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Annette Kolb

From Wickepedia

Annette Kolb 1959, Foto von Barbara Niggl RadloffGrab auf dem Bogenhausener FriedhofAnnette Kolb, mit bürgerlichem Namen Anna Mathilde Kolb, (* 3. Februar 1870 in München; † 3. Dezember 1967 ebenda) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie setzte sich nachhaltig für den Frieden ein und erwarb sich Verdienste um die deutsch-französische Verständigung.

Leben

München, Händelstr. 1: Gedenktafel für Annette Kolb Annette Kolb war dritte Tochter des Münchner Gartenarchitekten Max Kolb und der Pariser Pianistin Sophie Danvin. Es prägten deutsch-französische Einflüsse ihr Leben und Werk. Ihr Vater war ein illegitimer Sprössling der Wittelsbacher. Verschiedenen Überlieferungen zufolge war entweder der spätere König Maximilian II oder Herzog Max Joseph in Bayern sein Vater. Im ersten Fall wäre der Vater Annette Kolbs ein Halbbruder von Ludwig II. gewesen, im zweiten Fall ein Halbbruder der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Die Großeltern mütterlicherseits waren ein bekanntes französisches Landschaftsmalerpaar: Félix und Constance Amelie Danvin. Annette Kolb wuchs in München auf und verbrachte erste Schuljahre in der Klosterschule Thurnfeld bei Hall in Tirol. Sie entdeckte ihre Lust am Schreiben und gab 1899 ihr erstes, von ihr selbst finanziertes Buch heraus.

Im Ersten Weltkrieg trat sie entschieden für den Pazifismus ein. Ein vehementes Plädoyer für die Anwendung von Vernunft und für eine europäische Völkerverständigung löste nach einem Vortrag in Dresden am 11. Januar 1915 Tumulte aus. Das Bayerische Kriegsministerium verhängte gegen sie 1916 „wegen pazifistischer Umtriebe“ eine Brief- und Reisesperre. Auf Betreiben von Walther Rathenau konnte Annette Kolb ins Schweizer Exil gehen.

1923 ließ sich die Schriftstellerin in Badenweiler nieder, wo ihr im Vorjahr die Architekten Paul Schmitthenner und Wilhelm Jost ein Wohnhaus errichtet hatten. In den zwanziger Jahren spielte sie eine bedeutende Rolle im deutschen Literaturleben. Einer ihrer frühesten und größten Förderer war der Schriftsteller, Verleger und Mäzen Alfred Walter Heymel.[1] Rilke war von ihren Romanen begeistert. Mit René Schickele, den sie seit 1914 kannte, ihrem Nachbarn in Badenweiler, einem Elsässer Schriftsteller und Befürworter deutsch-französischen Interessenausgleichs, verband sie eine Freundschaft bis zu seinem Tode im Jahr 1940. Im Jahr 1929 porträtierte die Literatin in einem Buch den französischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Aristide Briand.

Kolb nahm in den 1920er Jahren an Treffen des Cercle de Colpach teil, den Aline Mayrisch in Luxemburg führte. Mayrisch wollte damit kulturelle Begegnungen von Westeuropäern veranlassen und deutsch-französische Beziehungen fördern, als den Kern einer künftigen friedlichen, europäischen Einigung.

Im September 1932 erwarb Annette Kolb den Führerschein – mit 62 Jahren – und kaufte sich mit Hilfe von Bekannten einen kleinen Ford. 1933 emigrierte sie nach Paris und löste sich damit völlig vom Deutschland der Nationalsozialisten; diese hatten ihre Bücher öffentlich geächtet und verbrannt. 1936 wurde sie französische Staatsbürgerin. 1941 floh die 71-Jährige über Lissabon nach New York, hatte dort aber keinen beruflichen Erfolg. Nach dem Krieg lebte sie bis 1961 sowohl in Paris wie in München und Badenweiler. Ihren letzten Wohnsitz nahm sie in München. Annette Kolb war bis ins hohe Alter hinein literarisch, musikalisch, journalistisch und politisch aktiv. Ihr Grab befindet sich auf dem kleinen Bogenhausener Friedhof an der Neuberghauser Straße in München (Grab Mauer rechts Nr. 10). Der Nachlass – 23 Kassetten mit Korrespondenz u. a. – von Annette Kolb befindet sich in der Monacensia, einer Kombination aus Literaturarchiv und Forschungsbibliothek in München.[2]

Sonstiges

Kolb bestand bis zu ihrem Tod auf die Anrede Fräulein[3] und war bekannt für ihre extravaganten Hüte.[4]

Auszeichnungen und Ehrungen

Annette Kolb, Kohlezeichnung von Günter Rittner, 1965

Straßenbenennungen

In vielen deutschen Städten wurde Straßen nach ihr benannt, u. a.:

Werke

Gedenktafel für die deutschen und österreichischen Flüchtlinge in Sanary-sur-Mer, unter ihnen Annette Kolb

  • 1899: Kurze Aufsätze, ihr erstes Buch
  • 1906: L’Ame aux deux patries, gesammelte Feuilletonartikel
  • 1913: Das Exemplar, Roman
  • 1917: Briefe einer Deutsch-Französin
  • 1921: Zarastro. Westliche Tage, Erinnerungen an 1917/1918
  • 1924: Wera Njedin, Erzählungen und Skizzen
  • 1925: Spitzbögen, Novelle
  • 1928: Daphne Herbst, Roman
  • 1929: Versuch über Briand, Porträt des Staatsmannes
  • 1932: Beschwerdebuch, Essays
  • 1934: Die Schaukel, Roman
  • 1937: Mozart. Sein Leben., Biografie
  • 1941: Schubert. Sein Leben., Biografie
  • 1947: König Ludwig II. von Bayern und Richard Wagner, Skizzierung
  • Annette Kolbs Brille in der Monacensia1951: Präludium zu einem »Traumbuch«, in Die Neue Rundschau, Jg. 62, 1951, H. 1.[7]
  • 1954: Blätter in den Wind, Essays
  • 1960: Memento, Erinnerungen an die Emigration
  • 1964: Zeitbilder. Erinnerungen 1907–1964

Übersetzung und Herausgabe

  • 1910: Eine preußische Königstochter. Glanz und Elend am Hofe des Soldatenkönigs in den Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Aus dem Französischen. Mit Nachwort. (Neu herausgegeben von Annette Weber-Kellermann, Insel-Verlag, 1981)

Werkausgabe u. a.

  • Hiltrud und Günter Häntzschel (Hrsg.): Annette Kolb: Werke. 4 Bde. Wallstein, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3110-5
  • Annette Kolb, »Ich hätte dir noch so viel zu erzählen«: Briefe an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, S.Fischer 2019, ISBN 978-3-10-397422-5

Rezeption

Literatur

  • Sigrid Bauschinger: „Ein Kind ihrer Zeit: Annette Kolb“. In: Gerhard Peter Knapp (Hrsg.): Autoren damals und heute: Literaturgeschichtliche Beispiele veränderter Wirkungshorizonte (= Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Band 31–33, ISSN 0304-6257), Rodopi, 1991, S. 459–486.
  • Sigrid Bauschinger: Annette Kolb. In: Britta Jürgs (Hrsg.): Denn da ist nichts mehr, wie es die Natur gewollt. Portraits von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen um 1900. AvivA Verlag, Berlin, 2001, ISBN 3-932338-13-8, S. 281–295
  • Elazar Benyoetz: Annette Kolb und Israel. Lothar Stiehm Verlag, Heidelberg 1970.
  • Anke Buettner: Annette Kolb: „Ich habe etwas zu sagen“. Zum 150. Geburtstag der Münchner Femme des lettres, Pazifistin und Exilantin. In: Bibliotheksforum Bayern. Bd. 14 (2020), S. 52–55 (online).
  • Hiltrud HäntzschelKolb, Annette. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 438–440 (Digitalisat).
  • Vivian Liska: „Die Moderne – ein Weib.“ Am Beispiel von Romanen Ricarda Huchs und Annette Kolbs. A. Francke, Tübingen / Basel 2000, ISBN 3-7720-2751-2
  • Jürgen Schwalm: „Ich mußte es auf meine Weise sagen.“ Annette Kolb (1870–1967), Leben und Werk. Verlag Literarische Tradition, Bad Schwartau 2006, ISBN 3-86672-019-X.
  • Isabelle Stauffer: Weibliche Dandys, blickmächtige Femmes fragiles. Ironische Inszenierungen des Geschlechts im Fin de Siècle. Böhlau, Köln u. a. 2008. ISBN 978-3-412-20252-1. (Zu Kolbs Romanen Das Exemplar, Daphne Herbst und Die Schaukel sowie dem Essay Der neue Schlag.)
  • Armin Strohmeyr: Annette Kolb. Dichterin zwischen den Völkern. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002, ISBN 3-423-30868-0; Vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe: Piper, München 2017, ISBN 978-3-492-31217-2.
  • Charlotte Marlo Werner: Annette Kolb. Eine literarische Stimme Europas. Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 2000, ISBN 3-89741-037-0.

Weblinks

Commons: Annette Kolb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Annette Kolb, »Ich hätte dir noch so viel zu erzählen«: Briefe an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, S.Fischer 2019, ISBN 978-3-10-397422-5
  2. Elisabeth Tworek: Literatur im Archiv. Bestände der Monacensia. München 2002, S. 77
  3. Claudia Fromme: Hallöchen! (Süddeutsche Zeitung 15. Januar 2022)
  4. deutschlandfunk.de: Annette Kolb vor 150 Jahren geboren - Die Frau mit der spitzen Feder, die nie heiraten wollte. Abgerufen am 27. Juli 2022.
  5. kulturkreis.eu: 1953-1989 Förderpreise, Ehrengaben
  6. 6.0 6.1 Badische Zeitung: 50. Todesjahr der Ehrenbürgerin Badenweiler Annette Kolb - Badenweiler - Badische Zeitung. (badische-zeitung.de [abgerufen am 5. November 2017]).
  7. Auszug: Nach einem vergnügten Abend, einem Gartenfest, musste jedes Mädchen seine Lieblingsbeschäftigung nennen. "Lachen!" rief ich. Der Mond stand am Himmel und wir waren alle sehr jung. Ich war entzückend gewesen, wenigstens kam es mir so vor. Mein Leben versprach interessant und genussreich zu verlaufen, warum auch nicht? "Sei nicht kleinlaut", sagte ich nachträglich zu meinem Bild im Spiegel. Der Text ist als Fragment von ca. 10 S., erhalten in ihrem Nachlass in der Münchner Stadtbibliothek. Die Autorin hielt ihn 1962 nicht für gut genug, um wieder publiziert zu werden. (Laut Vorwort von Rolf Hochhuth zu: Deutsche Erzähler des 20. Jahrhunderts, Band 1, Bertelsmann 1963, S. 9)
  8. Dorothee Philipp: "Ein Kolb-Erlebnisraum". (badische-zeitung.de [abgerufen am 7. November 2017]).