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Steffen Heitmann

From Wickepedia

Steffen Heitmann (* 8. September 1944 in Dresden) ist ein deutscher evangelischer Theologe, Kirchenjurist und ehemaliger Politiker. Von 1990 bis 2000 war er sächsischer Justizminister, dem Sächsischen Landtag gehörte er von 1994 bis 2009 an. Von 1991 bis zu seinem Austritt 2015 war er Mitglied der CDU.

Leben

Kindheit und Jugend

Steffen Heitmanns Vater verstarb 1945 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, die Mutter starb 1957. Heitmann wuchs bei den Großeltern auf und machte in Dresden 1963 Abitur. Er begann eine Ausbildung bei der evangelischen Kirchenverwaltung.

Studium und Beruf

Heitmann studierte von 1964 bis 1969 Theologie und Altphilologie an der Universität Leipzig, legte das Staatsexamen in Theologie ab und machte 1972 das zweite theologische Examen. 1971/73 war er Pfarrvikar und Pfarrer in der Evangelischen Studentengemeinde Dresden.

Darauf folgte eine kirchenjuristische Ausbildung, die er 1980 mit dem ersten und 1981 mit dem zweiten juristischen Examen abschloss. Ab 1982 leitete er als Oberkirchenrat das Bezirkskirchenamt Dresden.[1] Als er zu einer Reserveübung der NVA einberufen werden sollte, verweigerte er den Dienst an der Waffe. Einen Ersatzdienst als Bausoldat musste er nicht leisten.[2]

Politik

Heitmann war während der Wende und friedlichen Revolution in der DDR juristischer Berater der Dresdner Oppositionsgruppe Gruppe der 20. Ab April 1990 leitete er eine Arbeitsgruppe, die einen Entwurf für eine Verfassung des Freistaates Sachsen erarbeitete. Dieser im August 1990 vorgelegte Entwurf, die Grundlage der späteren Verfassung, wird nach seinem Entstehungsort Gohrischer Entwurf genannt.[3]

File:Bundesarchiv Bild 183-1990-1108-021, Dresden, Kabinett des Freistaat Sachsen (cropped).jpg
Steffen Heitmann (2. von rechts) als Justizminister der Sächsischen Staatsregierung am Tag ihrer Vereidigung am 8. November 1990

Im November 1990 wurde Heitmann Sächsischer Staatsminister der Justiz im Kabinett Biedenkopf I und trat im Dezember 1991 der CDU bei.[4] Seit 1994 war er Mitglied des Sächsischen Landtages und vertrat den Wahlkreis Dresden 2.

1993 war Heitmann Wunschkandidat Helmut Kohls und der CDU für das Amt des Bundespräsidenten für die im Mai 1994 anstehende Wahl.[5] Nach umstrittenen Äußerungen – zur Rolle der Frau, zum Holocaust und über Ausländer –, die von Kritikern als ultrakonservativ oder sogar reaktionär angesehen wurden, verzichtete er am 25. November 1993 auf eine Kandidatur. Die in der Bundesversammlung 1994 notwendige Unterstützung durch die FDP war bereits zuvor ungewiss.

Der Fall verweist auch auf die möglicherweise starke Wirkung von Medien. Umfragen ergaben, dass nur eine Minderheit in der Bevölkerung meinte, Heitmann äußere Auffassungen, die viele teilen. Seine konkreten Äußerungen als solche, ohne Bezug zur Person Heitmann, fanden die Zustimmung deutlicher Mehrheiten (von 78 %, 71 % oder 64 % zu den drei Themen, Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5086, 1993).

Ein Interview Heitmanns in der Süddeutschen Zeitung vom 18. September 1993 war Anlass für Diskussionen über Heitmanns politische Positionen. In dem Interview sagte Heitmann über die multikulturelle Gesellschaft: „Diesen Begriff halte ich als Programm für falsch. Eine multikulturelle Gesellschaft kann man nicht verordnen, sie kann allenfalls wachsen.“ Zur Nation äußerte Heitmann: „Mich schreckt der Begriff nicht, mich schreckt nur sein Mißbrauch.“ Über den Umgang mit der NS-Vergangenheit positionierte sich Heitmann: „Die deutsche Nachkriegssonderrolle war ja in gewisser Weise eine Fortsetzung der angemaßten Sonderrolle der NS-Zeit. Das ist zu Ende. […] Ich glaube, daß der organisierte Tod von Millionen Juden in Gaskammern tatsächlich einmalig ist – so wie es viele historisch einmalige Vorgänge gibt. Wiederholungen gibt es in der Geschichte ohnehin nicht. Ich glaube aber nicht, daß daraus eine Sonderrolle Deutschlands abzuleiten ist bis ans Ende der Geschichte. Es ist der Zeitpunkt gekommen – die Nachkriegszeit ist mit der deutschen Einheit endgültig zu Ende gegangen –, dieses Ereignis einzuordnen.“ Heitmann verwies in diesem Zusammenhang auf Tabus, die er in der politischen Kultur Deutschlands sah: „Das Merkwürdige ist in der Bundesrepublik Deutschland, daß es ein paar Bereiche gibt, die sind tabuisiert. Es gibt eine intellektuelle Debattenlage, die nicht unbedingt dem Empfinden der Mehrheit der Bürger entspricht, die man aber nicht unbestraft verlassen kann. Und dazu gehört das Thema Ausländer. Dazu gehört das Thema Vergangenheit Deutschlands – die Nazi-Vergangenheit. Dazu gehört das Thema Frauen. Ich glaube, daß man diese Debatten auch aufbrechen muß, selbst auf die Gefahr hin, daß man in bestimmte Ecken gestellt wird, in denen man sich gar nicht wohl fühlt.“

Heitmann war von 1995 bis 2010 Mitherausgeber der Wochenzeitung Rheinischer Merkur.[6] Von 2003 bis 2010 war er Präsident der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.[7][8] Als stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Frauenkirche Dresden engagierte er sich für den Wiederaufbau der Frauenkirche.[9]

2000 wurden Vorwürfe laut, Heitmann habe sich als Justizminister zugunsten von Parteifreunden in laufende Verfahren eingeschaltet; nach einer Beanstandung durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und nach Protestschreiben einer Vielzahl von Richtern trat er vom Ministeramt zurück, wies dabei aber jede Schuld von sich.

Bei der Sächsischen Landtagswahl 2009 trat er nicht an.[10]

Während der Flüchtlingskrise in Europa schrieb Heitmann Ende November 2015 einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und trat aus Protest gegen ihre Flüchtlingspolitik aus der CDU aus. In dem Schreiben machte er die Kanzlerin für einen „unkontrollierten Flüchtlingsstrom“ verantwortlich und erklärte: „Ich habe mich noch nie – nicht einmal in der DDR – so fremd in meinem Land gefühlt.“[11]

Privates

Steffen Heitmann ist seit 1965 mit der Bildhauerin Christine Heitmann (* 1937) verheiratet, das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Seit Mitte der 1970er Jahre führte das Paar „Kellergespräche“ mit Vorträgen und Diskussionen im heimischen Keller durch.[12] Christine Heitmann war Mitbegründerin der Künstlerinnenvereinigung Dresdner Sezession 89.

Veröffentlichungen

  • Die Revolution in der Spur des Rechts; Verdienst und Schwäche des Umbruchs in der früheren DDR. Reuter + Klöckner, Dresden 1996.

Auszeichnungen

Literatur

  • Heiko Girnth: Texte im politischen Diskurs. Ein Vorschlag zur diskursorientierten Beschreibung von Textsorten. In: Muttersprache, 106.1, 1996, S. 66–80
  • Klaus J. Groth, Joachim Schäfer: Stigmatisiert – Der Terror der Gutmenschen. Aton-Verlag, 2003, ISBN 3-9807644-5-1, 2. Kapitel: Der Kandidat
  • Kurzbiografie zu: Heitmann, Steffen. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Weblinks

Commons: Steffen Heitmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Manfred Agethen: Steffen Heitmann. In: Geschichte der CDU. Konrad-Adenauer-Stiftung.
  2. Guter Mann aus Dresden. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1993, S. 21 (online).
  3. Verfassung. In: slpb.de. Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 20. Dezember 2019.
  4. Rechter Mann, rechte Zeit. In: Der Spiegel. Nr. 36, 1993 (online).
  5. Nationales Unglück. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1993 (online).
  6. Berufliches – Steffen Heitmann. In: Der Spiegel. Nr. 22, 1995, S. 236 (online29. Mai 1995).
  7. Heitmann neuer Präsident der Kulturstiftung Sachsen
  8. Ulf Großmann ist neuer Präsident der Kulturstiftung
  9. 9.0 9.1 Ministerpräsident Milbradt überreicht Sächsischen Verdienstorden an zwölf Persönlichkeiten. (PDF; 0,1 MB) Sächsische Staatskanzlei, 10. Januar 2005, abgerufen am 7. Dezember 2020 (Medieninformation).
  10. Thilo Alexe: Heitmann und Iltgen beenden ihre politische Karriere. In: Sächsische Zeitung, 10. Juli 2008 (online, Textkopie bei Karl Nolle).
  11. Günter Bannas: Scharfe Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik – Heitmann tritt aus CDU aus. Meldung in der FAZ vom 2. Dezember 2015.
  12. Hauskreis Christine und Steffen Heitmann, Dresden, Ausstellung Boheme und Diktatur in der DDR – Gruppen, Konflikte, Quartiere. 1970 bis 1989, Deutsches Historisches Museum, 1997.