Die Urkundsdelikte umfassen diejenigen Fälschungsdelikte im Rechtsverkehr (§§ 267–282 StGB), welche im 23. Abschnitt des Strafgesetzbuches geregelt sind. Das Rechtsgut, das die Urkundsdelikte im Allgemeinen schützen, ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs.[1] In den Urkundsdelikten nicht enthalten sind die Geld- und Wertzeichenfälschungsdelikte (§§ 146–152a StGB), deren Schutzrichtung den Geldverkehr und zugleich die fiskalische Stabilität des Staates trifft. Da von der Geld- und Wertzeichenfälschung auch Gegenstände umfasst werden, die keine Urkundsqualität aufweisen, ist im Einzelfall zu untersuchen, ob die Urkundenfälschungsdelikte als Auffangdelikte für die übrigen Fälschungsdelikte in Betracht kommen.
Systematik der Urkundsdelikte
Die Delikte im Bereich der Urkundenfälschungsdelikte sind Vergehen. Wer als Mitglied einer Bande Urkundenfälschung gewerbsmäßig begeht, macht sich eines Verbrechens schuldig (§ 267 Abs. 4 StGB). Die Urkundsdelikte treten häufig im Zusammenhang mit anderen Vermögens- oder Eigentumsdelikten, wie Betrug, Diebstahl und Sachbeschädigung auf. Als Delikte werden in diesem Bereich genannt:
- die Urkundenfälschung im eigentlichen Sinne (§ 267)
- die Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268)
- die Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269)
- die Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung (§ 270)
- die mittelbare Falschbeurkundung (§ 271)
- das Verändern von amtlichen Ausweisen (§ 273)
- die Urkundenunterdrückung (§ 274)
- die Vorbereitung zur Fälschung amtlicher Ausweise (§ 275)
- das Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen (§ 276)
- die Fälschung von Gesundheitszeugnissen (§ 277)
- das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278)
- der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 279)
- der Missbrauch von Ausweispapieren (§ 281)
- die Falschbeurkundung im Amt (§ 348)
Die Urkundsdelikte verfolgen drei unterschiedliche Schutzrichtungen:
→ der Schutz der Echtheit der Urkunde;
→ der Schutz der inhaltlichen Wahrheit der Urkunde;
→ der Schutz des Bestandes der Urkunde;
Die Delikte sind systematisch in unglücklicher Weise angeordnet, weil die einzelnen Tatbestände teilweise mehrere Schutzrichtungen in verschiedenen Tatbestandsvarianten, die erst durch Auslegung zu ermitteln sind, verfolgen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die einzelnen Straftatbestände nach ihrer Schutzrichtung zusammenzufassen. Zudem stehen auch die Qualifikationstatbestände und Privilegierungen mit den Grundtatbeständen nicht in einem räumlich erkennbaren Zusammenhang.
Echtheit einer Urkunde
Umfassend geschützt ist nur die Echtheit einer Urkunde im Rahmen des § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB. Echt ist eine Urkunde, wenn die verkörperte Gedankenerklärung geistig von der Person herrührt, von der sie errichtet sich darstellt. Unecht ist eine Urkunde, wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht. Wer die Erklärung formal beurkundet (zum Beispiel der Notar, Konsul, Standesbeamte), spielt keine Rolle.
Um den Rechtsverkehr vor einer Identitätstäuschung über die Person des Ausstellers zu bewahren, ist auch der Gebrauch unechter Urkunden strafbar (§ 267 Abs. 1 Var. 3 StGB). Wegen des deutlich geringeren Strafrahmens ist der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB in Verbindung mit § 277 StGB, soweit eine unechte Urkunde verwendet wird (§ 277 Alt. 1 StGB), daher eine Privilegierung zu § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB.
Verfälschen anfänglich richtiger Urkunden
Umfassend geschützt ist der Rechtsverkehr nur vor dem Verfälschen einer zunächst inhaltlich richtigen Urkunde (§ 267 Abs. 1 Var 2 StGB) und vor dem Gebrauch einer gefälschten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Var. 3 StGB). Der Gebrauch verfälscher Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB in Verbindung mit § 277 Alt. 2 StGB ist Privilegierung zu § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB.
Anfänglich falsche Urkunden
Vor anfänglich falschen Urkunden wird der Rechtsverkehr nicht in gleicher Weise wie vor dem Verfälschen anfänglich richtiger Urkunden geschützt.
Ausstellen falscher Urkunden
Das Ausstellen einer von vorneherein inhaltlich falschen Urkunde wird grundsätzlich durch die Urkundsdelikte nicht erfasst. Dabei gilt es zu beachten, dass sehr häufig in dem Ausstellen einer inhaltlich falschen Urkunde auch die Errichtung einer unechten Urkunde zu sehen ist (zum Beispiel bei der Fälschung eines Berechtigungsausweises oder einer Fahrkarte eines Beförderungsunternehmens), was im Rahmen der Urkundenfälschung bestraft wird.
Beim Ausstellen einer inhaltlich falschen Urkunde gilt etwas anderes nur für einige Urkunden, die von einer Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sind (öffentliche Urkunde, § 415 ZPO). Die Strafbarkeit bei der Ausstellung inhaltlich falscher öffentlicher Urkunden ist zum Beispiel bei der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) und dem Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse durch Medizinalpersonen (§ 278 StGB) vorgesehen. Um auch Täter, die arglose Amtspersonen als Werkzeuge einer Falschbeurkundung öffentlicher Urkunden missbrauchen, bestrafen zu können, ist auch die mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) eingeführt worden.
Gebrauch falscher Urkunden
Der Gebrauch einer von vorneherein inhaltlich falschen Urkunde ist grundsätzlich ebenfalls straflos. Hierbei ist zu beachten, dass in sehr vielen Fällen inhaltlich falsche Urkunden auch unechte Urkunden sind (zum Beispiel bei gefälschten Berechtigungsausweisen, Pässen oder Fahrkarten). Die Verwendung unechter Urkunden ist als Urkundenfälschung strafbar. Ist die Urkunde lediglich von Beginn an falsch ausgestellt worden (inhaltlich), fällt dies nicht unter den Straftatbestand der Urkundenfälschung, geschützt ist nur die Echtheit der Urkunde (Also die Richtigkeit der Angabe, wer sie ausgestellt hat.).[2] Jedoch wird eine inhaltlich falsche Urkunde häufig zu Täuschungszwecken eingesetzt, so dass auch noch eine Strafbarkeit wegen Betrugs in Betracht kommt.
Bei amtlichen Ausweisen, aufenthaltsrechtlichen Papieren, Fahrzeugpapieren und Gesundheitszeugnissen sieht das Strafgesetzbuch schon den bloßen Gebrauch inhaltlich unrichtiger (echter) Urkunden als Straftat an. Bei anfänglich unrichtigen Gesundheitszeugnissen wird nach § 279 StGB in Verbindung mit § 278 StGB[3] jeder Gebrauch bestraft, der in der Absicht erfolgt, eine Versicherungsgesellschaft oder Behörde über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen. Die Einfuhr und Ausfuhr, das Verschaffen, Verfahren oder Überlassen eines Ausweises, aufenthaltsrechtlichen Papiers oder Fahrzeugpapiers, welches durch Falschbeurkundung im Amt oder mittelbare Falschbeurkundung anfänglich inhaltlich falsch war, in der Absicht dessen weiteren Gebrauch im zur Täuschung des Rechtsverkehrs zu ermöglichen, wird ebenfalls bestraft (§ 276, § 276a StGB).
Bestand einer Urkunde
Betreffend den Schutz des Bestandes einer Urkunde ist die Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung von Urkunden, bei welcher der Täter nicht alleine das Recht hat diese zum Beweis zu gebrauchen („gehört“), strafbar (Urkundenunterdrückung, § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Urkundenunterdrückung verletzt die Beweisführungsbefugnis eines anderen. Die Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung einer Urkunde, die dem Täter gehört, ist grundsätzlich straflos. Straflos ist auch der Gebrauch beschädigter Urkunden. Um bedenkliche Strafbarkeitslücken beim Bestandsschutz amtlicher Ausweise zu schließen, ist die Veränderung amtlicher Ausweise zur Täuschung im Rechtsverkehr generell unter Strafe gestellt worden (§ 273 StGB).
Sonstiges
Der Missbrauch von Ausweispapieren nach § 281 StGB berührt hingegen weder die Echtheit, die inhaltliche Wahrheit noch den substanziellen Bestand einer Urkunde. Er soll eine Täuschung des Rechtsverkehrs durch den Gebrauch eines Ausweises, Zeugnisses oder einer anderen Urkunde, die als Ausweis verwendet wird, durch einen Nichtberechtigten, bestrafen.
§ 275 StGB bestraft bereits Vorbereitungshandlungen zur Fälschung amtlicher Ausweise.
Siehe auch
Literatur
- Johannes Wessels (Begr.), Michael Hettinger: Strafrecht. Besondere Teil. Teil 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte. 27. Auflage. C. F. Müller Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-8114-1833-5 (Schwerpunkte 8/1).
Weblinks
- Literatur zum Urkundsdelikt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek