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Klage gegen die TK, 17. September 2020

From Wickepedia
Doc:20200917-klage.redacted

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[ 1 ]

München, 17. September 2020

Hiermit erhebe ich,

F[..], geb. [..]
80796 München

— Kläger —

Klage

gegen die

Techniker Krankenkasse
Bramfelder Straße 140
22305 Hamburg

— Beklagte —

und bringe gleichzeitig einen

Antrag auf einstweilige Verfügung

ein.

Zur Begründung führe ich folgendes aus:

Der Kläger ist seit 2017 Mitglied bei der beklagten Partei in Ihrer Eigenschaft als Gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

Am 17. Juli 2020 wurde bei dieser ein Antrag auf Kostenübernahme zum Arzneimittel Deferasirox gestellt. Die GKV hat diesen wie üblich an den MDK zur weiteren Prüfung weitergeleitet und mir dies per Schreiben vom 21. Juli 2020 mitgeteilt.

Eine zwischenzeitliche Aufforderung zur Mitwirkung habe ich vollumfänglich erfüllt, und zwar innerhalb weniger Tage nachdem mir eine erfüllbare Aufforderung zugegangen war. Bei der ersten Aufforderung der Klägerin fehlte aus Mangel an Sorgfalt die für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht notwendige Angabe des Empfängers, zudem hatte die Klägerin den Empfang unnötig verzögert indem sie von der zwischen den Parteien vereinbarten Kommunikationsform des sicheren elektronischen Postfaches abgewichen war. [ 2 ]

(1) Fristversäumnis per §13 Abs 3a SGB V durch die Beklagte

von drei Wochen Ein Gutachten des MDK steht seitdem aus, obwohl die gesetzliche Frist von drei Wochen längst überschritten ist. Auf Nachfrage bei der Beklagten wollte man mir, auch nachdem die Frist des §13 Abs 3a S.1 SGB V, keine zeitnahe Entscheidung in Aussicht stellen und die Klägerin hat auch in diesem Zusammenhang unrechtmäßigerweise behaupt Entscheidungsfrist wäre der 6. Oktober 2020.

Hinreichende Gründe für eine Fristverlängerung wurden keine genannt. Die einzige Weise unter welcher man zur von der Beklagten behaupteten Frist gelangt wäre die Annahme dass mit Ende der dem Kläger gesetzten, aber nicht ausgeschöpften, Frist zur Mitwirkung eine neuerliche fünf-Wochen Frist beginnen würde. Diese Position ist rechtlich absurd und nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung vereinbar. Eine gesetzliche Krankenkasse könnte auf diese Weise eine materielle 12-Wochen Frist erzielen, was den Normzweck des §13 Abs 3a SGB V unterwandern würde.

Zur Feststellung der tatsächlichen Frist gibt es eine Mehrzahl vertretbarer Sichtweisen, welche allesamt zu dem Ergebnis kommen dass die Beklagte die Frist versäumt hat. Selbst bei der für die Beklagte günstigste Interpretation des Fristenlaufes, nämlich eine Fristunterbrechung zwischen Zugang der ersten Aufforderung zur Mitwirkung bis zur nachweislichen Erfüllung am 26. August 2020. Eine tabellarische Darstellung dazu ist als Anhang B1 beigefügt.

Der Kläger beantragt daher die

Feststellung

daß die beklagte Partei ihre gesetzliche Entscheidungsfrist überschritten hat und sie daher durch Zeitablauf leistungspflichtig geworden ist.

(2) Materieller Anspruch

Beantragt wurde das in Deutschland zugelassene Medikament Deferasirox bei zulassungsüberschreitenden Indikation ("Off Label Use").

Das Medikament ist geeignet zur Therapie der Hamosiderose, einer seltenen Erkrankung des Blutsystems bei welchem es aus verschiedenen Ursachen zu einer Eisenüberladung gekommen ist. Die Zulassungsdokumentation befasst sich mit einer abschließenden Aufzahlung von Indikationen, allesamt recht selten. In einem Bericht einer anderen GKV ist beschrieben dass Deferasirox bei 356 Patienten von 8'933'087 Versicherten eingesetzt wurde (“Arzneimittelreport 2017", Hrsg. Klinikum Saarbrücken, PMV Forschungsgruppe, Barmer GEK), was einer Inzidenz von nur 3,99/100’000 entspricht.

(2)(a) Seltenheit

Die Inzidenz der Grunderkrankung des Klägers, einer Krebserkrankung an einem sehr seltenen Subtypus des Weichteilsarkoms, ist aufgrund der geringen Fallzahlen schwer [ 3 ]präzise zu beziffern; die beste systematische erstellte Datenquelle ist hierbei die SEER Database, welche circa ein Drittel der US-Bevölkerung epidemiologisch abbildet. Aufgrund dieser Quelle wird die Inzidenz der mit dem Personenkreis der GKV-Mitglieder vergleichbaren Population auf circa 0,02/100'000 geschatzt, was extremer Seltenheit entspricht. Umgelegt auf die Zahl der in Deutschland gesetzlichen Versicherten kann man also von einem Dutzend Fälle pro Jahr ausgehen. “Age-adjusted incidence rate [..] for whites was 0.2 cases/million” (Lettieri CK, Garcia-Filion P, Hingorani P. Incidence and outcomes of desmoplastic small round cell tumor: results from the surveillance, epidemiology, and end results database. J Cancer Epidemiol. 2014; doi:10.1155/2014/680126)

Da sich bisher kein Algorithmus mit zufriedenstellenden Outcomes etabliert hat, erfolgt die Behandlung dieses Patientenkollektivs gerade in Europa sehr heterogen, jeweils im Sinne eines individuellen Heilungsversuches. Insofern sind randomisierte Studien aufgrund der zu langsamen Registrierung von Patienten und ethischer Grenzen aufgrund der hohen Letalität generell nicht durchführbar. Zitierfähige Literatur zu behandlungs-assoziierten Morbiditäten gibt es nur in Bezug auf die wenigen therapeutischen Gemeinsamkeiten. Das Spezifikum einer Eisenüberladung bezogen auf die Grunderkrankung wird folglich in der Fachliteratur nicht beschrieben.

Zu den rechtlichen Folgen der extremen Seltenheit ist bei Sommer, SGB V, 813 Rz. 29 ausgeführt:

Eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen kommt darüber hinaus ausnahmsweise auch noch bei sog. Seltenheitsfällen in Betracht. Bei sehr seltenen Krankheiten, die weltweit nur extrem selten auftreten und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden können, kommt eine Leistungsgewährung auch ohne Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in Betracht (BSG, Urteil v. 28.2.2008, B 1 KR 16/07 R; Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R). Der Erlaubnisvorbehalt in § 135 Abs. 1 Satz 1 bezieht sich namlich nur auf Methoden, d. h. Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild "systematisch" angewandt werden. Die Behandlung in einem extrem seltenen und damit weitgehend einzigartigen Krankheitsfall stellt damit keine Behandlungsmethode i. S. des krankenversicherungsrechtlichen Erlaubnisvorbehalts dar. Es können nämlich grundsätzliche wissenschaftliche Aussagen zur Therapie einer solchen Erkrankung, die ja solchen einer bei sind, chusses Bundesauss en Gemeinsam des Empfehlung Voraussetzung für eine Erkrankung nicht gemacht werden.

Dies hätte der MDK bei rechtzeitiger Prüfung des Antrages im Auftrag der GKV nach Aktenlage erkennen müssen. Eine Fristunterbrechung durch Aufforderung zur Mitwirkung ist auch aus diesem Grunde zu bezweifeln, da der Antrag in Verbindung mit der Aktenlage beim MDK bereits hinreichend bestimmt war.

(2)(b) Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit

Dass die gegenständlich diagnostizierte Eisenüberladung im vorliegenden Fall therapiebedingt ist, ist schon aufgrund der Historie der Blutwerte naheliegend: Die betreffenden Laborwerte waren vor Therapiebeginn im Normalbereich und haben während Therapie die 20-fache Obergrenze überschritten (abgeleitet aus dem 95-Perzentile Intervall mit dem solche Limits üblicherweise bestimmt werden). Dringender Interventionsbedarf mit der gegenständlichen Chelator-Medikation wird, jedenfalls bei den Indikationen welche die [ 4 ]Grundlage zur Zulassung des Medikaments waren, in verschiedenen Literaturquellen ab Uberschreiten des fünf bis 10-fachen der normalen Obergrenze angenommen. Dieser Bedarf entsteht aufgrund der bei Erreichen solcher Werte vermuteten Schadigung von Organen durch Einlagerung von Eisen welches nicht mehr durch körpereigene Mechanismen abgebaut werden kann. Der Wirkungsmechanismus eines Chelators ist im Vergleich etwa mit Chemotherapeutika Medikamenten trivial und kann als komplett erforscht angesehen werden, da im wesentlich nur das freie Plasmaeisen chemisch zu einem schwereren Molekül gebunden wird welches dann durch natürliche Prozesse ausgeschieden wird. Daher wird nahezu uniformer wissenschaftlicher Konsens bestehen, daß von eine Indikations-unabhängige Wirksamkeit, also unabhängig von der Ursache für eine diagnostizierte Hämochromatose, besteht.

(2)(c) Keine Behandlungsalternative

Natürlich wurde Klägerseits zunächst überlegt, ob eine Therapie auch mit zugelassenen Methoden erfolgen kann. Eine denkbare Vorgehensweise wäre hierbei ein häufiger Aderlass in kurzen Intervallen, sodass es durch den dabei entstehenden Blutverlust zu ein natürlicher Abbau des Plasmaeisens herbeigeführt würde. Therapeutisch kommt ist dies leider ausgeschlossen, da hierfür ein hinreichender Hämoglobin-Ausgangswert erforderlich ist. Zudem müsste man mit einer zeitnahen Erholung nach jedem Aderlass rechnen können, was bei anhaltender Knochenmarksdepression infolge jahrelanger Chemotherapie nicht zu vermuten ist. Die konkrete, dem von der Klägerin beauftragten MDK vorgelegte, Kinetik der Blutwerte lässt gerade den gegenteiligen Schluss zu, da auch bei Therapiepausen und nunmehr nach Chemotherapie-Ende nicht einmal annähernd ein hinreichender Ausgangswert vorliegt. Die angezeigte Chelator-Therapie ist daher alternativlos.

(2)(d) Dringlichkeit

Bei Bewertung der Dringlichkeit ist zu beachten ist dass der oben beschriebene Therapiebedarf zwar bereits seit Jahren aus diagnostischer Sicht absehbar war, die chemotherapeutische Behandlung der Grunderkrankung aber zunächst von klarem Vorrang war, insbesondere auch bei nicht vertretbarem Risiko unbekannter Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten. Nach abgeschlossener Therapie der Grunderkrankung kann man nunmehr aufgrund statistischer Daten zur Einschätzung der Rezidivfreiheit auch von einer relevanten Lebenserwartung ausgehen, sodass die Therapie einer lebensbedrohlichen Nebenwirkung nun im Vordergrund steht.

(2)(e) Schwerwiegende Erkrankung mit regelmäßig tödlichem Ausgang bzw. erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität

Als häufigste Todesursache bei Patienten mit Indikationen innerhalb der Zulassung des Medikaments wird Herzinsuffizienz aufgrund von Siderose des myokardialen Gewebe beschrieben. Selbst unter Therapie mit dem gegenständlichen Medikament ist diese Schädigung regelmäßig irreversibel (Kontoghiorghe CN et al. Efficacy and safety of iron- chelation therapy with deferoxamine, deferiprone, and deferasirox for the treatment of ironloaded patients with non-transfusion-dependent thalassemia syndromes. Drug design, development and therapy. 2016;10:465-81.) Dass man bei Möglichkeit verhindert, dass es überhaupt erst zur Siderose kommt ist daher naheliegend; der Kläger behauptet in diesem [ 5 ]Zusammenhang dass fachlicher Konsens besteht dass das einerseits das beantragte Medikament bei rechtzeitigem Einsatz geeignet ist die letalen Folgen abzuwenden, andererseits aber bei verzögertem Einsatz eine bereits eingetretene Schädigung kaum noch therapierbar wäre.

Nach alledem sind die Bedingungen, welche an eine zulässige zulassungsüberschreitende Verwendung von Arzneimitteln gestellt werden, erfüllt. Der Kläger stellt daher den

Antrag

die Beklagte zur antragsgemäßen Leistung zu verpflichten.

(3) Vorläufiger Rechtsschutz

Da mit einer dauerhafte Schädigung des Gesundheitszustandes zu rechnen ist wenn die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet wird, also eine Notlage vorliegt, stellt der Kläger außerdem

Antrag auf einstweilige Verfügung

die Beklagte zur antragsgemäßen Leistung bis zur Klärung der Hauptsache zu verpflichten.

F[..]

Anhang B1
Szenario Erste Aufforderung wirksam (Tage) Korrigierte Aufforderung wirksam (Tage) Antrag bereits ohne Mitwirkung hinreichend (Tage)
Antrag 17 Jul 2020 17 Jul 2020 17 Jul 2020
Zugang Aufforderung Mitwirkung 4 Aug 2020 18 19 Aug 2020 33
Nachweislich beim MDK 26 Aug 2020 26 Aug 2020 2 Aug 2020
Heute 17 Sep 2020 22 17 Sep 2020 22 17 Sep 2020 62
Verzug GKV §13 Abs 3a S.1 SGB -5 -20 -27