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Józef Jakubowski

From Wickepedia

Józef Jakukowski, auch Josef Jakubowski oder Osip Jakubowski (* 8. September 1895 in Dubnai, Rajongemeinde Utena, damals Gouvernement Kowno, Kaiserreich Russland, heute Litauen; † 15. Februar 1926 in Strelitz) wurde wegen eines Mordes, den er nicht begangen hatte, zum Tod verurteilt und enthauptet. Sein Fall gehört zu den bedeutendsten Justizirrtümern in der deutschen Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts[1] und wurde bis heute formal nicht korrigiert. Im Fall spielte eine gegen Jakubowski gerichtete Ausländerfeindlichkeit eine bedeutende Rolle.

Leben bis 1924

Józef Jakubowski wurde im damaligen Gouvernement Kowno des russischen Reiches (heute Litauen) geboren, war allerdings polnischer Nationalität. In der Literatur wird er bisweilen – im eigentlichen Sinne nicht zutreffend – als „Russe“ bezeichnet. Als Soldat der russischen Armee geriet er im Ersten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft und verbrachte zwei Jahre in einem Gefangenenlager. Nach Kriegsende blieb er in Deutschland und verdingte sich als Landarbeiter in dem mecklenburgischen Dorf Palingen. Dort lernte er Ida Nogens (* 21. Dezember 1901) kennen, die bereits einen nichtehelichen Sohn namens Ewald (* 24. April 1921) hatte. Von Jakubowski bekam sie die Tochter Anna. Das Paar wollte heiraten, doch Ida Nogens starb am 15. Mai 1923 an Lungenentzündung.[2] Die Kinder wurden darauf von Ida Nogens verwitweter Mutter Elisabeth Nogens, geb. Treumann, aufgenommen und Jakubowski zahlte für beide Kinder Unterhalt, was er jedoch einstellte, als er bemerkte, dass die Kinder bei ihrer Großmutter verwahrlosten.[1] \

Mord, Prozess und Hinrichtung

Am 9. November 1924 verschwand der dreijährige Ewald, am 24. November 1924 wurde er erdrosselt in der Nähe von Palingen aufgefunden. Auf Hinweise der Familie Nogens hin nahm man am Tag darauf Josef Jakubowski als Verdächtigten fest.[1] Im März 1925 begann vor der Strafkammer des Landgerichts Neustrelitz, die beim Amtsgericht Schönberg angesiedelt war, der Mordprozess gegen ihn. Die Verteidigung übernahm der Schönberger Rechtsanwalt Carl Koch. Der Angeklagte hatte am Tattag lediglich kein Alibi für die Zeit von 5:45 bis 6:15 Uhr. Als Hauptbelastungszeuge trat der geistig schwer behinderte Jugendliche Hannes Nogens auf, ein Onkel des Kindes, der Jakubowski zu dieser Zeit auf dem Weg zum Tatort gesehen haben wollte. Einerseits verzichtete das Gericht wegen des Geisteszustands des Zeugen auf eine Vereidigung, andererseits wurde seiner Aussage genug Gewicht beigemessen, um Jakubowski entscheidend zu belasten.[1][3] Eine Zeugin gab an, um 5.45 Uhr Schreie des Kindes gehört zu haben. Zu diesem Zeitpunkt konnte Jakubowski, sollte er zum Tatort gegangen sein, jedoch noch nicht dort gewesen sein. Daher erklärte die Staatsanwaltschaft kurzerhand, die Zeugin müsse sich bezüglich ihrer Zeitangabe geirrt haben und sie habe die Schreie in Wirklichkeit wohl kurz nach sechs Uhr gehört. August und Fritz Nogens, die Brüder von Ina Nogens, rückten Josef Jakubowski in ein schlechtes Licht. Auf ihre Aussagen hin unterstellte das Gericht als Tatmotiv einen fehlenden Willen zur Unterhaltszahlung.[1]

Jakubowski bezeichnete sich stets als unschuldig. Obwohl er Deutsch schlecht verstand und der Verhandlung nur unzureichend folgen konnte, wurde ihm ein Dolmetscher verweigert. Ein von ihm geäußerter Verdacht gegen die Familie Nogens wurde vom Vorsitzenden Richter Johannes von Buchka (1865–1938)[4] ohne Überprüfung als dreiste Lüge abgetan und verschlimmerte seine Situation eher. Am 26. März 1925 folgten trotz dürftiger Indizienlage Schuldspruch und Todesurteil. Der Neustrelitzer Ministerialrat Ulrich Pagel, der als Prozessbeobachter anwesend war, erwartete anfänglich, wie er dem Verteidiger sagte, eine Aufhebung oder eine Begnadigung, „da der Indizienbeweis nicht ein vollkommener sei.“[5]

Eine Revision wurde jedoch abgelehnt und der Erste Staatsminister Roderich Hustaedt, Regierungschef des Freistaats Mecklenburg-Strelitz, verweigerte die Begnadigung. Am 15. Februar 1926 wurde Josef Jakubowski in der Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz von dem Scharfrichter Carl Gröpler[6] mit dem Handbeil hingerichtet. Noch zwei Tage zuvor hatte sein Verteidiger brieflich an Hustaedt appelliert, die Vollstreckung auszusetzen, da er von der Unschuld seines Mandanten überzeugt sei.[1]

Spätere Entwicklungen

Gedenkstein für Josef Jakubowski am Verwaltungsgebäude des Gefängnisses in Strelitz-Alt. Die Deutsche Liga für Menschenrechte setzte sich für ein Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Nach weiteren Ermittlungen des Leiter des Landeskriminalamts, Regierungsrat Steuding, und des Kriminalpsychologen Hans von Hentig gestanden 1928 die Witwe Nogens und ihre beiden Söhne August (* 1905) und Fritz, ein Mordkomplott gegen den kleinen Ewald Nogens geschmiedet und die Tat Jakubowski in die Schuhe geschoben zu haben. So wollten sie auf einen Streich das unerwünschte Kind wie auch Josef Jakubowski als einzigen Ausländer im Dorf loswerden.[1] August Nogens wurde im Juli 1929 wegen Mordes an seinem Neffen und Meineids zunächst zum Tod verurteilt, später allerdings durch den seinerzeit amtierenden Ersten Staatsminister Kurt Freiherr von Reibnitz zu lebenslangem Zuchthaus begnadigt. August starb am 3. November 1943 im KZ Neuengamme, offiziell an offener Lungentuberkulose.[7] Sein Bruder und seine Mutter erhielten wegen Anstiftung und Beihilfe zum Mord zeitliche Zuchthausstrafen. Eine von der Deutschen Liga für Menschenrechte unter Mitwirkung von Arthur Brandt gegen Staatsanwalt Müller und Landgerichtspräsident Johannes von Buchka gestellte Strafanzeige wegen Rechtsbeugung wurde abgewiesen. Ebenso wurde ein von Jakubowskis Eltern angestrengtes Wiederaufnahmeverfahren zum nachträglichen Freispruch ihres Sohnes eingestellt.[1] So ist der Schuldspruch gegen Josef Jakubowski bis heute noch nicht formal aufgehoben, obwohl andere die Tat gestanden haben und dafür verurteilt worden sind.

Der „Fall Jakubowski“ verunsicherte die Justiz der Weimarer Republik so stark, dass von Sommer 1929 bis zu Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 nur noch wenige Todesurteile vollstreckt wurden.[1]

Bereits zeitgenössische Journalisten, wie Rudolf Olden und Max Barth, sahen in ausländerfeindlicher Voreingenommenheit der Justizbehörden und des Gerichts den Hauptgrund für den unfairen Prozess. So zitierte Barth in der Sonntags-Zeitung 1928 Nr. 3 zwei Gefängnisgeistliche, die davon überzeugt waren, dass diese Hinrichtung niemals stattgefunden hätte, wäre der Angeklagte ein Deutscher gewesen.[8]

Der Fall Jakubowski wurde in zahlreichen Büchern und Aufsätzen behandelt und dreimal für Fernsehen und Kino verfilmt. In Strelitz-Alt gibt es eine Josef-Jakubowski-Straße. Dort und in Palingen erinnern Gedenksteine aus den 1960er Jahren an Jakubowski, auf denen er im Sinn der damaligen DDR-Ideologie als ein Opfer der Klassenjustiz bezeichnet wird.

Verfilmungen

Literatur

  • Rudolf Olden; Josef Bornstein: Der Justizmord an Jakubowski. Tagebuchverlag, Berlin 1928. (Digitalisat)
  • Eleonore Kalkowska: Josef. Eine Zeittragödie in 22 Bildern. Berlin 1929.
  • Friedrich Karl Kaul: Justiz wird zum Verbrechen. Der Pitaval der Weimarer Republik. Das Neue Berlin, Berlin 1953.
  • Theo Harych: Im Namen des Volkes? Der Fall Jakubowski. Verlag Volk und Welt, Berlin 1958. 3. Aufl., 1962.
  • Hermann Mostar: Unschuldig verurteilt! Aus der Chronik der Justizmorde. Ullstein, Frankfurt 1961. Ungekürzter Neudruck 1990. ISBN 3-548-34670-7
  • Gerhart Hermann Mostar; Robert Adolf Stemmle [Hrsg.]: Todesurteil. Neun Kriminalfälle: Anna Böckler, Charley Ross, Madame Steinheil, Hugo Schenk, Helene Gillet, Franz Salesius Riembauer, Peter Kürten, Josef Jakubowski, Wilhelmine Krautz. Desch, München 1964.
  • Arthur Brandt: Unschuldig verurteilt. Richter sind nicht unfehlbar. Econ, Düsseldorf 1982. ISBN 3-430-11509-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 Informationen und Links zum Mordfall Jakubowski auf der Homepage von Palingen
  2. Rudolf Olden; Josef Bornstein: Der Justizmord an Jakubowski. Tagebuchverlag, Berlin 1928. (Digitalisat), S. 10; Beerdigungsregister Herrnburg, abgerufen über ancestry.com am 23. Juni 2023
  3. Hannes Nogens wurde nach dem Prozess in die Landesirrenanstalt Domjüch eingewiesen und starb dort starb am 3. Oktober 1926, siehe Rudolf Olden; Josef Bornstein: Der Justizmord an Jakubowski. Tagebuchverlag, Berlin 1928. (Digitalisat), S. 32
  4. Universität Rostock: Immatrikulation von Johannes Buchka. Abgerufen am 21. Juni 2018.
  5. Koch an Pagel, 23. März 1926, zitiert nach Rudolf Olden; Josef Bornstein: Der Justizmord an Jakubowski. Tagebuchverlag, Berlin 1928. (Digitalisat), S. 52
  6. Matthias Blazek: Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 3-8382-0107-8, S. 71.
  7. Sterbeurkunde, abgerufen über ancestry.com am 23. Juni 2023
  8. erich-schairer.de (Memento des Originals vom 17. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.erich-schairer.de. Abgerufen am 7. Dezember 2007.