 2004 ist in Deutschland der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel mit behördlicher Erlaubnis zulässig.

Abgabe von Betäubungsmitteln

Der Verkehr mit Betäubungsmitteln unterliegt zusätzlich den besonderen Bestimmungen des Betäubungsmittelrechts (§ 12 BtMG, § 12 BtMVV). Die Verschreibung erfolgt auf einem speziellen Betäubungsmittelrezept, die Abgabe wird durch die Bundesopiumstelle überwacht.

Abgabe von Tierarzneimitteln

Die Abgabe von Tierarzneimitteln erfolgt durch Tierärzte, die eine tierärztliche Hausapotheke führen, aufgrund des Dispensierrechts oder durch Apotheker, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auf Grund einer tierärztlichen Verordnung.[15]

Österreich

§ 2 Abs. 11 und Abs. 15 des österreichischen Arzneimittelgesetzes (AMG)[16] definieren die Abgabe von Arzneimitteln oder Wirkstoffen als Unterfall des Inverkehrbringens. Mit der Abgabe gelangt das Arzneimittel zu Verbrauchern oder Anwendern, die es für den Eigengebrauch erwerben. Die Abgabe setzt grundsätzlich die amtliche Zulassung des Medikaments durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) voraus (§ 7 AMG).

Die Abgabe von Arzneimitteln durch Hersteller und Großhändler sowie Apotheken ist im VI. Abschnitt des AMG (§§ 57 bis 61 AMG) geregelt.

§ 59 Abs. 1 AMG enthält den Apothekenvorbehalt, der anders als in Deutschland sowohl für rezeptpflichtige als auch für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel (OTC-Arzneimittel) gilt. Ein gegen diese Bestimmung gerichteter Normenkontrollantrag einer Drogeriemarktkette blieb 2017 aus formalen Gründen erfolglos.[17][18]

Mit dem Volksbegehren „SOS Medizin“ setzte sich die Niederösterreichische Ärztekammer auch für einen direkten Medikamentenverkauf durch Ärzte ein.[19][20] Die Österreichische Apothekerkammer befürchtete durch diesen Systemwechsel eine erhebliche Kostensteigerung.[21]

Der Vertrieb durch Apotheken ist in der Apothekenbetriebsordnung geregelt,[22] der Vertrieb außerhalb von Apotheken bedarf einer Regelung durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Gesundheit (§ 62 AMG) sowie einer Bewilligung des BASG (§ 63 AMG).

Die gesetzwidrige Abgabe von Arzneimitteln wird gem. § 83 Abs. 1 Nr. 5 AMG als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe geahndet. Die Medikamentenfälschung ist ein Straftatbestand (§ 82b AMG).

Schweiz

Die Abgabe von Medikamenten ist seit jeher Teil des Arztberufes. Jede Arztpraxis ist deshalb mit einem Medikamentenlager und Arzneimitteln zum direkten Gebrauch in der Praxis und zur Notfallabgabe ausgestattet (sog. Selbstdispensation, abgekürzt SD).[23][24]

Das Schweizer Gesundheitswesen lässt es in Art. 37 Abs. 3 KVG außerdem zu, durch kantonale Regelung die Ärzte zur Führung einer Apotheke den zugelassenen Apothekern gleichzustellen. Die rechtliche Situation in den Kantonen ist höchst unterschiedlich: In 14 Kantonen, vorwiegend im deutschsprachigen Teil der Schweiz (AI, AR, BL, GL, LU, NW, OW, SG, SO, SZ, TG, UR, ZG, ZH), dürfen die Ärzte Medikamente an ihre Patienten verkaufen. Die höchste Dichte wiesen 2016 die Kantone Basel-Landschaft und Appenzell Ausserrhoden auf.[25]

Über ein Drittel der praktizierenden niedergelassenen Ärzteschaft sämtlicher Fachrichtungen verfügt in der Schweiz über eine Patientenapotheke. Etwa 24 % der in der Schweiz abgegebenen Arzneimittel werden von Ärzten in Hausapotheken verkauft, 53 % in Apotheken.[26]

Die einzelnen Medikamente sind in Abgabekategorien eingeteilt. Diese bestimmen, ob ein Medikament verschreibungspflichtig ist.[27]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Kloesel, Cyran: Arzneimittelrecht, § 47 Anm. 52; Miller, in: Kügel, Müller, Hofmann: AMG, 2012, § 47 Rn. 65
  2. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2015, 3 U 16/13
  3. Hermann-Josef Omsels: § 47 AMG Arzneimittelmuster Online-Kommentar zum UWG, abgerufen am 28. März 2018
  4. Text der Arzneimittelhandelsverordnung
  5. Helga Blasius: Vom Hersteller zum Patienten. Vertrieb von Arzneimitteln und Vertriebsabgrenzung Deutsche Apotheker-Zeitung, 2014
  6. Viertes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 20. Dezember 2016, BGBl. I S. 3048
  7. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften BR-Drs. 120/16 vom 11. März 2016, S. 42/43
  8. Art. 70-75 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. In: Amtsblatt der Europäischen Union. L 311, 28. November 2001, S. 67.
  9. Helga Blasius: Vom Hersteller zum Patienten. Vertrieb von Arzneimitteln und Vertriebsabgrenzung Deutsche Apotheker-Zeitung, 2014
  10. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 3 C 25.11
  11. vgl. etwa Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit vom 11. August 1997 Az.: VII 6/8622-9/4/97
  12. Der Arzneimittelmarkt in Deutschland. Zahlen und Fakten Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, Redaktionsschluss: April 2016, S. 21
  13. Claudia Korf, Eckart Bauer: Apothekenwirtschaftsbericht 2017 S. 31
  14. Unerlaubte Abgabe von Arzneimitteln rechtslupe.de zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Januar 2012 – Az. 4 Ss 664/11, 8. Februar 2012
  15. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Tierarzneimittel: Abgabe, Anwendung und Versandhandel Website abgerufen am 5. April 2018
  16. Bundesgesetz vom 2. März 1983 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) BGBl. Nr. 185/1983. RIS, abgerufen am 6. April 2018
  17. Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 25. September 2017 – G 8/2017-11, G 10-11/2017-11, V 6-8/2017-11
  18. Christine Ahlheim: Österreich: Drogeriekette kämpft für OTC-Deregulierung Deutsche Apothekerzeitung, 18. Januar 2018
  19. Direkte Medikamentenabgabe in Einzelfällen durch Ärzte bringt viele Vorteile Website sos-medizin.at, abgerufen am 7. April 2018
  20. Volksbegehren „SOS Medizin“: Erste Hürde geschafft. Vorläufiges Ergebnis des Einleitungsverfahrens: 26.811 Unterstützungserklärungen Website der Ärztekammer für Niederösterreich, 8. März 2017
  21. Arzt muss Arzt und Apotheker muss Apotheker bleiben! Patienten brauchen keinen Streit der Gesundheitsberufe Presseaussendung der Österreichischen Apothekerkammer, 15. März 2014
  22. Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über den Betrieb von Apotheken und ärztlichen und tierärztlichen Hausapotheken (Apothekenbetriebsordnung 2005 – ABO 2005) BGBl. II Nr. 65/2005. RIS, abgerufen am 6. April 2018
  23. Thomas Bergmair: Selbstdispensation in der Schweiz Zeitschrift für Gesundheitspolitik 2016, S. 99–115, 105
  24. Positionspapier zur ärztlichen Medikamentenabgabe (Selbstdispensation) FMH, 27. Februar 2012
  25. Kantonal unterschiedliche Dichte von SD-Ärzten und Apotheken Website der Interpharma, abgerufen am 9. April 2018
  26. Thomas Bergmair: Selbstdispensation in der Schweiz Zeitschrift für Gesundheitspolitik 2016, S. 99–115, 106
  27. Abgabe von Arzneimitteln (Memento des Originals vom 9. April 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bag.admin.ch Website des Bundesamts für Gesundheit, 2. Dezember 2016