Unter Vertretungsmacht versteht man die Befugnis einer natürlichen Person, durch rechtsgeschäftliches Handeln in Stellvertretung Rechtswirkungen für oder gegen den Vertretenen herbeizuführen.
Allgemeines
Von anderen Personen wahrzunehmende Vertretungsmacht wird bei Privatpersonen erst erforderlich, wenn diese nicht selbst handeln dürfen (beispielsweise bei fehlender Geschäftsfähigkeit), können (wegen Vormundschaft) oder wollen (Prozessvertreter). Juristische Personen oder Personenvereinigungen sind als solche nicht handlungsfähig, sondern erlangen ihre Handlungsfähigkeit erst durch die Organwalter. So vertritt der Vorstand als Organ die Gesellschaft nach außen, was erst durch die Vorstandsmitglieder als Organwalter umgesetzt werden kann. Handlungen der Organwalter stellen unmittelbar auch Handlungen der juristischen Person oder Personenvereinigung dar, sind jedoch kein Fall rechtsgeschäftlicher Stellvertretung.
Rechtsfragen
Vertretungsmacht ist ein Rechtsbegriff, der gemäß § 164 BGB für Willenserklärungen gilt, die der Stellvertreter im Namen des Vertretenen abgibt; sie wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Dieser wird aus schuldrechtlichen Rechtsgeschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Die Vertretungsmacht kann durch den Vertretenen im Umfang mit Hilfe der Vollmacht begrenzt werden. So kann die Vertretungsmacht lediglich ein bestimmtes einziges Rechtsgeschäft betreffen (Spezialvollmacht, etwa bei einem Grundstückskaufvertrag), eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften (Gattungs- oder Artvollmacht, etwa bei allen Bankgeschäften) oder umfassend alle möglichen Rechtsgeschäfte erfassen (Generalvollmacht).[1] Die Vertretungsmacht kann daher von umfassender Vertretungsmacht bis hin zum Falsus procurator reichen.
Die Vertretungsmacht ist von dem zugrunde liegenden Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem abstrakt (Abstraktionsprinzip), so dass eine sich nur aus dem Innenverhältnis ergebende Beschränkung (das „Dürfen“) nicht auf die Vertretungsmacht im Außenverhältnis auswirkt.[2] Überschreitet der Vertreter seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis, so liegt eine Vertretung ohne Vertretungsmacht (lateinisch falsus procurator) vor, die der Vertretene nachträglich genehmigen oder ablehnen kann (§ 177 Abs. 1 BGB).
Arten
Je nach der Rechtsquelle gibt es gesetzliche, rechtsgeschäftliche oder organschaftliche Vertretungsmacht:[3]
- Bei der gesetzlichen Vertretungsmacht erteilt das Gesetz dem Vertreter die Befugnis, Rechtsfolgen für den Vertretenen herbeizuführen. Hierzu gehört die die Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB), elterliche Sorge für Kinder (§ 1629, § 1643 BGB), Vertretungsmacht des Vormunds (§ 1793 BGB), des Betreuers (§ 1902 BGB), des Pflegers (§ 1909 ff. BGB) oder der Miterben im Rahmen der Notgeschäftsführung (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB). Spezialvorschriften regeln beispielsweise die Vertretungsmacht des Verwalters für die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 27 Abs. 2 WEG).
- Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht wird durch Vollmacht erteilt (§ 166 Abs. 2 Satz 1 BGB), deren Umfang der zu vertretende Vollmachtgeber festlegt. Einen gesetzlich typisierten Umfang gibt es nur bei Prokura, Handlungs- und Prozessvollmacht.[4] Die Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft und eine empfangsbedürftige Willenserklärung – kein mehrseitiges Rechtsgeschäft wie ein Vertrag. Beispiele sind die Bankvollmacht, das Depotstimmrecht, das Mandat für einen Rechtsanwalt oder die Vorsorgevollmacht. Eine Postvollmacht gestaltet nur das Postbenutzungsverhältnis, sie hat keine privatrechtlichen Wirkungen.[5]
- Um eine organschaftliche Vertretungsmacht handelt es sich, wenn Organe einer juristischen Person diese im Außenverhältnis gerichtlich und außergerichtlich vertreten dürfen. Hierzu gehören der Vorstand eines eingetragenen Vereins (§ 26 Abs. 2 BGB), einer Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 AktG) oder einer Genossenschaft (§ 24 Abs. 1 GenG) sowie Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG).
Während die gesetzliche und organschaftliche Vertretungsmacht meist unbeschränkt sind, ist die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht im Regelfall vom Umfang her beschränkt.
Abgrenzungen
Die Verfügung ermächtigt im Gegensatz zur Vollmacht nicht zur Vornahme bestimmter Handlungen gegenüber Dritten, denn die Verfügung ist eine rechtsgeschäftliche Handlung. Deshalb ist die Patientenverfügung eine Verfügung, welche die Einwilligung zu oder die Ablehnung von bestimmten medizinischen Maßnahmen enthält.[6]
Weblinks
- Helmut Rüßmann: Vertretungsmacht 2004
- Markus Rehberg: Ludwig Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung (1885) 3. Juni 2015
Einzelnachweise
- ↑ Heinz Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1996, S. 516
- ↑ Alpmann Brockhaus, Fachlexikon Recht, 2005, S. 1456
- ↑ Reinhard Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2006, S. 541
- ↑ Kurt Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 2011, S. 1117
- ↑ BGHZ, 98, 140
- ↑ Andreas Staufer/Daniel Hülsmeyer/Thorsten Kohlmann, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Co. für Dummies, 2012, S. 200