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Doc:20210204-sg-er2-followup

From Wickepedia

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[ 1 ]

Az. S 12 KR 2030/20 ER

München, 4. Februar 2021

Wie im Schreiben vom 26. Dezember 2020 angekündigt, werden hiermit jene Tatsachen welche Anlass zu einem neuerlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz geben, glaubhaft gemacht:

(a) Medizinischer Notfall Sepsis
cf. Schreiben der KV vom 9. Dezember 2020

(b) Zur Sepsis als relevante Komplikation der Eisenüberladung
“Sepsis ist häufig und lebensbedrohlich, besonders bei splenektomierten Patienten und/oder Patienten mit einer Eisenüberladung
cf. p.14 in “Notfallmanagement bei Thalassämie”, Porter et al., 2012.

(c) Therapierelevanter Laborparameter Ferritin 2066 µg/l im Dezember 2020[1]
cf. Kumulativbefund München Klinik vom 16. Dezember 2020

(d) Therapierelevanter Laborparameter Ferritin 1104 µg/l im Januar 2021, i.e. entsprechend dem langfristigen Trend
cf. Arztbericht vom 27. Januar 2021

Summarisch sei an die bereits vor diesem Ereignis bestehenden Tatsachen erinnert, welche bereits zu Beweis gegeben wurden[2]:

(e) In Fachkreisen sowie in der Literatur besteht einhellige Meinung dazu, daß bei dauerhaften Ferritin-Befunden mit solchen Werten Therapiebedarf ohne Verzögerung

  1. Tag 9 nach Sepsis, daher nicht bloß als Akutphaseprotein zu werten.
  2. Siehe entsprechende Anlagen zun den vorangehenden Schriftsätzen. Deren Vollständigkeit ist aufgrund der Verweigerung der Herausgabe durch das SG aktuell durch den Antragsteller nicht überprüfbar
[ 2 ]besteht.

(f) Zu den Folgen der untherapierten und andauernden Eisenüberladung zählen Organschäden.

(g) Daneben ist die chronische Eisenüberladung entsprechend der einschlägigen Fachliteratur mit einer Reihe charakteristischer Morbiditäten verbunden, darunter eine besonders hohe Infektionsanfälligkeit bis hin zur Sepsis.

(h) Als Komorbidität besteht anhaltende Knochenmarksuppression nach langfristiger Chemotherapie.

(i) Die Therapie-Alternativen (Phlebotomie, Deferipron, Deferoxamin) sind aus bereits ausführlich dargelegten Gründen, darunter auch der vorgenannte Punkt, kontraindiziert.

(j) Das Gutachten des MDK ist nicht vertretbar und wurde in den wesentlichen Punkten widerlegt:

(i) Der Verweis auf ein anderes Arzneimittel mit der Begründung einer breiterer Zulassung ist mit der entsprechenden AWMF-Leitlinie (Leitlinie 025/017) nicht vereinbar.[1]

(ii) Berufsrechtlich ist dieser Verweis ein unzulässiger Eingriff durch den MDK-Arzt in die Behandlung durch einen kurativ tätigen Arzt.[2]

(iii) Die nicht näher begründete Behauptung des MDK zur Seltenheit wurde anhand Statistiken zur Inzidenz aus der Fachliteratur widerlegt.[3]

(iv) Hinsichtlich der Wirksamkeit handelt es sich um ein pharmakologisch erstaunlich einfaches Arzneimittel welches in seinem Wirkungsmechanismus vollständig erforscht ist. Die Ätiologie der Eisenüberladung spielt dabei keine Rolle.[4]

(v) Per Aktenlage beim MDK fand keinerlei fachliche Recherche statt.[5]

(vi) Offensichtlich wurde das “Gutachten” durch eine fachfremde Person erstellt.[6]

  1. Auf die fehlende Vergleichbarkeit von Arzneimittelzulassungen aus den 60er Jahren mit der heutigen Zeit wird hierin ausdrücklich Bezug genommen.
  2. Die Pflicht zur einer ökonomischen und an der medizinischen Notwendigkeit orientierten Verschreibungsweise ergibt sich ohnehin aus den Kassenverträgen der Ärzte. Würde der Gesetzgeber eine zusätzliche Einflussnahme auf Arzneimittelverordnungen durch den MDK wünschen dann wäre entweder die Gesetzesgrundlage für den MDK, also ein Wechsel zur Begutachtung durch Nicht-Ärzte, oder aber die Berufsordnung so anzupassen daß die Einflussnahme auf Behandlungen anderer Ärzte zulässig wird.
  3. Per RSp ein entscheidungsrelevanter Umstand, denn weder die arzneimittelrechtliche Zulassung für eine seltene Indikation noch Phase-III Studien werden dann vorausgesetzt.
  4. Dies wird für eine fachkundige Person offensichtlich sein. Zudem wurde in einer Studie die Wirksamkeit von Deferasirox bezogen auf das Überleben bei Eisenüberladung in multivariater Analyse unabhängig von der Grunderkrankung bewiesen – und zwar deutlich jenseits der Schwelle für wissenschaftliche Signifikanz.
  5. Es wurde offenbar lediglich auf der EMA-Website das Arzneimittel als Suchbegriff eingegeben.
  6. Hier dürfte seitens der MDK-Beamtin ein Übernahmeverschulden vorliegen.
[ 3 ](vii) Die begründete Vermutung, diese Beamtin sei überdies ihrer Fortbildungspflicht

entsprechend der Berufsordnung nicht nachgekommen, bleibt trotz der geringen Anforderungen an einen Gegenbeweis unwiderlegt.

(viii) Eine Reihe weiterer berufsrechtlicher Pflichten wurden hier in entscheidungserheblicher Weise verletzt; eine ärztliche Tätigkeit kann in diesem Zusammenhang daher nicht behauptet werden.[1]

(k) Obwohl der Gegnerin die oben genannten Umstände bekannt waren[2] und sie ausreichend Zeit hatte, ihre Position mit einem medizinischen Gutachten von vertretbarer Qualität zu belegen, hat die Gegnerin dies – auch in Verletzung ihrer Amtsermittlungspflicht – unterlassen.[3]

Hier den Nachversicherer[4] zu belasten stellt keine Alternative zur Verpflichtung der Gegnerin im Wege des ER dar. Die Leistungspflicht einer Krankenversicherung, egal ob gesetzlich oder privat, ist nach allgemeinen Versicherungsprinzipien abzugrenzen. Dieser Versicherungsfall trat unstrittig im Rahmen der zeitlichen wie auch sachlichen Zuständigkeit der Gegnerin ein. Bei einem PKV-Nachversicherer gelten die Vertragsbedingungen entsprechend dem VVG und eine Obliegenheitsverletzung würde zur Kündigung des Vertrages führen – ein dauerhafter Nachteil welchen der Antragsteller bei Abwägung der Interessen nicht in Kauf nehmen muss. Nicht vor Erschöpfung jenes Anspruchs in jenem Umfang, wie er sich rechtmäßig aus dem vorangehenden Versicherungsverhältnis bei der Gegnerin ergibt, kann die Leistungspflicht auf einen Nachversicherer übergehen. Die Gegnerin ist folglich zu jener Leistung zu verpflichten, welche sich aus einer rechtmäßigen Erledigung des Leistungsantrages vom 7. Juli 2020 bis zum Ende des Leistungsanspruchs per 31. Oktober 2020 (die Gegnerin geht rechtsirrtümlich von September aus) ergeben hätte. Eine Verpflichtung der Gegnerin scheitert auch nicht an Unmöglichkeit, denn die Gegnerin kann einer einstweiligen Verfügung auf einem der folgenden Wege Folge leisten:

(1) Die Gegnerin kann eine Krankenversicherungskarte im Sinne einer fiktiven und beitragsfreien Mitgliedschaft übersenden, verbunden mit einer Vereinbarung bezüglich der Inanspruchnahme von Leistungen welche dieser auf den konkreten Fall beschränkt. Die Abrechnung mit der Apotheke kann dann direkt und unter der Berücksichtigung von gesetzlichen Arzneimittelrabatten erfolgen. Gegen eine Doppelversicherung aus [ 4 ]formalen Gründen spricht gesetzlich nichts; die behandelnden Ärzte sind ohnehin kassenärztlich tätig und können daher problemlos ein entsprechendes Rezept ausstellen.[5]

(2) Ist die Gegnerin nicht gewillt, die Erfüllung ihrer Pflichten auf die oben genannte, ökonomisch günstigere, Weise zu bewirken, dann wird sie aufgrund der individuell unzumutbaren Arzneimittelkosten in Vorleistung zu gehen haben. Ein pragmatisches Vorgehen hier wäre, das Arzneimittel wird per Privatrezept auf dem Versandweg bestellt und die Gegnerin begleicht den Rechnungsbetrag bei Zahlungsweise Vorkasse per Überweisung direkt an die Apotheke.

F [..]

Anhänge:
B13: Schreiben zu Sepsis von der KV, 9. Dezember 2020
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B14: Exzerpt aus “Notfallmanagement bei Thalassämie”, Porter et al., 2012
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B15: Kumulativbefund München Klinik, 16. Dezember 2020
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B16: Arztbericht, 27. Januar 2021
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  1. Folgerichtig kommt einem solchen Schreiben nicht die Beweiskraft eines ärztlichen Gutachtens zu, denn es handelt sich hier nur um das Schriftstück einer bürokratischen Schreibkraft.
  2. cf. Schriftsatz vom September 2020
  3. Fehlt dem MDK erkennbar die notwendige Expertise, dann muß die KV selbst entscheiden, etwa indem sie ein Privatgutachten in Auftrag gibt. Ob der MDK die Gegnerin in dieser Hinsicht getäuscht hat ist für das Rechtsverhältnis zum Antragsteller unerheblich und wird im Hauptverfahren allenfalls für das Schuldmaß betreffend Schadenersatz eine Rolle spielen.
  4. Dies ist rechtlich unerheblich, aber zur Klarstellung soll hier bemerkt werden daß der Versicherungswechsel weder zum Zeitpunkt des Leistungsantrags noch bei Rechtshängigkeit der Klage beziehungsweise des ursprünglichen Antrags auf ER, beabsichtigt, absehbar, oder überhaupt möglich war.
  5. Die Abrechnung von ärztlichen Leistungen, Labordiagnostik, sowie notwendiger Companion Diagnostics kann wohl nur auf privatärztlicher Basis erfolgen, denn ein Gericht kann hier nicht in die Verträge Dritter eingreifen.