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Werner Flume

From Wickepedia

Das Grab von Werner Flume und seiner Ehefrau Helga geborene Endriss auf dem Zentralfriedhof Bad Godesberg in Bonn

Werner Flume (* 12. September 1908 in Kamen; † 28. Januar 2009 in Bonn[1]) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Professor für Römisches Recht, Bürgerliches Recht, Steuerrecht und Rechtsgeschichte. Flume beeinflusste die Entwicklung des deutschen Rechts maßgeblich.

Leben

Nach seinem Abitur am Gymnasium Hammonense im westfälischen Hamm studierte Flume zunächst ab dem Sommersemester 1927 Geschichte und Alte Sprachen in Tübingen, wechselte aber rasch nach dem Besuch einer Vorlesung von Philipp Heck zur juristischen Fakultät. Bereits zum Wintersemester 1927/1928 wechselte er an die Universität Bonn, wo er, nur durch ein Semester in Berlin unterbrochen, sein Studium der Rechtswissenschaften beendete. Besonders geprägt wurde Flume durch Fritz Schulz. 1930 legte er das Erste Juristische Staatsexamen vor dem Oberlandesgericht Köln ab und promovierte 1931 über das Thema: Studien zur Akzessorietät der römischen Bürgschaftsstipulationen.

1932 folgte er als Assistent von Fritz Schulz nach Berlin. Dort verfasste er den Kern seiner Schrift Eigenschaftsirrtum und Kauf. Diese sollte allerdings erst 1948 erscheinen und war ursprünglich als Grundlage für seine Habilitation vorgesehen. Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, erklärte Flume in einer Assistentenversammlung jeden für „ein Schwein“, der jetzt jüdische Professoren boykottieren wolle. Auf Betreiben des Dozentenschaftsführers Gerd Voss verzichtete Flume auf die Habilitation,[2] gleichwohl sie bereits angemeldet war. Flume verließ die Universität, absolvierte das Vorbereitungsdienst und beendete dieses 1936 mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen. Anschließend war er in einem Druck- und Verlagskonzern tätig, wo er sich vor allem vertieft in das Steuer- und das Gesellschaftsrecht einarbeitete, bis er in den letzten Kriegsjahren noch zur Wehrmacht eingezogen wurde.[3] Nach dem Kriegsende war Flume zunächst als Justitiar in Dortmund tätig, ehe er sich 1946 bei Wolfgang Kunkel mit dem Aufsatz Die Vererblichkeit der suspensiv bedingten Obligationen nach klassischem römischem Recht habilitierte.[4] Im gleichen Jahr begann er zudem im Handelsblatt und ab 1948 in der juristischen Fachzeitschrift Der Betrieb zu steuerrechtlichen und steuerpolitischen Themen zu veröffentlichen.

Ab 1948 war er zunächst als Privatdozent in Bonn tätig. 1949 wurde er Ordinarius an der Universität Göttingen, ab 1953 war er als Professor am Institut für Römisches Recht und vergleichende Rechtsgeschichte an der Universität Bonn tätig. Er hatte dort zunächst einen Lehrstuhl für Privat- und Steuerrecht und übernahm ab 1957 den Lehrstuhl, den vor der Zeit des Nationalsozialismus sein akademischer Lehrer Fritz Schulz innegehabt hatte.

Seit 1972 war Flume ordentliches Mitglied der Klasse für Geisteswissenschaften der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.[5] Er war ferner Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der British Academy. Als erster Jurist erhielt Flume am 19. Januar 1982 die Ehrendoktorwürde der Universität Regensburg.

Werk

Als sein bedeutendstes Werk gilt das in drei Teilbänden erschienene Bürgerliches Recht – Allgemeiner Teil. In diesem Werk bemüht er sich um die Entwicklung der einzelnen Lehren des Allgemeinen Teils aus dem Gedanken der Privatautonomie mit einer im deutschen Zivilrecht sonst nicht mehr gekannten Konsequenz und Vergewisserung in den Traditionen der Historischen Rechtsschule (Friedrich Carl von Savigny, Bernhard Windscheid u. a.). Gemeinhin wird in Flume einer der bedeutendsten deutschen Juristen des 20. Jahrhunderts gesehen, der die Fortentwicklung des Bürgerlichen Rechts maßgeblich beeinflusste.

Unter anderem entwickelte er 1972 die so genannte Gruppenlehre, mit der er die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete. Dieser Lehre schloss sich 29 Jahre später auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2001 (BGHZ 146, 341) an. Außerdem trat Flume mit der Erkenntnis zum „subjektiven Fehlerbegriff“ hervor, wonach allein die Vertragsparteien in ihrem Rechtsverhältnis bestimmen, was ein die Verkäuferhaftung bestimmender Mangel sei; dieser Fehlerbegriff wurde mit der Schuldrechtsreform 2002 dann Gesetz, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F.[6] Flume trat beispielsweise auch als entschiedener Gegner der sogenannten Anscheinsvollmacht und der Lehre von der Geschäftsgrundlage auf, die er als Verstöße gegen das Prinzip der Privatautonomie erachtete; heute ist die Diskussion um den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ mit § 313 BGB n. F. ebenfalls legislatorisch befriedet. Besonderes Augenmerk legte Flume zeitlebens auf die Anschauungen zur Problematik des Bereicherungswegfalls. Hier steuerte er seine „Theorie der vermögensmäßigen Entscheidung“ bei.[7][8]

Flume lehnte es ab, aus Wertungen des Grundgesetzes konkrete privat- und steuerrechtliche Antworten herzuleiten; seiner Ansicht nach ist vielmehr das handelnde Individuum Angelpunkt des geltenden Rechtes. Sozial- und wirtschaftspolitische Entscheidungen stünden Juristen nicht zu.

Zu Flumes Schülern zählen die Professoren Eduard Picker (Tübingen), Jan Wilhelm (Passau), Horst Heinrich Jakobs (Bonn) und Brigitte Knobbe-Keuk (†) (Bonn).

Veröffentlichungen (Monografien – Auszug)

  • Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. (Bd. 1, Teil 1. Die Personengesellschaft, 1977; Bd. 1, Teil 2, Die juristische Person, 1983; Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, ISBN 3-540-55211-1) Springer, Berlin 1992.
  • Gesammelte Schriften. hrsg. von Horst Heinrich Jakobs, Köln, Schmidt, 1988-, ISBN 3-504-06008-5.
  • Eigenschaftsirrtum und Kauf. Regensberg, Münster 1948.
  • Richter und Recht. München, 1967.
  • Rechtsakt und Rechtsverhältnis: römische Jurisprudenz und modernrechtliches Denken., Paderborn, München, Wien, Zürich. Schöningh, 1990, ISBN 3-506-73356-7.
  • Studien zur Akzessorietät der römischen Bürgschaftsstipulationen. Dissertation, Bonn 1931.
  • Steuerwesen und Rechtsordnung., Köln, Schmidt, 1986. ISBN 3-504-64200-9.
  • Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-147930-0.
  • Festschrift für Alexander Knur. (Hrsg. mit Richard Hamm), München 1972.
  • Festschrift für Kurt Ballerstedt zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1975. (Hrsg. mit Peter Raisch u. a.), Berlin, New York 1975.
  • Festschrift für F. A. Mann zum 70. Geburtstag am 11. August 1977. (Hrsg. mit Hugo J. Hahn), München 1977.
  • Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk. (mit Horst Heinrich Jakobs), Köln 1997.

Literatur

  • Horst Heinrich Jakobs u. a. (Hrsg.): Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag: 12. September 1978. 2 Bände, Schmidt, Köln 1978.
  • Horst Heinrich Jakobs u. a. (Hrsg.): Festgabe für Werner Flume zum 90. Geburtstag. Springer, Berlin 1998, ISBN 3-540-64832-1.
  • Jan Wilhelm: Werner Flume zum 95. Geburtstag. In: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2003, Heft 37, S. 1691.
  • Heribert Prantl: … anderer Meinung – Flume! In: Süddeutsche Zeitung vom 12. September 2003.
  • Horst Heinrich Jakobs: Geschäftsgrundlagen des modernen Individuums. Dem Zivilrechtler Werner Flume zum hundertsten Geburtstag. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 213 vom 11. September 2008, S. 36.
  • Wolfgang Ernst: Werner Flume zum 100. Geburtstag. In: NJW 2008, S. 2760 f.
  • Hans Mundorf: Der Jahrhundertjurist. In: Handelsblatt vom 11. September 2008 [1].
  • Heribert Prantl: Der Kolumbus der Rechtswissenschaft. In: Süddeutsche Zeitung vom 12. September 2008.
  • Jan Wilhelm: „O! glücklich! Wer von seinen Gaben Solch einen Vorteil ziehen kann“. In: Der Betrieb 2008, Heft 37, S. I [2]
  • Werner Flume feierte 100. Geburtstag. In: General-Anzeiger vom 16. September 2008 [3]
  • Thomas Lobinger: Ein Jahrhundertjurist ist hundert: Werner Flume. In: Zeitschrift für das Juristische Studium 2008, S. 675–680 (PDF).
  • Reinhard Müller: Recht und Rechtsfeindschaft – Zum Tod von Werner Flume, der hundert Jahre alt wurde. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 27 v. 2. Februar 2009, S. 27.
  • Manfred Groh: Abschied von Werner Flume. In: Der Betrieb 2009, Heft 6, S. I [4].
  • Benno Heussen: Erinnerungen an Werner Flume. In: NJW 2009, Heft 12, S. XVIII und XX.
  • Rainer Hüttemann: Werner Flume + In: NJW 2009, 820.
  • Horst Heinrich Jakobs: Zum Tod von Werner Flume. In: Deutsche Juristen-Zeitung 2009, 406 f.
  • Gerhard Wagner: Vorwort: Zum 100. Geburtstag von Werner Flume In: Archiv für die civilistische Praxis 2009, 141 f. (gefolgt von den Beiträgen zum Geburtstags-Symposion am 12. September 2008 in der Universität Bonn).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Feuerkopf senior (Memento vom 1. Februar 2009 im Internet Archive) – Nachruf von Heribert Prantl bei sueddeutsche.de, 29. Januar 2009 (aufgerufen am 29. Januar 2009)
  2. Anna-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Tübingen 1999, S. 232.
  3. Horst-Heinrich Jakobs: Gedenkreden auf Frederick Alexander Mann, Brigitte Knobbe-Keuk, Werner Flume. Göttingen 2011, S. 81.
  4. Thomas Lobinger: Ein Jahrhundertjurist ist hundert: Werner Flume. ZJS 2008, 675 (676).
  5. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste: Mitglieder der Klasse für Geisteswissenschaften (Memento vom 25. August 2007 im Internet Archive)
  6. Vgl. hierzu den Fehlerbegriff des Reichsgerichts im Haakjöringsköd-Fall.
  7. Werner Flume, NJW 1970, 1161 ff.
  8. Zu allen angerissenen Problemstellungen: Nachruf auf Werner Flume, Jahrbuch 2010 der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, Schöningh, Paderborn [u. a.] 2010, S. 153–164. In: Rolf Knütel: Ausgewählte Schriften. hrsg. von Holger Altmeppen, Sebastian Lohsse, Ingo Reichard, Martin Schermaier. C. F. Müller, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-8114-5269-5, S. 1459–1470 (1466).