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Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld

From Wickepedia
File:Bundesarchiv B 145 Bild-F075055-0012, Rhöndorf, Sitzung Stiftung Adenauer-Haus.jpg
Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld (links)

Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld (* 14. Juli 1904 in Berlin; † 21. August 1999 in Küps) war ein deutscher Beamter und Diplomat.

Leben

Als Sohn des Hans-Richard Herwarth von Bittenfeld und seiner Ehefrau geb. Ilse von Tiedemann (Tochter des Heinrich von Tiedemann-Seeheim) besuchte er ein Gymnasium in Berlin, danach nahm er von 1922 bis 1924 eine Anstellung in der Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel und der Deutschen Erdöl-AG an. Abschließend studierte er Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten von Berlin, Breslau und München.

In München begann er 1926 mit dem juristischen Vorbereitungsdienst. Im Mai 1927 nahm er den Dienst im Auswärtigen Amt in Berlin auf. Die diplomatisch-konsularische Abschlussprüfung legte er im Dezember 1929 ab. 1930 wurde er zur deutschen Botschaft in Paris zugeteilt.

Von 1931 bis 1939 war er Attaché und Legationssekretär (Zweiter Sekretär) in der deutschen Botschaft in Moskau. In dieser Zeit lernte er die in Moskau ansässigen US-Diplomaten George F. Kennan, Charles E. Bohlen und Charles W. Thayer kennen. An diese Beziehungen konnte von Herwarth nach 1945 anknüpfen, denn Thayer wurde 1945 zum Leiter des Office of Strategic Services in Wien ernannt. Weiterhin hatte Herwarth in Moskau einen engen Kontakt zu dem britischen Diplomaten Fitzroy Maclean, der ein Agent des MI 6 war. Nach Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes spielte er den US-Diplomaten das geheime Zusatzprotokoll des Paktes zu, welches die Aufteilung Polens im Kriegsfall regelt.[1] Im Herbst 1940 verriet Bittenfeld alias „Johnny“ dann auch die geheimen Angriffsplanungen der Wehrmacht auf die Sowjetunion an die Alliierten[2] und leistete somit einige der Beiträge zur Sabotage der nationalsozialistischen Kriegsanstrengungen durch deutsche Spitzenbeamten und Militärs.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Herwarth 1939 zur Wehrmacht eingezogen. Wegen einer jüdischen Großmutter (Julia von Herwarth geb. Haber) waren seine Karriereaussichten als „jüdischer Mischling zweiten Grades“ eingeschränkt, er wurde jedoch im Laufe des Krieges von Hitler von der Anwendung der Nürnberger Gesetze ausgenommen.[3] Er war innerhalb des OKW-Amtes in der Abteilung Ausland/Abwehr in der Abwehr II (Diversion, völkische Zersetzung) tätig. Gemäß seinen Erfahrungen in der Sowjetunion wurde er bei dem Projekt der Osttruppen des OKH eingesetzt, deren Rahmen auf einer Konferenz – wobei Herwarth Teilnehmer war[4] – Anfang März 1943 abgesteckt wurde. Auch an einer Besprechung im Ostministerium am 18. Dezember 1942 war er Teilnehmer, wobei die zukünftige Politik der Judenvernichtung in den eroberten Ostgebieten mit den Vertretern des Reichssicherheitshauptamts abgesprochen wurde.

Innerhalb der Heeresgruppe Süd nahm er an der Anwerbung übergelaufener Sowjetsoldaten teil. So war er als politischer Offizier bei General der Kavallerie Ernst-August Köstring, dem Kommandeur der Osttruppen, eingesetzt und vertrat die Wehrmacht bei der Gründung des Komitees zur Befreiung der Völker Russlands (Komitet Osvobozhdyeniya Narodov Rossii, KONR). Zu den Aktivitäten Herwarths 1944 schreibt Simpson:

„Thayer wusste auch, dass Herwarth 1944 mit der Partisanenbekämpfung durch Überläuferbataillone zu tun gehabt hatte, denn er hatte es selbst zugegeben. Außerdem musste Thayer als Leiter der OSS bekannt sein, dass es bei den Aktionen zu Massenerschießungen tausender ziviler Geiseln, zur Plünderung von Dörfern und zu anderen Verbrechen gekommen war. Dennoch sorgte Thayer dafür, dass Herwarth rasch aus der Wehrmacht entlassen wurde, ersparte ihm die amerikanische Kriegsgefangenschaft und entließ ihn aus amerikanischem Gewahrsam. Herwarths Aktivitäten während des Krieges wurden nicht einmal flüchtig untersucht, was sonst sogar bei Unteroffizieren üblich war.“[5]

Herwarth stellte sich nach der offiziellen Kapitulation den US-Dienststellen in Österreich. Dort wurde er von Thayer aufgespürt. Herwarth schreibt über dieses Wiedersehen des alten Bekannten aus der Moskauer Zeit:

„Ich blieb etwa neun Wochen bei Charlie. Er bat mich, meine Erfahrungen mit der Sowjetunion während des Krieges schriftlich festzuhalten und vor allem die Aktivitäten der Freiwilligenverbände [beim deutschen Heer und vor allem bei der Waffen-SS eingesetzten Truppenteile aus Angehörigen deutsch besetzter oder verbündeter Länder] zu beschreiben. Ich begleitete Charlie jeden Tag in sein Büro im alten St. Peter-Kloster […] Ende des Sommers wurde ich der amerikanischen Gruppe für Geschichtsforschung in Camp King zugeteilt […]“[6]

1945 nahm er als Oberregierungsrat eine Beschäftigung auf, wurde 1946 zum Regierungsdirektor ernannt und war ab 1949 als Ministerialrat in der Bayerischen Staatskanzlei tätig. Danach holte man ihn in das Bundeskanzleramt nach Bonn als Leiter des Arbeitsstabes für das Protokoll. Von Anfang an mit dabei war Erica Pappritz, die seit 1930 zu seinem beruflichen Freundeskreis zählte. 1950 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Von 1951 bis 1955 war er Protokollchef im Auswärtigen Amt, ab Dezember 1952 als Gesandter. Von 1955 bis 1961 war er Botschafter an der Vertretung im Vereinigten Königreich. Von 1961 bis 1965 war er als beamteter Staatssekretär Chef des Bundespräsidialamtes. In dieser Funktion hatte er sich 1964 wegen des Gesundheitszustands von Heinrich Lübke intern gegen eine zweite Amtszeit ausgesprochen.[7] Er wurde in der Folge von 1965 bis 1969 Botschafter in Italien und Präsident des Goethe-Instituts zur Pflege der deutschen Sprache und Kultur im Ausland e. V. München von 1971 bis 1977.

Herwarths erste Ehefrau war die deutsche Skirennläuferin Annemarie Herwarth von Bittenfeld-Honigmann. Seit 1936 führte er eine Ehe mit Elisabeth von Redwitz, aus der die Tochter Alexandra hervorging.

Ehrungen

Herwarth wurde unter anderem mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband und dem Großkreuz-Victoria-Orden ausgezeichnet. 1962 erhielt er das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich.[8] Seit 1989 war er Akademischer Ehrenbürger der Universität Augsburg. Er war auch Träger des isländischen Falkenordens (Kommandeur mit Stern), der ihm am 29. Januar 1955 verliehen wurde.[9]

Werke

  • Zwischen Hitler und Stalin. Erlebte Zeitgeschichte 1931–1945. Propyläen, Berlin 1982, ISBN 3-549-07627-4.
  • Von Adenauer zu Brandt. Erinnerungen. Propyläen, Berlin 1990, ISBN 3-549-07403-4.

Literatur

  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 2: Gerhard Keiper, Martin Kröger: G–K. Schöningh, Paderborn u. a. 2005, ISBN 3-506-71841-X.
  • Christopher Simpson: Der amerikanische Bumerang. NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA. Ueberreuter, Wien 1988, ISBN 3-8000-3277-5, S. 113 (Ueberreuter-Sachbuch).
  • Charles Thayer: Bears in the Caviar. J. B. Lippincott, Philadelphia PA u. a. 1951, S. 28 ff.
  • Charles Thayer: Hands Across the Caviar. J. B. Lippincott, Philadelphia PA 1952, S. 183–200.
  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes Hamburger Edition, Hamburg 2003, ISBN 3-930908-87-5, S. 677.
  • Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.

Weblinks

Commons: Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Background of Treason by William E.W. Gowen (englisch)
  2. Friedrich Georg: Friedrich Georg – Verrat an der Ostfront. (archive.org [abgerufen am 26. Februar 2018]).
  3. Steffen R. Kathe: Kulturpolitik um jeden Preis. Die Geschichte des Goethe-Instituts. Martin Meidenbauer, München 2005, ISBN 3-89975-047-0, S. 126 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2003, S. 677.
  5. Christopher Simpson: Der amerikanische Bumerang. NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA. Wien 1988, S. 113.
  6. Herwart von Bittenfeld: Zwischen Hitler und Stalin, 1982.
  7. Hans von Herwarth: Von Adenauer zu Brandt. Erinnerungen., Propyläen, Berlin/Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-549-07403-4, hier S. 279 ff.
  8. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  9. Datenbankabfrage auf der Website des isländischen Präsidenten, abgerufen am 6. Juli 2020.