Jutta Allmendinger (* 26. September 1956 in Mannheim) ist eine deutsche Soziologin. Sie ist seit 1. April 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung.
Berufliches
Allmendinger studierte Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Mannheim und war wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen. Anschließend studierte sie Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Statistik an der University of Wisconsin. An der Harvard University wurde sie 1987 promoviert (Ph.D.). Von 1988 bis 1991 war sie wissenschaftliche Angestellte am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, danach an der Harvard Business School tätig. Sie habilitierte sich 1993 an der Freien Universität Berlin.
1992 erhielt sie einen Ruf als Professorin für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seit 2003 war sie dort beurlaubt, um als Direktorin das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu leiten (bis 2007). Von 1999 bis 2002 war Allmendinger als erste Frau Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Im April 2007 übernahm sie die Leitung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin zur Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung ernannt. Seit 2012 ist sie Honorarprofessorin für Soziologie an der Freien Universität Berlin.
Im Jahr 2022 übernahm sie den Vorsitz des Gender Equality Advisory Councils (GEAC) der G7-Staaten und nahm in dieser Funktion am G7-Gipfel auf Schloss Elmau teil.[1] Im Dezember 2022 übergab sie die Empfehlungen des G7-Gleichstellungsbeirats an Bundeskanzler Scholz.[2]
Forschung
In ihrer Forschung befasst sich Allmendinger vor allem mit der Frage, wie die Lebensverläufe der Menschen durch Institutionen etwa der Bildung, des Arbeitsmarktes, aber auch des Wohlfahrtsstaates geprägt werden. Ihr besonderes Interesse gilt der Untersuchung von Lebensverläufen hinsichtlich des Übergangs von der (Aus-)Bildung zum Arbeitsmarkt sowie der Verflechtung der Lebensverläufe von Frauen und Männern. Weitere wichtige Forschungsgebiete sind die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Arbeitswelt, speziell in Fragen der Arbeitsorganisation.
1999 führte Allmendinger den Begriff der Bildungsarmut in die stark ökonomisch geprägte arbeitsmarktpolitische Debatte in Deutschland ein. Sie und andere Bildungsexperten fordern die Abschaffung von Aufgaben, die zu Hause erledigt werden müssen. Dem könne aber kein Plädoyer gegen selbständig zu lösende Aufgaben von Seiten der Schüler, innerhalb der Schule selbst, entnommen werden.[3]
Allmendinger war leitende Wissenschaftlerin der Kooperationsstudie Das Vermächtnis – Die Welt, die wir erleben wollen, deren Ergebnisse im Frühjahr 2016 vorgestellt wurden. Die repräsentative Studie untersuchte, welche Werte den Menschen in Deutschland wichtig sind und was sie an nachfolgende Generationen weitergeben wollen.[4]
Beiratstätigkeiten
Allmendingers Tätigkeiten in Beiräten im In- und Ausland sind zahlreich.
Abgeschlossene Aufgaben
Zwischen 2006 und 2012 war sie Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates, von 2007 bis 2011 in der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission für Forschung und Innovation.
Darüber hinaus war sie Mitglied des Sozialbeirats für die Rentenversicherung der Bundesregierung (bis 2012), Mitglied des Hauptausschusses für Mindestarbeitsentgelte der Bundesregierung (bis 2014) und Mitglied der High Level Economic Expert Group „Innovation for Growth“ (I4G) der Europäischen Kommission (bis 2014).
2017 war sie Vorsitzende der Jury des Innovationspreises Berlin Brandenburg, berufen von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium.[5]
Aktuelle Aufgabenfelder
Seit 2012 ist Allmendinger Mitglied im Kuratorium der Stiftung Bildung, seit 2013 Mitglied im Kuratorium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) und seit 2014 Mitglied des Goethe-Instituts.[6] Im Jahr 2015 war sie gemeinsam mit Klaus Wowereit Vorsitzende der Kommission „Gleiche Rechte – gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.[7] Seit 2016 ist Allmendinger zudem Mitglied im Aufsichtsrat der Berliner Stadtreinigung (BSR).[8]
Seit Mai 2017 ist sie Mitglied im fünfköpfigen Herausgeberrat der Wochenzeitung Die Zeit.[9][10]
Allmendinger wurde am 16. Juni 2019 als reguläres Mitglied in den Universitätsrat der Universität Mannheim gewählt.[11] Die Amtszeit eines Universitätsratsmitglieds beträgt an sich drei Jahre, nur eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Allmendinger muss also spätestens 2025 aus dem Universitätsrat ausscheiden.
Darüber hinaus hat der Senat der Universität Wien in seiner Sitzung vom 20. Oktober 2022 Allmendinger als Mitglied in den Universitätsrat der Universität Wien für die Funktionsperiode vom 1. März 2023 bis zum 29. Februar 2028 bestellt.[12]
Akademische und politische Mitgliedschaften
Jutta Allmendinger ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften,[13] der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 2007)[14] sowie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech.
Am 20. Januar 2021 ernannte Papst Franziskus sie zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften.[15]
Sie ist Mitglied der SPD.[9] 2019 lehnte sie ein Angebot von Lars Klingbeil ab, gemeinsam mit ihm für den SPD-Vorsitz zu kandidieren.[16]
Privates
Allmendinger ist evangelisch und Mutter eines erwachsenen Sohnes.[17]
Auszeichnungen und Preise
- DAAD-Stipendium fürs Graduiertenstudium an der University of Wisconsin, Madison, USA (1983/84)
- Krupp Fellowship (1986)
- Harvard Dissertation Merit Fellowship (1987/88)
- Preis der Münchener Universitätsgesellschaft für außergewöhnliche Leistungen in der Lehre (1996)
- Fellowship des Center for Advanced Study in Behavioral Sciences, Stanford CA, USA (1996/97)
- Preis des Deutschen Frauenrings (2003)
- Communicator-Preis (2009)
- Berliner Frauenpreis[18]
- TUM Distinguished Affiliate Professorship der Technischen Universität München (2011)
- Verdienstorden des Landes Berlin (2012)
- Soroptimist International Deutschland Förderpreis (2012)
- Waldemar-von-Knoeringen-Preis (2012)
- Schader-Preis (2013)
- Ehrendoktorwürde der Universität Tampere (2014)
- Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie (2014)
- Senior Fellow am Center for European Studies der Harvard University (2015)
- Marsilius-Medaille der Universität Heidelberg (2016)[19]
- Helge-Pross-Preis der Universität Siegen (2017)
- Thomas Mann Fellowship 2018 des Villa Aurora & Thomas Mann House e.V.[20]
- Award „25 Frauen, die unsere Wirtschaft revolutionieren“ (2018) des Magazins Edition F[21]
- Fellowship des Center for Advanced Studies der LMU-München (2021)
- Zum Tag der Deutschen Einheit 2013 erhielt sie aus der Hand von Bundespräsident Joachim Gauck das Verdienstkreuz 1. Klasse des Bundesverdienstkreuzes.[22]
- Marie Juchacz-Frauenpreis 2022[23]
Ausgewählte Schriften
- Es geht nur gemeinsam! Wie wir endlich Geschlechtergerechtigkeit erreichen. Ullstein Taschenbuch, Berlin 2021, ISBN 978-3-548-06452-9
- mit Jan Wetzel: Die Vertrauensfrage. Für eine neue Politik des Zusammenhalts. Bibliographisches Institut, Berlin 2020, ISBN 978-3-411-75642-1
- Das Land, in dem wir leben wollen. Wie die Deutschen sich ihre Zukunft vorstellen. Pantheon, München 2017, ISBN 978-3-570-55347-3
- mit Ellen von den Driesch: An ever closer union among the peoples of Europe? Rising inequalities in the EU and their social, economic and political impacts. Europäische Kommission, Brüssel 2015
- Schulaufgaben. Wie wir das Bildungssystem verändern müssen, um unseren Kindern gerecht zu werden. Pantheon, München 2012, ISBN 978-3-570-55187-5
- Verschenkte Potenziale? Lebensverläufe nicht erwerbstätiger Frauen. Campus, Frankfurt am Main/New York 2010, ISBN 978-3-593-39266-0
- Frauen auf dem Sprung. Wie junge Frauen heute leben wollen. Pantheon, München 2009, ISBN 978-3-8389-0024-7
- als Hrsg.: Karriere ohne Vorlage. Junge Akademiker zwischen Hochschule und Beruf. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2005, ISBN 978-3-89684-122-3
- mit Stephan Leibfried: Bildungsarmut. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 21-22/2003). (online bei der Bundeszentrale für politische Bildung).
- mit Thomas Hinz (Hrsg.): Organisationssoziologie. Sonderband Nr. 42 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Westdeutscher Verlag, Opladen 2002
- Career Mobility Dynamics. A Comparative Analysis of the United States, Norway, and West Germany. Edition Sigma, Berlin 1989
Weblinks
- Literatur von und über Jutta Allmendinger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jutta Allmendinger in der Internet Movie Database (englisch)
- Jutta Allmendinger in der Datenbank renommierter Wissenschaftlerinnen AcademiaNet (englisch)
- Jutta Allmendinger auf der Website des Wissenschaftszentrums Berlin
- Warum es sich lohnt zu studieren, was Personalchefs von Berufsanfängern erwarten. Ein Gespräch mit der Arbeitsmarktexpertin Jutta Allmendinger in der ZEIT Nr. 16 vom 12. April 2006
- Jutta Allmendinger im Gespräch Deutschlandfunk Kulturfragen vom 22. April 2007: „Nachdenken über Arbeiten und Leben im postindustriellen Zeitalter. Michael Köhler hat mit ihr über Arbeit, Ungleichheit und Bildungsarmut in Deutschland gesprochen.“
- Porträt Jutta Allmendinger: Umkremplerin aus Leidenschaft in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Februar 2008 ( vom 5. März 2016 im Internet Archive)
- Stefanie Golla: Eine neue Studie zeigt, dass junge Frauen auf dem Sprung sind. Sie wollen Karriere, Kinder und einen Mann – aber keinen Versorger. Ein Interview mit der Leiterin der Studie Jutta Allmendinger – ZEIT online vom 26. März 2008
- Jan-Martin Wiarda: Bloß nichts überstürzen. Wie studiert man richtig? Ein Gespräch mit der Bildungsexpertin Jutta Allmendinger über Zeit und Effizienz. – DIE ZEIT Nr. 41 vom 1. Oktober 2009
- 100 Jahre Frauenstudium – Faul, doof, diskriminiert? Wissenschaftlerinnen im Peer-Review-Verfahren Vortrag von Jutta Allmendinger vom 25. Juli 2003 an der LMU München im Quicktime-Stream-Format, abgerufen am 25. Juli 2018.
- Deutschlandfunk: Kulturfragen. Debatten und Dokumente vom 1. Mai 2019: Flexibel und gleichberechtigt. Die Soziologin Jutta Allmendinger über die Zukunft der Arbeit im Gespräch mit Karin Fischer
- Christoph Amend, Jochen Wegner: Jutta Allmendinger, gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern? In: Alles gesagt? Interviewpodcast von Zeit Online. 21. Juni 2019 .
Einzelnachweise
- ↑ G7-Gleichstellungsbeirat nimmt Arbeit auf | G7 Germany 2022. Abgerufen am 28. Juni 2022.
- ↑ Empfehlungen des G7-Gleichstellungsbeirates | G7 Germany 2022. Abgerufen am 3. Januar 2023.
- ↑ Nie wieder Hausaufgaben!? Es diskutieren Jutta Allmendinger und Joseph Kraus – Moderation: Manfred Götzke. Deutschlandfunk vom 14. August 2013, abgerufen am 25. Juli 2018.
- ↑ Das Vermächtnis – Die Welt, die wir erleben wollen | WZB. In: www.wzb.eu. Abgerufen am 13. April 2016.
- ↑ Jutta Allmendinger übernimmt Juryvorsitz für Innovationspreis Berlin Brandenburg. In: Focus online vom 4. Juli 2017, abgerufen am 25. Juli 2018.
- ↑ Prof. Jutta Allmendinger Ph.D. | WZB. In: www.wzb.eu. Abgerufen am 9. März 2016.
- ↑ Antidiskriminierungsstelle – Aktuelles – Kommissionsbericht im Deutschen Bundestag. In: www.antidiskriminierungsstelle.de. Abgerufen am 13. April 2016.
- ↑ Aufsichtsrat der Berliner Stadtreinigung. (bsr.de [abgerufen am 6. Juni 2017]).
- ↑ 9.0 9.1 Kommt ZEIT, kommt Rat zeit.de, 10. Mai 2017.
- ↑ Bülend Ürük: Neue Herausgeber für "Die Zeit": Zanny Minton Beddoes, Jutta Allmendinger, Florian Illies und René Obermann. In: kress. 28. April 2017 (kress.de [abgerufen am 6. Juni 2021]).
- ↑ Wechsel im Universitätsrat der Universität Mannheim. In: Pressemitteilung der Universität Mannheim vom 17. Juni 2019. Abgerufen am 16. November 2022.
- ↑ Senat der Universität Wien – Aktuelles. In: Mitteilung des Senats der Universität Wien vom 21. Oktober 2022. Abgerufen am 16. November 2022.
- ↑ Bayerische Akademie der Wissenschaften wählt neue Mitglieder. Pressemeldung im Informationsdienst Wissenschaft vom 5. März 2010, abgerufen am 8. März 2010.
- ↑ Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Jutta Allmendinger (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 7. Mai 2022.
- ↑ Nomina di Membro della Pontificia Accademia delle Scienze Sociali. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 20. Januar 2021, abgerufen am 20. Januar 2021 (Lua error in Module:Multilingual at line 149: attempt to index field 'data' (a nil value).).
- ↑ Robin Alexander: Machtverfall: Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik: Ein Report. Siedler Verlag, 2021, ISBN 978-3-641-27539-6 (google.de [abgerufen am 10. August 2021]).
- ↑ Berliner Zeitung Nr. 25, 30. Januar 2021, S. 6f.
- ↑ Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen Berlin ( vom 7. August 2011 im Internet Archive)
- ↑ Prof. Jutta Allmendinger Ph.D. | WZB. In: www.wzb.eu. Abgerufen am 13. April 2016.
- ↑ Thomas Mann Fellows 2018 nominiert – VATMH (de). Abgerufen am 10. Oktober 2017.
- ↑ Das sind die 25 Frauen, die unsere Wirtschaft revolutionieren. Abgerufen am 26. Juni 2018.
- ↑ Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit Mitteilung des Bundespräsidialamts vom 4. Oktober 2013, abgerufen am 25. Juli 2018.
- ↑ Staatskanzlei Rheinland-Pfalz: Soziologin Jutta Allmendinger erhält Frauenpreis der Ministerpräsidentin – Rita Süssmuth wird für ihr Lebenswerk geehrt. In: rlp.de. 9. März 2022, abgerufen am 8. März 2022.
Personendaten | |
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NAME | Allmendinger, Jutta |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Soziologin |
GEBURTSDATUM | 26. September 1956 |
GEBURTSORT | Mannheim |