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Holm Putzke

From Wickepedia

Holm Putzke (* 1973 in Dohna, Kreis Pirna) ist ein deutscher Rechtswissenschaftler, Hochschullehrer und Politiker (CSU). Seit 2010 ist er Inhaber einer Lehrprofessur für Strafrecht an der Universität Passau, seit 2016 zudem außerplanmäßiger Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Der Öffentlichkeit bekannt wurde er im Jahr 2012 als Urheber der Debatte um die religiöse Knabenbeschneidung. Von 2017 bis 2022 war er Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes Passau-Stadt.

Leben

Nach dem Abitur am Gymnasium „Rainer Fetscher“ im sächsischen Pirna studierte Putzke von 1992 bis 1997 Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. 1997 legte er die erste juristische Staatsprüfung ab. Ebenfalls an der Ruhr-Universität Bochum war er Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht von Ellen Schlüchter (1995 bis 1999) und am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Allgemeine Rechtstheorie von Rolf Dietrich Herzberg (2002 bis 2003). In den Jahren 2000 bis 2002 war Putzke Rechtsreferendariat an den Landgerichten Bochum und Dortmund und legte 2002 die zweite juristische Staatsprüfung ab. Während seiner Studien- und Promotionszeit war Putzke Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung und während eines Auslandsstudiums an der Jagiellonen-Universität in Krakau 2003 Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum promovierte Putzke 2003 mit einer Arbeit zum Thema „Beschleunigtes Verfahren bei Heranwachsenden“. Von 2003 bis 2010 war er in Bochum wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft von Thomas Feltes. Von 2006 bis 2010 hatte er einen Lehrauftrag für Strafrecht, Strafprozessrecht und Jugendstrafrecht im Masterstudiengang „Kriminologie und Polizeiwissenschaft“ an der Ruhr-Universität Bochum inne. Ein postgraduales Studium des polnischen Wirtschaftsrechts an der Uniwersytet Jagielloński in Krakau schloss er 2009 mit dem akademischen Grad „Legum Magister“ (LL.M.) ab.

Seit 2010 ist Putzke, ohne vorherige Habilitation und mit Anerkennung habilitationsgleicher Leistungen, Inhaber einer Professur für Strafrecht an der Universität Passau (Lehrprofessur)[1] und ist Mitglied des dortigen Instituts für Rechtsdidaktik.[2] Seit 2016 ist er zudem außerplanmäßiger Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht.[3] Von September 2016 bis August 2019 war er Studiendekan der Juristischen Fakultät in Passau.[4]

Als Sachverständiger war Putzke tätig u. a. für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Europäische Union sowie den Rechtsausschuss[5] des Landtags Nordrhein-Westfalens (Stellungnahme zu den Entwürfen und Eckpunkten eines Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzugs), den Innenausschuss[6] des Deutschen Bundestags (Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum „Entwurf eines Integrationsgesetzes“, BT-Drs. 18/8615) und im Jahr 2023 für den Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration des Bayerischen Landtags (Thema: "Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Kirche").[7]

Putzke übernimmt als Strafverteidiger gelegentlich medienwirksame Fälle. So vertrat er 2016 einen 22-Jährigen, der wegen der Tötung seiner Lebensgefährtin wegen Mordes angeklagt war, vom Landgericht Passau jedoch entsprechend dem Vorbringen Putzkes lediglich wegen Totschlags zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.[8] Da das Urteil auf Aussagen von zwei Entlastungszeugen beruhte, die inzwischen wegen Falschaussage verurteilt wurden, erfolgte im August 2021 beim Landgericht Deggendorf die Wiederaufnahme des Verfahrens.[9][10] Hierbei wurde der Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt; die besondere Schwere der Schuld, wie von Staatsanwaltschaft und Nebenklage gefordert, stellte das Gericht hingegen nicht fest.[11]

Putzke ist Beiratsmitglied der evolutionär-humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung[12] und Vertrauensdozent der Konrad-Adenauer-Stiftung an der Universität Passau. Seit März 2015 ist er stellvertretender Vorsitzender des Bundessport- und Schiedsgerichts des Bundes Deutscher Radfahrer.[13] Seit 2021 ist Putzke Mitglied im Netzwerk Wissenschaftsfreiheit.[14]

Putzke ist Mitherausgeber der Schriftenreihe Bochumer Schriften zur Rechtsdogmatik und Kriminalpolitik, der Zeitschrift für das Juristische Studium, der Schriften zur rechtswissenschaftlichen Didaktik, des Beck’schen Onlinekommentars zum Jugendgerichtsgesetz, der Schriften zum Weltanschauungsrecht und des Nomos-Kommentars zum Anti-Doping-Gesetz. Außerdem gehört er der Redaktion der Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft (vormals: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik) an.

Politik

In den Jahren 1989/1990 war Putzke Geschäftsführer der „Partei des Demokratischen Aufbruchs“ im Landkreis Pirna/Sebnitz sowie Vorsitzender und Pressesprecher der „Jugend des Demokratischen Aufbruchs“. Von 1991 bis 1992 war er Geschäftsführer und Mitglied des Kreisvorstandes der Jungen Union in Pirna. Von Januar 1994 bis Februar 1995 war Putzke stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Liberaler Hochschulgruppen[15] und von 1996 bis 2017 Mitglied der CDU.[16]

2015 trat er in die CSU ein, im April 2016 wurde er Beisitzer in deren Kreisvorstand Passau-Stadt[15] und im Mai 2017 Vorsitzender dieses Kreisverbandes.[17] Zudem ist er Bezirksvorsitzender des CSU-Arbeitskreises Juristen (AKJ) Niederbayern und qua Amt Mitglied im Landesvorstand des AKJ.[18]

Nach den Verlusten der CSU bei der Bundestagswahl 2017 warf Putzke seinem Parteivorsitzenden Horst Seehofer in der Süddeutschen Zeitung vor, er verschwende seine Energie damit, zu versuchen, Markus Söder „kaltzustellen“. Seehofer müsse sich am drohenden Debakel bei der Landtagswahl 2018 messen lassen.[19]

Bei der Europawahl 2019 trat Putzke auf Platz 37 der CSU-Liste an.[20] Nachdem die CSU bei der Wahl sechs Mandate erlangt hatte, zog er nicht ins Europaparlament ein.

Im Zusammenhang mit der Nominierung des Passauer CSU-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl appellierte Putzke in einer an die Kreisvorstands- und Fraktionsmitglieder gerichteten E-Mail, Interna nicht an die Öffentlichkeit zu geben, was etliche als „Maulkorb“ empfanden. Putzke habe zur Jagd auf den „Maulwurf“ aufgerufen. Er werde denjenigen schon aufspüren, der sein Schreiben den Medien zugespielt habe, soll er erklärt haben.[21] Putzke seinerseits erklärte, dass es keinen Maulkorb gebe. Zugleich bezeichnete er die Behauptung, er habe zu einer ‚großen Jagd auf den Maulwurf‘ aufgerufen, als Lüge und „boshafte Falschbehauptung“, die „inszeniert“ sei und von der Tatsache ablenken solle, „dass das Durchstechen interner Informationen ohne Wenn und Aber eine parteischädigende Sauerei ist“[22].

Zur Passauer Stadtratswahl im März 2020 trat Putzke auf Listenplatz 3 an.[23] Da andere CSU-Listenkandidaten durch Kumulieren vor ihn rückten, fiel er auf Platz 10 zurück, und da die CSU ein Viertel ihrer bisher 12 Mandate verlor, verfehlte er damit den Einzug in den Stadtrat, wurde aber erster Nachrücker.[24] In Reaktion auf das Wahlergebnis forderten Andreas Scheuer, Gerhard Waschler, Fraktionsvorsitzender Armin Dickl sowie drei weitere CSU-Stadträte Putzke zum sofortigen Rücktritt als Kreisvorsitzender und zum Rückzug von allen anderen Führungsaufgaben in der Passauer CSU auf[25]. Putzke lehnte einen Rücktritt ab, da die Diskussion über die Konsequenzen der Wahlniederlage in den Kreisvorstand gehöre, den er wegen der COVID-19-Pandemie aber erst einberufen wolle, wenn es für die Gesundheit der Teilnehmer verantwortbar sei.[26] In einer von ihm mitverfassten „Wahlanalyse“, unterschrieben von 36 Personen, darunter den Kreisvorsitzenden der Jungen Union und Senioren-Union sowie anderen Funktionsträgern und Mitgliedern, wurde als Grund vor allem fehlende Geschlossenheit und ein „Parallelwahlkampf“ als Ursache genannt, angeführt insbesondere von dem Fraktionsvorsitzenden Armin Dickl.[27] Im August 2020 konnte der Passauer Altlandrat Franz Meyer den Konflikt durch zahlreiche Einzelgespräche im Hintergrund für einen Burgfrieden entschärfen.[28][29] Als im März 2022 schließlich doch Vorstandswahlen stattfanden, trat Putzke nicht mehr als Vorsitzender an. Gemäß dem von der Kreisvorstandschaft verabschiedeten Empfehlungsbeschluss sollte er als Kreisschatzmeister antreten. Nach spontaner Aufstellung eines Gegenkandidaten verzichtete er jedoch auf eine Kandidatur und sprach von einem „Schmierentheater“.[30]

Positionen

Putzke äußerte sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Rechtslehrer, Strafverteidiger und Politiker wiederholt öffentlich zu rechts- bzw. tagespolitischen Fragen:

Beschneidung von Jungen

Vor Inkrafttreten von § 1631d BGB veröffentlichte Putzke in mehreren Fachartikeln (erstmals in der im Februar 2008 erschienenen Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg) seine Rechtsauffassung, dass ungerechtfertigte Jungenbeschneidungen den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen, darunter auch die religiöse Beschneidung von Knaben.[31][32][33] Das im Mai 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Köln, das eine Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung einstufte, hat er begrüßt[34] und seine Verbreitung gefördert.[35]

Putzke ist Mitunterzeichner eines im Sommer 2012 vom Psychotherapeuten Matthias Franz initiierten offenen Briefes an Bundesregierung und Bundestag.[36] Im Rahmen der politischen Debatte über den Umgang mit der Beschneidung von Jungen in Deutschland vertraten die Unterzeichner den Standpunkt, die Religionsfreiheit könne „kein Freibrief zur Anwendung von (sexueller) Gewalt gegenüber nicht einwilligungsfähigen Jungen sein“. Hinsichtlich der Durchführung medizinisch nicht notwendiger, „irreversibler Genitalbeschneidungen von Jungen, verbunden mit hohem Risiko für bleibende genitale Beschädigungen und seelische und sexuelle Beeinträchtigungen“, müsse die öffentliche Debatte und Wahrnehmung „offensichtlich noch weiterentwickelt“ werden. Der Brief kritisiert den „schwerwiegende[n] Vorwurf“, durch ein Verbot der rituellen Jungenbeschneidung würde jüdisches Leben in Deutschland unmöglich werden. Unter Verweis auf die Aufklärung postuliert er: „Man tut Kindern nicht weh!“[37] Dieter Graumann, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte dies eine „suggestive Parole“ und kritisierte rückblickend, die Unterzeichner des „berüchtigte[n] Brief[es]“ hätten sich „in einer Arroganz und einem Belehrungswahn sondergleichen über das Beschneidungsritual ereifert“. Die Beschneidung sei für das Judentum „konstitutiv, glaubensbegründend“. Sie sei „ein elementares Gebot, welches auch alle religiösen Richtungen im Judentum befolgen“.[38]

Der Bundestag beschloss am 12. Dezember 2012 nach kontroverser Debatte mit 434:100 Stimmen bei 46 Enthaltungen ein Gesetz, das Knabenbeschneidungen unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin erlaubt. Putzke hält das Gesetz für verfassungswidrig und warf dem Bundestag vor, etwa mit Blick auf die Zweckklausel „legislatorischen Nonsens“ geschaffen zu haben. Die Einschätzung der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bei den parlamentarischen Beratungen habe es sich um eine „Sternstunde“ gehandelt, bewertete Putzke als „puren Zynismus“. Nach Putzkes Auffassung ebne das Beschneidungsgesetz der weiblichen Genitalverstümmelung den Weg.[39] Im Zusammenhang mit der Beschneidungsdebatte hat Putzke unter anderem wegen einer anonymen Beleidigung auf Facebook Strafanzeige erstattet. Im Zuge der Ermittlungen kam es bei einem minderjährigen jüdischen Verdächtigen zu einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung durch Staatsschutzbeamte.[40]

Reform des Betäubungsmittelstrafrechts

Putzke kritisiert 2013 die Prohibition bestimmter Drogen und ist Unterzeichner einer Resolution[41] deutscher Strafrechtsprofessoren, die sich im Bündnis „Schildower Kreis“ u. a. für eine Entkriminalisierung von bestimmten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Cannabis ausgesprochen haben.[42][43][44] Die Bestrafungspraxis bei Erwachsenen sei exzessiv und unverhältnismäßig.[45] In wenigen Jahren werde es auch in Deutschland eine kontrollierte Freigabe geben.[46]

Polygrafische Untersuchungen („Lügendetektoren“)

Putzke tritt für die Zulassung von polygrafischen Untersuchungen (umgangssprachlich „Lügendetektor“) als Beweismittel in deutschen Strafverfahren ein.[47][48] In einem Verfahren vor dem Landgericht Paderborn, in dem Putzke den Angeklagten als Strafverteidiger vertrat, lehnte das Gericht die polygrafische Untersuchung als geeignetes Beweismittel ab und verurteilte den Angeklagten.[49] In einem Verfahren vor dem Schöffengericht Bautzen, in dem Putzke ebenfalls als Verteidiger auftrat, wurde der Polygraf hingegen als Beweismittel zugelassen und der Angeklagte freigesprochen.[50][51] Das Bundesverwaltungsgericht befand jedoch unter Bestätigung der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass das Bautzener Urteil nicht ausreichend zur Frage eines festen Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Aussageverhalten und spezifischen Reaktionsmustern des vegetativen Nervensystems Stellung nimmt. Der Lügendetektor ist im Verwaltungsgerichtsverfahren ebenso unzulässig wie im Strafprozess.[52] In einer weiteren Entscheidung des Amtsgerichts Bautzen hielt dieses an seiner Auffassung fest.[53]

Sterbehilfe

Im Jahr 2015 sprach sich Putzke zusammen mit 141 deutschen Strafrechtsprofessoren gegen eine Ausweitung der Strafbarkeit des assistierten Suizids in Form des § 217 StGB aus.[54] Bevor der 2015 eingeführte § 217 StGB im Februar 2020 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde,[55] hatte sich Putzke mit einem Beschluss des niederbayrischen CSU-Arbeitskreises Juristen Anfang 2019 für die Abschaffung dieses Paragrafens und für eine Beratungslösung zur Ermöglichung der Suizidassistenz ausgesprochen.[56]

Genderfragen

Im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Frauen an der Teilnahme bei einem Fensterln-Wettbewerb des Universitätssportfests warnte Putzke öffentlich vor „Genderismus“, da die Gleichstellungsbeauftragte der Universität den Ausschluss als „sexistisch“ bezeichnet hatte. Auswärtigen Betrachtern erschien der Vorgang zumindest als provinzielle Kuriosität. Putzke vertrat den Standpunkt, dass die Gleichstellungsbeauftragte „außerhalb ihrer Zuständigkeit gehandelt“ und „den berechtigten Belangen von Gleichberechtigung und -stellung einen Bärendienst“ erwiesen habe. Universitätspräsident Burkhard Freitag stellte hingegen fest, dass sie „richtig und kompetent gehandelt“ habe, da sie „für die Umsetzung des Gleichstellungskonzepts verantwortlich“ sei.[57]

Beim CSU-Parteiausschuss in Würzburg am 30. April 2022 stellte Putzke den Antrag, dass seine Partei das „Gendern“ von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften unterbindet und das generische Maskulinum darin festschreibt. Anders als noch beim Parteitag im September 2020, auf dem der Antrag auf Empfehlung der Antragskommission an die CSU-Abgeordneten in Bundes- und Landtag überwiesen worden war, stimmten die Delegierten in Würzburg dem Antrag zu.

Flüchtlingskrise

Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015 erklärte Putzke im Oktober 2015, dass es widersprüchlich sei, wenn Personen als Schleuser verfolgt werden, die nach der Entscheidung der Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Aufhebung des Weiterreiseverbots Flüchtlinge über die deutsche Grenze gebracht haben, während Zugführer, Bus- oder Taxifahrer Flüchtlinge ungestraft über die Grenze transportieren konnten. „Möglicherweise“ habe sich in diesem Zusammenhang auch die deutsche Bundeskanzlerin des Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz bzw. der öffentlichen Aufforderung dazu nach § 111 Strafgesetzbuch schuldig gemacht, weil sie sich nicht an geltendes Recht gehalten habe.[58][59] Gleichzeitig distanzierte sich Putzke von diesbezüglichen Strafanzeigen gegen Angela Merkel und bezeichnete Anzeigen wegen Hochverrats als „substanzlos“.[60]

Christian Bommarius wertete die rechtliche Würdigung Putzkes als Unterstützung für eine Strafanzeige der rechtspopulistischen AfD gegen Merkel und warf ihm vor, die Lage der Flüchtlinge und den daraus resultierenden rechtfertigenden Notstand nach § 34 nicht hinreichend berücksichtigt zu haben.[61] Putzke bezeichnete die Behauptung eines rechtfertigenden Notstands als „juristisch oberflächlich“ sowie „offenkundig absichtsgeleitet“.[62] Ramona Ambs kommentierte im jüdischen Online-Portal Hagalil Putzkes Standpunkt, dass bei der Hilfe für Flüchtlinge geltendes Recht eingehalten werden müsse, dahingehend, dass es wenig realitätsnah sei, Flüchtlingen das Abwarten eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens zuzumuten.[63]

Im Dezember 2015 erneuerte Putzke seine strafrechtlichen Bedenken gegen die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerinin in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse und kritisierte zugleich, dass zu wenig für die Integration von Flüchtlingen getan werde. Es müsse massiv in Sprachkurse und Bildung investiert werden. Zudem sprach er sich für eine aufgeklärte Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsgesetz aus. Auch sei eine Begrenzung des ungeregelten Zustroms nötig.[62]

Im Februar 2016 bestritt Putzke in einem gemeinsam mit Alexander Peukert, Christian Hillgruber und Ulrich Foerste verfassten Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Rechtskonformität einer „Politik offener Grenzen“, vor allem unter Verweis auf Art. 20 Abs. 4 der Dublin III-Verordnung. Die Durchführung eines Zuständigkeitsprüfungsverfahrens obliege danach Österreich, weshalb Deutschland die Einreise verweigern dürfe.[64] Die Stellung eines internationalen Schutzantrags an der deutsch-österreichischen Grenze begründe keineswegs eine Pflicht zur Einreiseerlaubnis. Die Rückkehr zum Recht sei „weder inhuman noch politische Schwäche“; die Stärke einer Demokratie zeige sich nicht zuletzt in ihrer Fähigkeit zur Selbstkorrektur.[65] Die vier Autoren veröffentlichten dazu auch einen wissenschaftlichen Beitrag.[66]

Bei einer öffentlichen CSU-Veranstaltung im Mai 2016 forderte Putzke eine „gelebte Willkommenskultur“, kritisierte aber zugleich deren angebliche internationale, selbstbezogene Zelebrierung als „fatales Signal“. Er sprach in diesem Zusammenhang davon, dass sächsische Verwandte von ihm bei Pegida mitmarschierten. Dabei seien diese Menschen keine „Rechten“, sondern fühlten sich mit ihrer „differenzierten Meinung“ nicht mehr in der politischen Mitte aufgehoben und verspürten subjektiv Ängste, die objektiv nicht zu begründen seien.[67]

Katholischer Missbrauchsskandal

Gemeinsam mit fünf Kollegen (den Strafrechtsprofessoren Eric Hilgendorf, Rolf Dietrich Herzberg, Reinhard Merkel, Ulfrid Neumann und Dieter Rössner sowie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltanschauungsrecht)[68] stellte Putzke anlässlich der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“[69] am 26. Oktober 2018 Strafanzeigen gegen Unbekannt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a StGB).[70] Gegenüber dem ZDF warf Putzke Anfang 2020 der katholischen Kirche vor, den massenhaften Missbrauch jahrzehntelang vertuscht und „für die Ende September 2018 vorgestellte Missbrauchsstudie der Kommission nur zuvor gefilterte Unterlagen übergeben“ zu haben, was dazu geführt habe, dass viele dieser Verbrechen inzwischen verjährt seien.[71]

Kritik am Zentralrat der Muslime in Deutschland

Ende 2019 kritisierte Putzke Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) dafür, dass sie Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), zum Botschafter für die Regierungskampagne „Wir sind Rechtsstaat“[72] ausgewählt habe, obwohl er sieben Fragen zum Verfassungsverständnis (z. B. zum Vorrang von staatlichem vor religiösem Recht und zur Zulässigkeit von Karikaturen über Mohammed) ungeklärt gelassen habe. Putzke warf ihm und dem ZMD vor, diese vermutlich nicht bejahen zu können, ohne sich zu verleugnen oder mit einem „Ja, aber“ oder „Nein“ ihr wahres Gesicht zu zeigen. Daher sei Mazyek für die Kampagne ungeeignet. Das Bundesjustizministerium solle daraus die Konsequenzen ziehen „und das Ansehen des Rechtsstaates vor weiterem Schaden schützen“.[73]

Publikationen (Auswahl)

Monografien und Lehrbücher

  • Beschleunigtes Verfahren bei Heranwachsenden. Zur strafprozessualen Ausprägung des Erziehungsgedankens in der Adoleszenz (= Bochumer Schriften zur Rechtsdogmatik und Kriminalpolitik. Band 1). Felix-Verlag, Holzkirchen (Oberbayern) 2004, ISBN 3-927983-71-3 (XV, 197 S., zugl.: Bochum, Univ., Dissertation, 2003).
  • mit Jörg Scheinfeld und Christina Putzke: Strafprozessrecht (= Jurakompakt). 9. Auflage. C.H. Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-78537-5 (XV, 246 S., Erstausgabe: 2005).
  • Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben. Klausuren, Hausarbeiten, Seminare, Bachelor- und Masterarbeiten (= Jurakompakt). 7. Auflage. C.H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-75309-1 (XVI, 195 S., Erstausgabe: 2007).
  • mit Thomas Feltes: Jugendstrafrecht (= Kriminologische Studienliteratur. Band 1). Felix, Holzkirchen/Obb. 2012, ISBN 978-3-86293-900-8 (VIII, 130 S.).
  • mit Bernhard Hardtung: Examinatorium Strafrecht AT. Ein Lehrbuch zur Einführung, Vertiefung und Wiederholung (= JuS-Schriftenreihe. Band 198). C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-65783-2 (XX, 360 S.).
  • mit Horst Schlehofer und Jörg Scheinfeld: Strafrecht Allgemeiner Teil (= Jurakompakt). 1. Auflage. C.H. Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-62817-7 (XVIII, 263 S.).

Kommentierungen

  • Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB); Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (EGStPO). In: Christoph Knauer (Hrsg.): GVG, EGGVG, EMRK, EGStPO, EGStGB, ZSHG, StrEG, G10, AO (= Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung: StPO. Band 3/2). 1. Auflage. C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-64683-6, S. 677–790; 1051–1053.
  • Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz – AntiDopG). §§ 3, 4, 5, 6 und 12 AntiDopG. In: Michael Leher, Martin Nolte, Holm Putzke (Hrsg.): Anti-Doping-Gesetz. Handkommentar (= NomosKommentar). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017, ISBN 978-3-8487-3105-3, S. 43–171, 274–276 (Leher/Nolte/Putzke).
  • §§ 1, 2, 4, 5, 6 und 15 JGG. In: Nils Fabian Gertler, Volker Kunkel, Holm Putzke (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz (= Beck'scher Online-Kommentar). 8. Auflage. C.H. Beck, München 1. Februar 2018, OCLC 1033917277 (beck.de – Erstausgabe: 2015, Gertler/Kunkel/Putzke).
  • Einleitung, Strafbarer Eigennutz (§§ 284–297; §§ 284–287 zusammen mit Christina Putzke). In: Klaus Leipold, Michael Tsambikakis, Mark A. Zöller (Hrsg.): AnwaltKommentar Strafgesetzbuch (= Heidelberger Kommentar). 3., neu bearbeitete Auflage. C.F. Müller, Heidelberg 2020, ISBN 978-3-8114-0643-8, S. 2353–2393 (Erstausgabe: 2015, Leipold/Tsambikakis/Zöller).

Beiträge in Zeitschriften

Trivia

Putzke machte im Dezember 2022 von sich reden, als er eine Prämie von 3.000 Euro für einen Zeugenhinweis auslobte, der dazu beiträgt, einen Täter zu ermitteln, der im September 2020 einen Amoklauf an der Universität Passau angekündigt hatte. Putzke hatte zuvor einen freigesprochenen Beschuldigten verteidigt und versteht die Prämie, die im Übrigen auch an den Täter selbst ausgezahlt werde, als Beitrag zur Erforschung von Fehlerquellen im Strafprozess.[75]

Weblinks

  • Literatur von und über Holm Putzke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Website von Holm Putzke
  • Holm Putzke auf der Website der Universität Passau
  • Memento der Beiträge von Holm Putzke auf der Webseite seines Vaters Friedhelm Putzke. In: friedhelmputzke.de. Juni 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2016;.

Einzelnachweise

  1. Experte für Kriminologie und Medizinstrafrecht. In: Passauer Neue Presse. 22. April 2010, S. 26 (regiowiki.pnp.de (Memento vom 24. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)).
  2. Universität eröffnet Institut für Rechtsdidaktik. In: regiowiki.pnp.de. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  3. Holm Putzke auf der Homepage der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, abgerufen am 22. August 2016.
  4. Webseite der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  5. NRW-Landtagsdrucksache: Dokumenten-Nr. (Stellungnahmen) 14/1439
  6. Experten uneins bei Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden der EU. In: bundestag.de. hib, 19. September 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. September 2011; abgerufen am 18. Januar 2022.
  7. Missbrauch: «Das Kirchenversagen ist immer auch ein Staatsversagen» In: Süddeutsche Zeitung, 20. April 2023, abgerufen am 4. Juni 2023.
  8. Christine Pierach, Karin Seibold: Bluttat in Freyung: Das Urteil gegen Dominik R. ist gesprochen. In: Passauer Neue Presse. 20. November 2017, abgerufen am 17. Januar 2022.
    pnp: Urteil gegen Dominik R. ist rechtskräftig. In: Passauer Neue Presse. 16. Februar 2018, abgerufen am 17. Januar 2022.
  9. Katharina Häringer, BR24 Redaktion: War es doch Mord? Dominik R. muss wieder vor Gericht. In: BR24. Bayerischer Rundfunk, 17. August 2021, abgerufen am 17. Januar 2022.
  10. Fall Dominik R.: Entscheidung über Wiederaufnahme. In: br.de. Bayerischer Rundfunk, 18. September 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. September 2020; abgerufen am 17. Januar 2022.
  11. Mord in Freyung: Lebenslange Haft für Dominik R. 10. Oktober 2022, abgerufen am 4. März 2023.
  12. Kurzdarstellung im Internetauftritt der Giordano-Bruno-Stiftung, abgerufen am 18. September 2012.
  13. «Radsport gemeinsam erleben» – BDR verabschiedet auf seiner Jahrestagung neues Leitbild. In: rad-net.de, 28. März 2015, abgerufen am 17. Januar 2022.
  14. Siehe die Liste der Mitglieder des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit. In: netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de, abgerufen am 18. Januar 2022.
  15. 15.0 15.1 Prof. Dr. Holm Putzke, LL.M. (Krakau). Kurzbiografie auf der Webseite der Universität Passau, abgerufen am 17. Januar 2022.
  16. Dr. Holm Putzke – Kreisvorsitzender Passau‐Stadt CV. (PDF; 104 kB) In: csu.de. CSU, 8. Juni 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 3. Dezember 2021.
  17. Holm Putzke zum neuen CSU-Kreisvorsitzenden gewählt. In: PNP.de, 23. Mai 2017, abgerufen am 17. Januar 2022.
  18. Über uns. Website des CSU-Arbeitskreises AKJ, abgerufen am 17. Januar 2022.
  19. SZ-Autoren: „Der ist fällig“: Was CSU-Mitglieder über Seehofer sagen. In: Süddeutsche Zeitung. 26. September 2017, abgerufen am 17. Januar 2022.
  20. Landesdelegiertenversammlung zur Europawahl 2019. Aufstellung der Landesliste. (PDF; 51 kB) CSU, 24. November 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2019; abgerufen am 10. Mai 2019.
  21. Elke Fischer: Sondersitzung der CSU: „Maulkorb“ bringt Mitglieder auf die Palme. In: PNP.de. 3. Juli 2019, abgerufen am 7. Juli 2019.
  22. Elke Fischer: Putzke: „Es gibt keinen Maulkorb“. CSU-Kreisvorsitzender schreibt einen neuerlichen Brief – Diesmal auch an die PNP. In: PNP.de. 5. Juli 2019, abgerufen am 30. August 2019 (Artikelanfang frei abrufbar).
  23. frs (Franziska Schwarz): Kommunalwahl 2020 in Passau: Kandidaten für den Stadtrat – die Listen. In: Münchner Merkur. 17. März 2020, aktualisiert am 13. Mai 2020, abgerufen am 18. Januar 2022.
  24. Passau hat gewählt. 16.03.2020. Vorläufiges Endergebnis. Stadt Passau, abgerufen am 17. Januar 2022.
  25. sdr: Passauer CSU-Größen fordern Rücktritt des Kreisvorsitzenden Putzke, In: PNP.de, 17. März 2020, abgerufen am 18. Januar 2022.
  26. sdr: CSU-Kreisvorsitzender Putzke lehnt Rücktritt vorerst ab. In: PNP.de. 20. März 2020, abgerufen am 16. April 2021 (Stand: 21. März 2020).
  27. Elke Fischer: Wahl-Analyse der Passauer CSU: Schwere Vorwürfe gegen Dickl. In: PNP.de. 16. April 2020, abgerufen am 16. April 2020.
  28. Thomas Seider: Putzke lehnt Rücktritt vorerst ab. In: PNP plus. 21. März 2020, abgerufen am 16. April 2020 (Artikelanfang frei abrufbar).
  29. Franz Danninger: Burgfrieden bei Passauer CSU: Rücktrittsforderungen auf Eis. In: PNP.de. 4. August 2020, abgerufen am 28. September 2020.
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