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Carl Spiecker

From Wickepedia

Carl Spiecker 1948 auf der Rittersturz-Konferenz Carl (oft auch Karl) Spiecker (* 7. Januar 1888 in Mönchengladbach; † 16. November 1953 in Königstein im Taunus) war ein deutscher Journalist und Politiker (Zentrumspartei, CDU).

Leben

Spiecker war von 1912 bis 1916 Parlaments-Korrespondent für verschiedene Zentrums-Zeitungen. In der Jubiläumsausgabe der Zeitung Bürgerblatt für den Niederrhein, herausgegeben in Emmerich am Rhein, aus dem Jahre 1925 ist zu lesen: Die Zeitung hatte bis dahin (Jahr unbekannt) zwar eine katholische Tendenz, aber in politischer Hinsicht hatte sie noch nicht den Charakter eines ausgesprochenen Zentrumsorgan, den sie heute (1925) hat … Der erste Redakteur, der das Blatt in diesem Sinne leitete, war Dr. Carl Spiecker, der spätere Direktor der „Germania“. 1917 bis 1919 arbeitete er als Journalist für die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes.

Ab Februar 1920 leitete Spiecker als Vertreter des Staatskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung in Breslau die „Organisation Spiecker“, die in den Auseinandersetzungen um die staatliche Zugehörigkeit Oberschlesiens die deutsche Seite unterstützte, darunter die Presse sowie Selbstschutz- und Spionageorganisationen wie die Spezialpolizei des Oberschlesischen Selbstschutzes.[1] Zu den Gruppen, die Spiecker unterstanden, gehörte die „Organisation Heinz“, ein von Heinz Oskar Hauenstein geleitetes Freikorps, das in Oberschlesien an zahlreichen Fememorden beteiligt war. Hauenstein gab 1928 in einem Gerichtsprozess an, seine Organisation habe im Einverständnis mit Spiecker zahlreiche „deutsche Verräter“ ermordet.[2] Spiecker bestritt vor Gericht Hauensteins Angaben; ein gegen Spiecker eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zum Mord wurde im September 1929 eingestellt.[3]

File:Spiecker Karl 1926-09-15 ZW v1n9p133.jpg
Dr. Karl Spiecker (1926), Porträt aus der Zeitschrift Zeitungswissenschaft[4]

1922 übernahm Spiecker die Verlagsleitung des Zentrum-Organs Germania. Vom 4. Dezember 1923 bis zum 16. Januar 1925 amtierte er dann als Leiter der Presseabteilung der Reichsregierung. Von diesem Amt trat er gleichzeitig mit der Demission des Kabinetts Marx II zurück. Über seine erst 1919 gegründete Dienststelle, die er "Reichspresseamt" nannte, obwohl dies nicht der amtliche Name war, schrieb er in der Fachzeitschrift Zeitungswissenschaft eine der ersten Abhandlungen und kommentierte in der Fachzeitschrift Deutsche Presse gemeinsam mit Georg Bernhard das Verhältnis zwischen Regierung und Journalismus.[5][6] Anschließend schied er aus dem Staatsdienst aus, um den Reichsdienst der deutschen Presse, einen umfangreichen Korrespondenzdienst, zu gründen.

1928 wurde er Vorstandsmitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und der Vereinigung Republikanische Presse.[7] 1930/31 war er unter Heinrich Brüning Sonderbeauftragter des Reiches für die Bekämpfung des Nationalsozialismus. Er versuchte den Strasser-Flügel zur Abspaltung zu bewegen, um die NSDAP zu zersplittern, aber das Vorhaben scheiterte.

1933 wurde Spiecker unter dem Vorwand „politischer Unzuverlässigkeit“ (§ 4 des Berufsbeamtengesetzes) aus dem Staatsdienst entlassen und emigrierte nach Frankreich, später England, USA und Kanada.[8] Vom Ausland aus versuchte er, die deutsche Bevölkerung durch deutschsprachige Rundfunkansprachen über den Nationalsozialismus zu informieren.

1937 gründete Spiecker im Pariser Exil die Deutsche Freiheitspartei, einen Zusammenschluss bürgerlich-demokratischer Kräfte, die durch die Herausgabe von Freiheitsbriefen eine starke deutsche Opposition zur NSDAP im Ausland suggerieren wollte.

Spiecker kehrte 1945 nach Deutschland zurück und beteiligte sich an der Wiedergründung der Zentrumspartei, deren zweiter Vorsitzender er 1946 wurde.[8] Im Mai 1946 erhielt er die Lizenz für die Rhein-Ruhr-Zeitung, am 20. April 1947 wurde er Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen sowie Mitglied des Wirtschaftsrates der Bizone und des Zonenbeirates der britischen Besatzungszone. In der Gesellschaft Imshausen traf er sich mit namhaften Persönlichkeiten aus allen Besatzungszonen, um eine Verständigung über die Neuordnung Deutschlands zu erreichen. Nach der Landtagswahl am 20. April 1947 wurde Spiecker Mitglied des ersten gewählten Landtags; am 2. Juli 1947 schied er aus dem Landtag aus, um für das NRW in den neugebildeten bizonalen Wirtschaftsrat in Frankfurt einzutreten.[8] Seit dem 1. September 1947 war er Bevollmächtigter des Landes NRW im Exekutivrat des Wirtschaftsrates; bei der Umbildung der Organisation des Vereinigten Wirtschaftsgebietes kam er in den Länderrat des Wirtschaftsrates.

Im Dezember 1948 wurde er Bundesvorsitzender des Zentrums. Da er die Fusion von Zentrum und CDU betrieb, musste er auf dem Bundesparteitag in Oberhausen am 31. Januar 1949 zurücktreten und wurde aus der Partei ausgeschlossen. In der Folge trat er der CDU bei. Vom 5. April 1948 bis zu seinem Tode war er (zunächst unter anderen Amtsbezeichnungen) Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen in den Kabinetten Arnold I und (bis zu seinem Tode am 16. November 1953) Arnold II.

Literatur

  • Kurt Düwell: Carl Spiecker (1888–1953). Minister für Bundesratsangelegenheiten in Nordrhein-Westfalen. In: Günter Buchstab, Brigitte Kaff, Hans-Otto Kleinmann (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-20805-9, S. 461–468.
  • Kurt Düwell: „Hier spricht Deutschland auf Welle 30,2 Meter“. Carl Spiecker als Stimme des deutschen Widerstands in den britischen Geheimsendern 1940/41. In: Jörg Hentzschel-Fröhlings (Hrsg.): Gesellschaft, Region und Politik. Festschrift für Hermann de Buhr, Heinrich Küppers und Volkmar Wittmütz. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-4138-0, S. 395–414 (Manuskripte der Rundfunkansprachen werden im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Rheinland verwahrt und bilden dort den Bestand RWN 0026).
  • Kurt Düwell: Spiecker, Carl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 677 f. (Digitalisat).
  • Claudius Kiene: Eine zu demokratische Persönlichkeit? Karl Spiecker und der Zentrumsparteitag von 1925. In: Sebastian Elsbach, Marcel Böhles und Andreas Braune (Hrsg.): Demokratische Persönlichkeiten in der Weimarer Republik (= Weimarer Schriften zur Republik Band 13). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-515-12799-8, S. 39–53.
  • Carl Spiecker, in: Internationales Biographisches Archiv 02/1954 vom 4. Januar 1954, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar).
  • Claudius Kiene: Karl Spiecker, die Weimarer Rechte und der Nationalsozialismus, eine andere Geschichte der christlichen Demokratie. Peter Lang, Berlin u. a. 2020 (Zivilisationen & Geschichte; 60), ISBN 978-3-631-80840-5.

Weblinks

Fußnoten

  1. Stefan Zwicker: »Nationale Märtyrer«: Albert Leo Schlageter und Julius Fučík. Heldenkult, Propaganda und Erinnerungskultur. Schöningh, Paderborn 2006, ISBN 978-3-506-72936-1, S. 48.
  2. Bernhard Sauer: „Verräter waren bei uns in Mengen erschossen worden.“ Die Fememorde in Oberschlesien 1921. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2006 (54), ISSN 0044-2828, S. 644–662, hier S. 656.
  3. Sauer, Verräter, S. 659
  4. Karl Spiecker: Das deutsche Reichspresseamt. In: Zeitungswissenschaft - Monatsschrift für internationale Zeitungsforschung. Band 1, Nr. 9. Staatspolitischer Verlag GmbH (Deutsche Volkspartei), Berlin 15. September 1926, S. 133.
  5. Karl Spiecker: Das deutsche Reichspresseamt. In: Zeitungswissenschaft : Monatsschrift für internationale Zeitungsforschung. Band 1, Nr. 9. Staatspolitischer Verlag GmbH (Deutsche Volkspartei), Berlin 15. September 1926, S. 133–134.
  6. Karl Spiecker: Regierung und Presse II. In: Deutsche Presse. Band 16, Nr. 29, 24. Juli 1926, S. 8–10.
  7. [Christian Walther: Die Republik und ihre Farben. Im Juni 1927 gründeten Journalisten in Berlin einen kleinen Verein mit einem hehren Ziel. Die Vereinigung Republikanische Presse wollte der Weimarer Republik den Rücken stärken und scheiterte. Ihre Geschichte wurde noch nie erzählt], taz, 9. August 2022 (Online)
  8. 8.0 8.1 8.2 Joachim Horn: Zwischen Bonn und Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen und der Bundesrat bis 1953. In: Geschichte im Westen 1/1987, S. 43.