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NZB-Begründung, 28. November 2022

From Wickepedia
Doc:20221128-bsg-083

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[ 1 ][..], München

Bundessozialgericht Graf-Bernadotte-Platz 5 34119 Kassel

Datum: München, 28. November 2022

Nur per ERV

Az. B 1 KR 83/22 B

In dem Rechtsstreit

[..]

gegen

Techniker Krankenkasse

begründen wir die Nichtzulassungsbeschwerde vom 26.09.2022 fristgerecht wie folgt:

Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.08.2022, so wie es dem Kläger am 27.08.2022 per Postzustellungsurkunde mit der Überschrift „Beglaubigte Abschrift“ zugestellt wurde (siehe Anlage zum Schriftsatz vom 27.09.2022). Darin heißt es in Tenor-Ziffer I.

„Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2021, Az. S 12 KR 2059/20, wird zurückgewiesen.“

Gemäß Tenor-Ziffer III. dieses schriftlichen Urteils, das sich in der LSG-Akte unter Bl. 276 ff. in „Urschrift“ befindet, heißt es:

„Die Revision wird nicht zugelassen.“ [ 2 ]

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, die auf diverse

- Verfahrensmängel (nachfolgend Ziffer I.) und
- Divergenz (nachfolgend Ziffer II.)

gestützt wird.

I. Verfahrensmängel

Der Kläger rügt als Verfahrensmängel, auf denen das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts jeweils beruhen kann (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1 SGG), die Verletzung der Vorschriften über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 153 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 124 Abs. 1, 125 SGG), den rechtswidrigen Erlass eines Berichtigungsbeschlusses (§ 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 138 SGG), Verstöße gegen das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG), die willkürliche Ablehnung eines Aussetzungsantrags (§ 114 SGG, Art. 3 Abs. 1 GG) sowie die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 GG) und das teilweise Entbehren der Entscheidungsgründe im Urteil (§ 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG).

1. Urteil ohne mündliche Verhandlung

Das angegriffene Urteil gemäß Bl. 276 ff. der LSG-Akte erging nicht aufgrund mündlicher Verhandlung.

Es liegt ein Verstoß gegen § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 124 Abs. 1, 125 SGG vor, wonach Urteile auf Grund mündlicher Verhandlung zu ergehen haben. Dies gilt erst recht, wenn erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, dem keine mündliche Verhandlung vorauszugehen hatte, und folgt deshalb nicht zuletzt aus Art. 6 Abs. 1 MRK, aus dem abzuleiten ist, dass das Recht auf ein faires Verfahren mindestens eine verpflichtende mündliche Verhandlung während des Instanzenzugs voraussetzt.

Im schriftlich abgefassten Urteil vom 10.08.2022 (Bl. 276 ff. der LSGAkte), das Gegenstand der hiesigen Nichtzulassungsbeschwerde ist, trifft die einleitende Feststellung nicht zu, dass der nachfolgend niedergeschriebene Tenor, Ziffer I., „auf die mündliche Verhandlung in München am 10. August 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Hesral, die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Kunz und die Richterin am [ 3 ]Bayer. Landessozialgericht Dr. Reich-Malter sowie die ehrenamtlichen Richter Wildenauer und Hamel“ ergangen sei.

Als Gegenbeweis wird auf das am Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.08.2022 tatsächlich verkündete Urteil gemäß Bl. 235 der LSG-Akte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, Bl. 238 der LSG-Akte, verwiesen.

Das nur vom Vorsitzenden unterzeichnete, am Schluss der mündlichen Verhandlung von diesem im Beisein der beisitzenden und ehrenamtlichen Richterinnen und Richter durch Verlesung der Urteilsformel „im Namen des Volkes“ verkündete Urteil hatte wie folgt gelautet (vgl. Bl. 235 der LSG-Akte):

L 12 KR 202/22

Im Namen des Volkes ergeht folgendes

Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts

München vom 4. Mai 2021, Az. L 12 KR 202/22, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.“
[Unterstreichung durch Verfasser]

Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2022, welches vom Vorsitzenden Dr. Hesral allein und der Urkundsbeamten Wagner unterzeichnet ist, heißt es hiervon wiederum abweichend, es sei „im Namen des Volkes“ folgendes Urteil verkündet worden:

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts

München vom 4. Mai 2021, Az.: 12 KR 202/22, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.“

[Unterstreichung durch Verfasser]

Wie bereits ausgeführt, wurde dem Kläger nunmehr per PZU am 27.08.2022 ein schriftlich abgefasstes Urteil, das von den Senatsmitgliedern Dr. Hesral, Kunz und Dr. Reich-Malter unterzeichnet ist, in beglaubigter Abschrift zugestellt, welches folgenden Tenor aufweist:

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2021, Az.: S 12 KR 2059/20, wird zurückgewiesen. [ 4 ]
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.“
[Unterstreichung durch Verfasser]

Die mit der Überschrift „Beglaubigte Abschrift“ zugestellte Abschrift stimmt insoweit mit der Urschrift gem. Bl. 276 ff. in der LSG-Akte überein. Ein Urteil mit dem in der Urschrift gem. Bl. 276 ff. der LSG-Akte beinhalteten Tenor wurde am 10.08.2022 allerdings von den erkennenden Richtern am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gesprochen. Der Tenor des schriftlich abgefassten Urteils, welches sich in Urschrift auf Bl. 276 ff. der LSG-Akte in der Gerichtsakte befindet, und welches dem Kläger als „Beglaubigte Abschrift“ zugestellt wurde, weicht von dem am 10.08.2022 ausweislich des vom Vorsitzenden unterzeichneten Urteilstenors (Bl. 235 der LSG-Akte) und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2022 (Bl. 238 der LSG-Akte) ab.

Es existieren somit drei unterschiedliche Urteils-Tenore. Hierbei von Interesse ist im hiesigen Verfahren lediglich die dem Kläger zugestellte schriftliche Urteilsabfassung mit Zugang am 27.08.2022. Der dort wiedergegebene Urteils-Tenor war nicht im Rahmen oder aufgrund einer mündlichen Verhandlung am 10.08.2022 verkündet worden. Demzufolge verstößt das in der LSG-Akte auf Bl. 276 ff. sich befindende schriftliche Urteil gegen § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 124 Abs. 1, 125 SGG.

Hieran vermag auch der in der LSG-Akte unter Bl. 313 vorzufindende, vom Vorsitzenden allein erlassene Berichtigungsbeschluss vom 25.08.2022 nichts zu ändern. Ein am Schluss einer mündlichen Verhandlung mündlich verkündetes (gesprochenes) Urteil ist der späteren Korrektur auf dem Wege des § 138 SGG durch den Vorsitzenden allein nicht zugänglich. Vorliegend wird auch schon nicht deutlich, welchen Gegenstand der Beschluss des Vorsitzenden vom 25.08.2022 vorliegend „berichtigt“. Dort heißt es: „Das Urteil vom 10.08.2022 wird dahingehend berichtigt, dass in Ziffer I. des Tenors die Worte … ersetzt werden“.

Der Berichtigungsbeschluss wäre gem. § 138 S. 3 SGG „auf dem Urteil“ zu vermerken. Ein Vermerk „auf dem Urteil“ findet sich aber in der hier zur Akteneinsicht überlassenen Gerichtsakte des Bayer. Landessozialgerichts nicht. Ein unrichtiges, schriftlich abgefasstes Urteil, wie es sich auf Bl. 276 ff. der LSG-Akte befindet, findet sich in der Gerichtsakte mit der vom Vorsitzenden in dessen Berichtigungsbeschluss vom 25.08.2022 genannten „Unrichtigkeit“ nicht, denn auf Bl. 276 der LSG-Akte ist nicht das Az. L 12 KR 202/22 in Tenor-Ziffer I. erwähnt, sondern das Az. S 12 KR 2059/20. Demzufolge [ 5 ]bedarf es hierfür keiner Berichtigung und der Beschluss des Vorsitzenden vom 25.08.2022 geht ins Leere. Er wurde offensichtlich nach der schriftlichen Abfassung und Unterzeichnung der „Urschrift“ des hier angegriffenen schriftlichen Urteils vom 10.08.2022 gem. Bl. 276 ff. der LSG-Akte erlassen, weil er in der Gerichtsakte (weit) hinter der Urschrift des Urteils erst auf Bl. 313 der LSG-Akte eingefügt ist.

Eine Berichtigung des am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündeten Urteils vom 10.08.2022 (Bl. 235, 238 d. LSG-Akte) durch Beschluss vom 25.08.2022 kommt nicht in Betracht, weil dies das Ergebnis der Urteilsberatungen nicht widerspiegelt. Ausweislich der Unterschrift des Vorsitzenden auf Bl. 235 der LSG-Akte ist der dort genannte Urteilstenor das Ergebnis der Beratungen mit den ehrenamtlichen Richtern. Würde man in derartigen Fällen eine Berichtigung des Urteilstenors durch bloßen Beschluss durch den Vorsitzenden gem. § 138 SGG zulassen, bestünde stets die Gefahr, dass sich das Gericht nachträglich von seiner Entscheidung distanziert oder ihr etwas hinzufügt, was nicht Gegenstand der Beratung gewesen ist. Dies ist insbesondere in Verfahren zu vermeiden, an denen – wie hier – ehrenamtliche Richter beteiligt sind, die im Verfahren vor dem Landessozialgericht – anders als bei § 170a SGG – das schriftlich abgefasste Urteil gerade nicht unterzeichnen und vorab nicht noch einmal zur Kenntnisnahme vorgelegt erhalten. In diesem Fall besteht stets die Gefahr, dass im Nachhinein durch die schriftliche Urteilsabfassung die Entscheidung des Gerichts am Ende der Beratungen verändert wird. Zu bedenken ist hierbei auch, dass die Beratung des Gerichts vor der mündlichen Urteilsverkündung nicht protokolliert wird.

Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Über sie war keine urteilsbezogene mündliche Verhandlung vorausgegangen. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der (nur) in der Urschrift des Urteils gem. Bl. 276 ff. der LSG-Akte enthaltenen Urteilsformel das Ergebnis der Beratungen und damit das Ergebnis des Berufungsverfahrens für den Kläger ein anderes gewesen wäre, wenn über das hier angegriffene Urteil eine mündliche Verhandlung tatsächlich vorausgegangen wäre.

Bei der „Urschrift“ des Urteils vom 10.08.2022 in der Gerichtsakte gemäß Bl. 276 ff. der LSG-Akte handelt es sich zudem um ein Schein-Urteil, das in dieser Form niemals mündlich verkündet worden war und an dessen UrteilsTenor die ehrenamtlichen Richter zu keinem Zeitpunkt je beteiligt wurden. Es divergiert mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und dem UrteilsTenor gemäß Bl. 235, 238 der LSG-Akte, ist allein schon deshalb aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. [ 6 ]

2. Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (I)

Das angegriffene Urteil wurde vorliegend von den Mitgliedern des 12. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts erlassen, obwohl das Berufungsverfahren vorliegend laut Geschäftsverteilungsplan dem 5. Senat zuzuordnen gewesen wäre.

Der Kläger hat sich seit Beginn des Berufungsverfahrens (Einlegung der Berufung durch Berufungsschrift vom 04.05.2022, Bl. 1 ff. der LSG-Akte) in vielfältiger Weise darum bemüht, vom Geschäftsverteilungsplan des BayLSG für das Geschäftsjahr 2022 eine Ablichtung zu erhalten, damit er dessen Wortlaut hier sicher zutreffend wiedergeben und nötigenfalls auch beweisen kann. Dies wurde ihm durchgehend verwehrt, was aktenkundig in der LSGAkte ist; bewilligt wurde dem Kläger stets nur die Vor-Ort-Einsichtnahme in den Geschäftsverteilungsplan. Auswendig gelernt hat der schwerstbehinderte Kläger den Text des Geschäftsverteilungsplans hingegen nicht. Auch auf dem Verwaltungsrechtsweg mittels Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist es dem Kläger nicht gelungen, Ablichtungen der Texte zu erhalten (vgl. Beschluss des VG München vom 23.11.2022, Az. M 30 E 22.5756, Anlage R 1; Ablehnungsschreiben des PräsLSG Kolbe vom 20.10.2022, Anlage R 2).

Es stellt eine „Waffenungleichheit“ dar und genügt nicht, wenn der Senat darauf hinweist, die „Einsichtnahme“ in den Geschäftsverteilungsplan sei jederzeit auf der Geschäftsstelle möglich, wenn die im hiesigen Zusammenhang interessierenden Regelungen derart komplex und umfassend sind, dass zwar der Senat hieraus im schriftlichen Urteil auf Seite 10 (Bl. 285 der LSGAkte) ausführlichst daraus zitieren kann, während dem Kläger es nicht ermöglicht wird, eine Ablichtung des Geschäftsverteilungsplans zur Wahrnehmung seiner Rechte zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund ist es leider im Rahmen des hiesigen Verfahrens unmöglich, dem Bundessozialgericht den maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan des Jahres 2022, der bei Einlegung der Berufung am 04.05.2022 gegolten hatte, zu Beweiszwecken vorzulegen. Die hier maßgeblichen Bestimmungen im Geschäftsverteilungsplan des Landessozialgerichts dürften jedoch auch im Jahr 2022 wie folgt gelautet haben:

„Vl. Zuständigkeit der Senate in Sonderfällen:

1. a) Ist ein Verfahren (Berufung, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Beschwerden wegen einstweiligen Rechtsschutzes, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Festsetzung des Gegenstandswerts oder Erstattung von Kosten nach § 109 SGG, Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - einschließlich des Antrags auf Aussetzung der Vollstreckung [ 7 ]oder auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe) anhängig und geht ein weiteres Verfahren desselben Klägers (seiner Rechtsnachfolger oder Hinterbliebenen), der nicht Leistungsträger nach § 12 SGB list, gegen denselben Beklagten oder ein Verfahren des Beklagten gegen denselben Kläger (seine Rechtsnachfolger oder Hinterbliebenen) ein, dann fällt das weitere Verfahren dem Senat zu, bei dem das erste Verfahren anhängig ist. Dies gilt nicht, soweit Streitsachen aus einem besonderen Fachgebiet einem bestimmten Senat zugewiesen sind. Die Zuständigkeitsregelung nach Satz 1 gilt auch für Berufungen oder Nichtzulassungsbeschwerden, die sämtliche als Rechtsgrund Hinterbliebenenrentenansprüche nach demselben Verstorbenen zum Gegenstand haben. …

b)

Wird aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde die Berufung zugelassen, wird das Verfahren als Berufungsverfahren unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens im bisherigen Senat fortgesetzt.

2. a) Gelangt eine Berufungs- oder Beschwerdesache nach Zurückverweisung an das Sozialgericht erneut an das Bayer. Landessozialgericht oder

b) wird eine Streitsache vom Bundessozialgericht an das Bayer. Landessozialgericht zurückverwiesen oder

c) wird ein Antrag auf Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigesBerufungsurteil abgeschlossenen Verfahrens gestellt oder

d) wird ein gerichtlicher Vergleich, eine Zurücknahme der Berufung oder Beschwerde, ein Anerkenntnis oder dessen Annahme angefochten -oder

e) wird ein Verfahren, dessen Ruhen angeordnet oder das unterbrochen worden ist, nach Austragung aus dem Prozessregister fortgesetzt, dann ist für die Bearbeitung und Entscheidung der Senat zuständig, der die Nummer des Senats trägt, bei dem die Sache zuletzt anhängig war, auch wenn dieser Senat personell anders besetzt ist.

Die durch diese Regelung begründete Zuständigkeit eines Senats wird durch eine spätere Neuverteilung von Aufgaben unter Senates, die für dasselbe Fachgebiet zuständig sind, nicht berührt.

Besteht der nach dieser Regelung zuständige Senat nicht mehr oder ist er für das betreffende Fachgebiet nicht mehr zuständig, dann fällt die Streitsache dem Senat zu, der nach Ziff. l zuständig ist; die Angelegenheiten der Allgemeinen Rentenversicherung gelten als besondere Fachgebiete.“

Der Unterzeichner entnahm diesen Wortlaut dem Geschäftsverteilungsplan des Bayerischen Landessozialgerichts aus einem vor dem Jahr 2022 liegenden Kalenderjahr. Das Urteil nimmt auf Seite 10 (Bl. 285 der LSG-Akte) selbst auf Ziffer VI. Nr. 1. a) des Geschäftsverteilungsplans von 2022 Bezug [ 8 ]und es ergibt sich aus dem Gesamtkontext, dass die oben zitierte Regelung weiterhin auch im Geschäftsverteilungsplan 2022 galt. Aus der persönlichen Einsichtnahme des Klägers in den Geschäftsverteilungsplan 2022 auf der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts bestätigt sich, dass diese Regelungen im Geschäftsverteilungsplan 2022 wörtlich oder sinngemäß wie oben dargestellt galten.

Der Kläger hatte den 12. Senat seit der Berufungseinlegung mehrfach zur Prüfung seiner Zuständigkeit aufgefordert und hierbei stets darauf hingewiesen, dass er mit Schriftsatz vom 02.04.2022 die Wiederaufnahme des Verfahrens L 5 KR 403/21 B ER beim Bayerischen Landessozialgericht gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 578 ff. ZPO beantragt hatte. Eine Kopie der Wiederaufnahmeklage und der Zugangsnachweis beim Bayer. Landessozialgericht über De-Mail am 03.04.2022 um 0:37 Uhr befinden sich auf Bl. 318 Rückseite ff. der LSG-Akte. Es handelt sich bei dem Verfahren [[L 5 KR 403/12 B ER]] um ein Verfahren, das auf Aktiv- und Passivseite jeweils denselben Personenkreis wie in dem hiesigen Klageverfahren betrifft.

Unter willkürlicher Missachtung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör geht das schriftlich abgefasste Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 10.08.2022 auf diesen Aspekt an keiner einzigen Stelle ein. Es hätte allerdings nahegelegen, diesbezüglich die Verfahrensakte L 5 KR 403/21 B ER beizuziehen, um zu überprüfen, ob dort die Wiederaufnahmeklage des Klägers vom 02.04.2022 zur Akte genommen wurde und ob über sie bei Einlegung der Berufung am 04.05.2022 noch nicht abschließend entschieden war, anstatt sich nur auf eine aktenkundige EDV-technisch erstellte Verfahrensliste zu verlassen, in der das Verfahren L 5 KR 403/21 B ER als „erledigt“ am 10.01.2022 gekennzeichnet war, was bereits aufgrund des Vortrags des Klägers in mehreren Schriftsätzen vom 14.06.2022 (Bl. 56 der LSG-Akte) und 25.07.2022 (Bl. 114 der LSG-Akte) sowie in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens nicht zutreffend sein konnte, wenn die Wiederaufnahmeklage zeitlich nach dem 10.01.2022, nämlich am 02./03.04.2022 eingereicht wurde. Im Hinblick auf den nachweislichen Zugang beim BayLSG am 03.04.2022 per De-Mail war diese Klage somit beim 5. Senat seit dem 03.04.2022 rechtshängig.

Der Geschäftsverteilungsplan sieht bei Wiederaufnahmeklagen vor, dass die Wiederaufnahmeklage zwingend dem vorbefassten 5. Senat zuzuordnen ist (Ziffer VI. Nr. 2. c) des Geschäftsverteilungsplans). Dann folgt aber aus Ziffer VI. Nr. 1. a) des Geschäftsverteilungsplans ebenso zwingend, dass auch das hier am 04.05.2022 anhängig gemachte Berufungsverfahren dem 5. und nicht dem 12. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts zuzuordnen ist. [ 9 ]Der 5. Senat ist auch im Jahr 2022 nach wie vor existent und für Krankenversicherungsangelegenheiten beim Bayer. Landessozialgericht zuständig.

Der 12. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat somit seine Zuständigkeit im hiesigen Kontext unter Az. L 12 KR 202/22 willkürlich bejaht. Er hat die Augen vor dem Tatsachenvortrag des Klägers zur Rechtshängigkeit der Wiederaufnahmeklage vom 02./03.04.2022 verschlossen. Den Eingang der Wiederaufnahmeklage des Klägers vom 02.04.2022 hätte der 12. Senat ebenso leicht durch Abfrage der elektronisch vom Kläger empfangenen DeMail-Nachrichten vom 03.04.2022 eruieren können, was im Hinblick auf § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 103 S. 1 SGG auf der Hand gelegen hätte, nachdem der Kläger auf diesen Vorgang unter anderem in seinen Schriftsätzen vom 14.06.2022 (Bl. 56 der LSG-Akte) und 25.07.2022 (Bl. 114 der LSGAkte) mehrfach hingewiesen hatte.

Über die Berufung des Klägers vom 04.05.2022 hätte vorliegend demzufolge eindeutig der 5. Senat und nicht der 12. Senat beim Bayer. Landessozialgericht zu entscheiden gehabt. Dem Kläger wurde der gesetzliche Richter entzogen. Die Richterbank im Urteil vom 10.08.2022 war nicht vorschriftsgemäß besetzt. Dies stellt gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einen Nichtigkeitsgrund dar und ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde als schwerer Verfahrensfehler entsprechend § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 547 Nr. 1 ZPO zu rügen, auf dem die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Urteils stets ohne nähere Prüfung beruht.

3. Willkürliche Ablehnung des Aussetzungsantrags vom 09.06.2022

In dem angegriffenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.05.2021, Az. S 12 KR 2059/20, hatte der Kläger sinngemäß seine Rechte auf Leistung des Arzneimittels Exjade weiterverfolgt, nachdem die Beklagte dies durch Bescheid vom 24.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2020 abgelehnt hatte.

Die Klage des Klägers vom 26.12.2020 in dem Verfahren S 12 KR 2059/20, welches dem hier angegriffenen Berufungsurteil zugrunde liegt, verwarf das Sozialgericht als unzulässig mit der Begründung, es stünde ihr ein rechtskräftiger Gerichtsbescheid des SG München vom 22.03.2021 aus dem anderweitigen Klageverfahren mit Aktenzeichen S 12 KR 1268/20, der denselben Streitgegenstand betroffen habe, entgegen. Dieser Ansicht schloss sich das Berufungsgericht im hier angegriffenen Berufungsurteil vom 10.08.2022 an und bestätigte hierdurch sinngemäß die Unzulässigkeit der Klage S 12 KR 2059/20 als solche. [ 10 ]Der Kläger hatte im Berufungsverfahren im Schriftsatz vom 09.06.2022 auf S. 2 f. (Bl. 47 f. der LSG-Akte) darauf hingewiesen, dass er gegen den Gerichtsbescheid vom 26.12.2020, Az. S 12 KR 1268/20, Nichtigkeitsklage beim Sozialgericht München unter Az. S 18 KR 32/22 erhoben habe. Im Rahmen der Nichtigkeitsklage ist über den dortigen Verfahrensgegenstand erneut zu verhandeln (§ 590 ZPO), soweit die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe durchgreifen.

Es entspräche deshalb der Prozessökonomie, das hiesige Berufungsverfahren, welches vom Ausgang der Nichtigkeitsklage S 18 KR 32/22 abhängig ist, weil die Zulässigkeit der Klage auf die Rechtskraft des dort angegriffenen Gerichtsbescheids gestützt wurde, bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gem. § 114 SGG auszusetzen. Einen entsprechenden Antrag auf Aussetzung stellte der Kläger durch Schriftsatz vom 09.06.2022.

Das Bayer. LSG hat sich mit dem Aussetzungsantrag des Klägers vom 09.06.2022 insoweit befasst, als es sich beim Sozialgericht München nach dem Fortschritt und einer möglichen Entscheidung des Sozialgerichts in diesem Nichtigkeitsverfahren erkundigt hatte (vgl. Schreiben des BayLSG an SG München vom 27.06.2022, Bl. 66 der LSG-Akte; Verfügung vom 03.08.2022, Bl. 127 der LSG-Akte). Offensichtlich sah es das Bayer. Landessozialgericht, welches sehr rasch nach Berufungseinlegung am 04.05.2022 innerhalb von nur zwei Monaten (später drei Monaten, weil der Kläger beim ersten anberaumten Verhandlungstermin verhindert war) über die Berufung des Klägers entscheiden wollte, ohne dass vor der Terminsladung überhaupt die Gerichtsakten der Vorinstanz beim BayLSG eingegangen waren, geschweige denn der Kläger Gelegenheit hatte, seine schriftliche Berufungsbegründung einzureichen, ebenfalls als opportun an, den Ausgang des Klageverfahrens S 18 KR 32/22 beim Sozialgericht München abzuwarten, bevor eine Entscheidung im hier gegenständlichen Berufungsverfahren ergeht.

Das Urteil vom 10.08.2022 geht auf den Aussetzungsantrag des Klägers in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort ein. Die Stattgabe des Aussetzungsantrags lag allerdings auf der Hand und wäre bei zutreffender Würdigung zwingend gewesen. Dessen implizite Ablehnung im angegriffenen Urteil ist willkürlich gem. Art. 3 Abs. 1 GG, weil ansonsten auch keine Anfragen des 12. Senats des BayLSG beim SG München nach dem Verfahrensstand der (unerledigten) Nichtigkeitsklage S 18 KR 32/22 erforderlich gewesen wäre, und stellt somit einen Verfahrensfehler dar. Auf ihm beruht die Entscheidung vom 10.08.2022, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre, insbesondere anstelle eines – dem Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid fol[ 11 ]genden – Prozessurteils zu einem Sachurteil gekommen wäre, wenn es bei ausgesetztem Berufungsverfahren die Entscheidung des SG München über die Nichtigkeitsklage abgewartet hätte. Gründe für eine besondere Verfahrensbeschleunigung zulasten des Klägers im Berufungsverfahren [[L 12 KR 202/22]] sind keine ersichtlich.

Insofern ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen des Bayer. Landessozialgerichts hilfsweise zur Unbegründetheit der Klage insoweit nicht zutreffen, als der Kläger nach der abrupten Beendigung seiner „Familienangehörigen-Mitgliedschaft“ bei der Beklagten zum 30.09.2020 keinen Sachleistungsanspruch auf das geltend gemachte Arzneimittel mehr haben solle, wenn der Versicherungsfall während der laufenden Mitgliedschaftszeit bereits eingetreten ist. Denn der Kläger wechselte nach Beendigung seiner Familienversicherung ab dem 01.10.2020 in eine private Krankenversicherung. Diese ist jedoch grundsätzlich nur leistungspflichtig für Versicherungsfälle, die während der dortigen Versicherungszeit eintreten. Der Kläger war jedoch bereits vor dem 01.10.2020 erkrankt und bedarf des hier geltend gemachten Arzneimittels aufgrund des vor dem 01.10.2020 eingetretenen „Versicherungsfalls“. Der Kläger unterliegt somit einer besonderen Schutzbedürftigkeit, die ihm weiterhin Leistungen der Beklagten zusichern muss, weil der Kläger ansonsten Gefahr läuft, ohne Krankenversicherungsschutz sich aus eigener Tasche selbst versorgen zu müssen. Im Fall der besonderen Schutzbedürftigkeit hat auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 18.05.2011, Az. B 3 KR 7/10 R, die fortdauernde Leistungsverpflichtung der (früheren) gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt. Andernfalls wäre der Kläger schutzlos. Näheres hierzu auch unter Ziffer II. unten.

4. Willkürliche Ablehnung des Befangenheitsgesuchs vom 02.08.2022, Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (II)

Der Kläger stellte am 02.08.2022 einen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden des 12. Senats, Dr. Hesral, und die Berichterstatterin in diesem Berufungsverfahren, Dr. Reich-Malter, wie folgt (Bl. 145 Rückseite ff. der LSGAkte, dort Ziffer XIV.):

„Im Ergebnis folgt aus den absehbaren Verletzungen der Rechte des Klägers die Besorgnis der Befangenheit.

Befangenheit zu vermuten ist jeweils beim Vorsitzenden sowie beim Berichterstatter, aufgrund deren jeweiliger Rollen. Gegen diesen beiden ist daher, ohne Kenntnis von deren Identitäten, ein Ablehnungsgesuch zu richten.

Zunächst hatte der Senat nicht eine angekündigte Berufungsbegründung abgewartet. Einer Wahrung prozessualer Fürsorgepflicht hatte es entsprochen, [ 12 ]den Kläger daran zu erinnern. Tatsächlich war diese aufgrund von Erkrankung im Entwurfsstadium verblieben.

Ganz offensichtlich wünscht der Senat keinerlei Auseinandersetzung mit den schwerwiegenden Verfahrensfehlern in den Verfahren, auf welche die angegriffene Entscheidung Bezug nimmt. Die Formulierung der Begründung war zwar so gewählt daß sich diese nicht erkennbar auf eine andere Entscheidung stützt, tatsächlich ist dies aber der Fall Das behauptete Rechtsprinzip daß der Zeitpunkt einer späteren Entscheidung für einen Anspruch maßgeblich sei ist erkennbar ein Lösungsansatz als Folge der Beschwerde zur Az. S 12 KR 1265/20 ER trotz unterlassener Rechtsmittelbelehrung.

Die Beiziehung weiterer Akten, um anhand dieser über den Hergang der Verfahren und damit auch das Entstehen der Vorentscheidung vorzutragen, verweigert der Senat ohne Gründe dafür zu nennen. Ob es sich dabei um eine Entscheidung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters handelt ist unklar.

Auch verweigert der Senat Amtsermittlung zur Frage, ob eine wesentliche Vorentscheidung jemals wirksam inkraftgesetzt wurde. Anhand der Verfahrensakte in Papierform scheint dies der Fall, die elektronische Akte dürfte abweichendes zeigen. Diese ist nur dem Senat zugänglich aber nicht dem Kläger. Im Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, und bei fehlendem Gerichtssiegel wurde nach keiner möglichen Interpretation der ZPO zugestellt.

Auch dies zu ermitteln ist Aufgabe des Berichterstatters., so es für das Verfahren von Bedeutung ist. Dies trifft hier zu, denn das Kartenhaus der Gerichte stützt sich letztlich auf eine objektiv nicht wirksam inkraft gesetzte Entscheidung.

In Bezug auf die Besetzung des Gerichts nimmt der Senat in Kauf daß diese für den Kläger nicht überprüfbar ist. Einsichtnahme in die Geschäftsverteilungspläne ist voraussetzungsloses Jedermannsrecht, ohne Ablichtung ist die wirksame Wahrnehmung von Rechten unmöglich, gemeinsam mit der Nichtigkeitsklage sind die Dokumente vorzulegen. Wider bessern Wissens meint Gerichtspräsident Kolbe diese an Bedingungen knüpfen zu können und vollendet damit ein Nötigungsdelikt. Der Senat hat davon Kenntnis, denn das Antwortschreiben von Kolbe ist im Schreiben des Vorsitzenden ausdrücklich erwähnt. Seine Nötigung begründet Kolbe mit Bezugnahme auf einen verfahrensfremden Sachverhalt. Als seine Absicht ist dabei erkennbar auch diesen Senat zu beeinflussen und zur Willkür zu verleiten. Kolbe hat auf diese Weise mindestens den Vorsitzenden mit Befangenheit, oder zumindest der Besorgnis darüber, kontaminiert. …“

Über diesen Befangenheitsantrag wurde durch Beschluss vom 08.08.2022 (Bl. 159 ff. der LSG-Akte) willkürlich entschieden, sodass hierauf ausnahmsweise eine Verfahrens- bzw. Besetzungsrüge gestützt werden kann. [ 13 ]Die Willkürlichkeit der Entscheidung und der Umstand, dass die über den Befangenheitsantrag entscheidenden Richterinnen Kunz, Regelin und Hentrich es darauf anlegten, den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit dem Befangenheitsverfahren wissentlich und willentlich abzuschneiden, ergeben sich mitunter daraus, dass über den Befangenheitsantrag rasch vor der anberaumten mündlichen Verhandlung vom 10.08.2022 am 08.08.2022 durch Beschluss entschieden werden sollte, ohne im Vorfeld hierfür das ansonsten übliche „AB“-Aktenzeichen für Befangenheitsanträge beim Bayer. Landessozialgericht über die Registratur einzuholen und dem Kläger die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter vor Entscheidung über den Befangenheitsantrag zur eventuellen Stellungnahme vorzulegen.

Im Befangenheitsverfahren gaben der abgelehnte Richter Dr. Hesral und die abgelehnte Richterin Dr. Reich-Malter jeweils am 04.08.2022 dienstliche Stellungnahmen ab (Bl. 151, 152 der LSG-Akte). Diese wurden dem Kläger entgegen § 128 Abs. 2 SGG analog, Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) vor der Entscheidungsfindung durch Beschluss vom 08.08.2022 nicht zur Kenntnis gegeben, obwohl der Beschluss über den Befangenheitsantrag vom 08.08.2022 ausdrücklich auf die beiden dienstlichen Stellungnahmen Bezug genommen hatte und sich möglicherweise aus diesen selbst wiederum neue Befangenheitsgründe aus Sicht der Klägers ergeben hatten. In dem Beschluss vom 08.08.2022 heißt es auf Seite 2 (Bl. 162 der LSG-Akte):

„Die dienstlichen Stellungnahmen sind den Beteiligten zugeleitet worden.“

Diese „Zuleitung“ fand ausweislich der Gerichtsakten mit Schreiben vom 08.08.2022 (Bl. 153 der LSG-Akte), also dem Tag des Erlasses der Entscheidung über die Befangenheitsanträge, per Briefpost statt, sodass der Kläger keinerlei Möglichkeit hatte, zu den dienstlichen Stellungnahmen noch vor Erlass des Beschlusses vom 08.08.2022 Stellung zu nehmen. Dass die dienstlichen Stellungnahmen für den Kläger vor Erlass der Entscheidung über dessen Befangenheitsanträge vom 02.08.2022 wichtig waren, nimmt indes auch der Senat in seiner Vertretungszusammensetzung an, andernfalls er es nicht für besonders wichtig erachtet hätte, die Zuleitung der dienstlichen Stellungnahmen an den Kläger im Beschluss vom 08.08.2022 ausdrücklich zu erwähnen. Der Senat wusste überdies, dass die dienstlichen Stellungnahmen beim Kläger nicht vor dem Erlass des Beschlusses vom 08.08.2022 zugegangen waren, denn die Verfügung der Zuleitung erfolgte von der Vertretungsvorsitzenden Richterin Kunz erst am 08.08.2022 (Bl. 149 der LSG[ 14 ]Akte), was die ablehnende Befangenheitsentscheidung vom 08.08.2022 wie auch deren Inhalt umso auffälliger macht.

Aus der dienstlichen Stellungnahme der Richterin Dr. Reich-Malter vom 04.08.2022 ergibt sich kein Beitrag zum Inhalt des Befangenheitsgesuchs des Klägers vom 02.08.2022, der insbesondere bemängelt hatte, dass für die Entscheidungsfindung wesentliche Akteninhalte nicht beigezogen werden, darunter die Akte L 5 KR 403/21 B ER beim Bayer. Landessozialgericht, die die Nichtigkeitsklage vom 02.04.2022 enthalten müsste und damit die Zuständigkeit des 12. Senats für das hiesige Berufungsverfahren mehr als deutlich infrage stellt.

Außerdem wurde vom Kläger bemängelt, dass er den Eindruck der Befangenheit gewonnen habe, nachdem das Landessozialgericht durch Verfügung des Dr. Hesral vom 07.06.2022 (Bl. 35 d. LSG-Akte), nur rund einen Monat nach Berufungseinlegung, bereits mündliche Verhandlung auf Anfang Juli 2022 anberaumt hatte, obwohl vonseiten des Klägers in der Berufungsschrift vom 04.05.2022 angekündigt worden war, dass er eine „ausführliche, materielle Berufungsbegründung nachreichen“ werde (Bl. 1 der LSGAkte). Anders als beim Bayer. Landessozialgericht – auch im 12. Senat – üblich, wurde diese, nachdem sie einen Monat nach Berufungseinlegung noch nicht eingegangen war, vom Senat nicht durch eine Erinnerung angemahnt, sondern sofort Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, obwohl der Sachverhalt komplex und die sich stellenden formellen und materiellen Rechtsfragen für einen juristischen Laien durchaus schwierig sind. Es gab sicherlich andere Verfahren beim 12. Senat des Bayer. LSG, die wesentlich älter und entscheidungsreif waren. Die Terminierung auf nur zwei Monate nach Berufungseinlegung kam für den Kläger sehr überraschend und vermittelte ihm zutreffend den Eindruck der Willkür und der mangelnden Sachaufklärung durch den 12. Senat, zumal diesem bei der Terminsverfügung vom 07.06.2022 noch nicht einmal die Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens S 12 KR 2059/20 vorgelegen hatten ebenso wenig wie die vom Bayer. Landessozialgericht zur Beweiserhebung beigezogenen Akten S 12 KR 1268/20 des Sozialgerichts München (vgl. Bl. 54 der LSG-Akte).

Hierauf ging der ablehnende Befangenheitsbeschluss vom 08.08.2022 nicht ein, obwohl es sich um einen wesentlichen Kern der Argumentation des Klägers im Befangenheitsgesuch vom 02.08.2022 gehandelt hatte. Diesseits wird dies als Willkür bewertet.

Die abgelehnte Richterin Dr. Reich-Malter, Berichterstatterin, äußerte sich entgegen § 44 Abs. 3 ZPO nicht dienstlich zum Befangenheitsgesuch, was seinerseits einen Befangenheitsgrund darstellt. Sie führte lediglich aus, sie [ 15 ]fühle sich nicht befangen. Dies ist keine ordnungsgemäße dienstliche Stellungnahme zu den vom Kläger dargelegten Befangenheitsgründen. Den darauf zu stützenden Befangenheitsgrund konnte der Kläger indes nicht (mehr) geltend machen, weil ihm die dienstlichen Stellungnahmen unter bewusster Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Vorfeld der Entscheidung vom 08.08.2022 nicht zugeleitet wurden.

Der abgelehnte Richter Dr. Hesral, Vorsitzender, äußerte sich zwar dienstlich, ließ aber eine Äußerung ausdrücklich zu dem Umstand vermissen, weshalb er die Zuständigkeit des 12. Senats anhand der Gerichtsakte L 5 KR 403/21 B ER und der vom Kläger vorgetragenen Wiederaufnahmeklage vom 02.04.2022 nicht im Vorfeld der mündlichen Verhandlung ernsthaft prüfe. Es lag aufgrund des schriftlichen Sachvortrags des Klägers im Berufungsverfahren sehr nahe, dass der 12. Senat für die Entscheidung nicht zuständig ist und deshalb auch eine mündliche Verhandlung in falscher Besetzung am 10.08.2022 nicht statthaft ist.

Hierauf hätten sowohl der abgelehnte Richter Dr. Hesral, die abgelehnte Richterin Dr. Reich-Malter und der Beschluss vom 08.08.2022 eingehen müssen. Die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter wäre hierbei zwingend zutage getreten. Es kommt nicht darauf an, ob die abgelehnten Richter tatsächlich befangen sind oder sich befangen fühlen, sondern ob sie dem Kläger den Eindruck mangelnder Objektivität und Neutralität vermitteln. In der Zusammenschau der nicht erfolgten Aktenbeiziehung L 5 KR 403/21 B ER und der rekordverdächtig übereifrigen Terminierung zur mündlichen Verhandlung auf den 06.07.2022, ohne dass der Senat zuvor überhaupt den Inhalt der Gerichtsakten des SG München zur Kenntnis genommen hatte, lag nach hiesiger Auffassung die unsachliche Einstellung der abgelehnten Richter und somit die Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht des Klägers auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund war es willkürlich, wenn der Befangenheitsbeschluss vom 08.08.2022 diese Aspekte nicht abhandelte und daraufhin das Befangenheitsgesuch zurückwies, obwohl auch aus objektiver Sicht Befangenheitsgründe eindeutig vorgelegen hatten.

Bei zutreffender Würdigung wäre das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 02.08.2022 für begründet zu erklären gewesen. Die Rüge fehlerhafter Besetzung des Berufungsgerichts bei Erlass des angefochtenen Urteils kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkannt (vgl. BSG, Beschl. v. 25.10.2012, [ 16 ]Az. B 9 V 17/12 B – juris Rn. 15). Wenn ein zuvor erfolglos abgelehnter Richter an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hat und die Entscheidung der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen, manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, liegt ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG vor (vgl. BVerfGE 37, 67, 75). Die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts rechtfertigt es demzufolge auch, wenn die Ablehnungsentscheidung auf einem der Willkür vergleichbaren schweren Verfahrensmangel beruht, wie z. B. auf einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Gemessen an diesen Kriterien liegt der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel vor. Die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs im Beschluss vom 08.08.2022 beruht offensichtlich auf willkürlichen Erwägungen unter Außerachtlassung gerade der durchschlagenden Kernbegründung des Befangenheitsgesuchs vom 02.08.2022 wie auch dem bewussten Abschneiden der Möglichkeit des Klägers, zu den dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter im Vorfeld der Befangenheitsentscheidung Stellung zu nehmen.

Die Richterbank war bei der Urteilsentscheidung vom 10.08.2022 demzufolge nicht vorschriftsmäßig besetzt. Hierauf beruht das angegriffene Urteil vom 10.08.2022.

5. Fehlende Entscheidungsgründe

Der Kläger stellte im Berufungsverfahren ausweislich Seite 9 des Berufungsurteils (Bl. 284 der LSG-Akte) und Seite 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2022 (Bl. 238 der LSG-Akte) einen weiteren Antrag, der wie folgt protokolliert wurde:

„Da die Beklagte die Wahrheitspflicht verletzt und die Revisionsabteilung der TK den Vorgang vollumfänglich geprüft habe, sei das Prüfergebnis an den Kläger herauszugeben.“

Es geht hierbei um das Ergebnis der internen Revisionsabteilung des Beklagten über mögliches Mitarbeiterfehlverhalten. Der Kläger beantragte die Herausgabe des schriftlichen Prüfberichts von der Beklagten. Damit, dass das Landessozialgericht dies als „Beweisantrag“ ins Protokoll aufnahm, ist der Kläger nicht einverstanden. In Wahrheit stellt es auch keinen Beweisantrag [ 17 ]dar, denn der Kläger beantragte Herausgabe an sich und nicht – als Beweismittel – an das Gericht.

Dieser Antrag des Klägers wurde im Berufungsurteil vom 10.08.2022 abgelehnt. Eine Begründung hierfür fehlt. Damit fehlt es an wesentlichen Entscheidungsgründen im Berufungsurteil. Erfüllt ist der absolute Revisionsgrund des § 202 S. 2 i.V.m. § 547 Nr. 6 ZPO. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, auf den sich der Kläger beruft und auf dem das hier angegriffene Urteil beruht.

6. Fehlende Aktenbestandteile

Im Hinblick darauf, dass die Nichtzulassungsbeschwerde bereits aufgrund der vorstehend dargelegten Sachverhalte begründet ist, wird auf den nachfolgenden Verfahrensmangel nurmehr sehr knapp eingegangen.

Der Kläger rügt, dass der mündlichen Verhandlung und somit dem Urteil vom 10.08.2022 nicht sämtliche von ihm eingereichte Schriftstücke zugrunde gelegt wurden. Dies stellt einen Verstoß gegen § 153 Abs. 1 i.V.m. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG dar, wonach das Gericht „aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens“ heraus zu entscheiden habe. Wenn jedoch entscheidungserhebliche oder potenziell entscheidungserhebliche Aktenbestandteile für die zu treffende Entscheidung nicht vollumfänglich zur Verfügung standen, kann hierdurch kein „aus dem Gesamtergebnis“ heraus entwickeltes Urteil gesprochen werden.

Wesentliche vom Kläger eingereichte Schriftsätze mit Anlagen befinden sich nicht in der Gerichtsakte. Sie wurden der hiesigen Kanzlei auch nicht bei der kürzlich über das Bundessozialgericht beantragten Einsicht in die Gerichtsakte des Bayer. Landessozialgerichts zur Verfügung gestellt.

Verwiesen wird insoweit exemplarisch auf die De-Mail-Nachrichten, die der Kläger eingereicht hatte am

(1) 03.08.2022, 11:20 Uhr, Betreff: L 12 KR 202/22, p3001-3195

(2) 06.08.2022, 15:06 Uhr, Betreff: L 12 KR 202/22: Akten mit Verfahrensbezug, p641-704 (vgl. Anlage R 3)

(3) 09.08.2022, 14:08 Uhr, Betreff: L 12 KR 202/22: weitere Akte mit Verfahrensbezug, p41-75

Hinsichtlich (1) befindet sich beispielsweise in der LSG-Akte auf Bl. 134 f. nur die De-Mail-Eingangsbestätigung. Der Inhalt der De-Mail-Nachricht [ 18 ]wurde jedoch scheinbar nicht zur Akte genommen und wurde uns auch nicht im Rahmen der hier durchgeführten Akteneinsicht zur Verfügung gestellt.

Hinsichtlich (2) konnten wir nicht einmal die De-Mail-Eingangsbestätigung ausgedruckt in der LSG-Akte vorfinden, geschweige den Inhalt der elektronischen Nachricht.

Hinsichtlich (3) befindet sich in der LSG-Akte auf Bl. 168 f. wieder nur die De-Mail-Eingangsbestätigung. Der Inhalt der De-Mail-Nachricht wurde jedoch scheinbar nicht zur Akte genommen und wurde uns auch nicht im Rahmen der hier durchgeführten Akteneinsicht zur Verfügung gestellt.

Es entsteht beim Kläger der Eindruck, dass relevante Aktenbestandteile unterdrückt werden sollen. Sie lagen offenbar auch nicht bei der Urteilsfindung vor, was einen Verfahrensmangel darstellt, auf den sich der Kläger beruft und auf dem das Urteil gleichsam beruhen kann.

Bei der Akteneinsicht, die der Kläger am 29.08.2022 persönlich auf der Geschäftsstelle des Bayer. Landessozialgerichts vornahm, waren neben den gehefteten Gerichtsakten weitere Papierausdrucke vorhanden, die uns nun im Rahmen der hier begehrten Akteneinsicht nicht zur Verfügung gestellt wurden. Der Kläger hatte vom damaligen Inhalt der Gerichtsakten folgendes Foto angefertigt:

[ 19 ] Es ist zweifelhaft, ob der gesamte linke Stapel bei der mündlichen Verhandlung sämtlichen Beteiligten, Richtern, ehrenamtlichen Richtern und Beklagter, vorgelegen hatten, wenn diese Aktenbestandteile nun offenbar nicht einmal dem Bundessozialgericht zugeleitet werden, obwohl dieses mit Schreiben vom 27.09.2022 das Bayer. Landessozialgericht aufgefordert hatte, die in Papierform geführten Prozessakten, etwaige Beiakten und Beistücke zu übersenden.

II. Divergenz

Unabhängig von den oben dargestellten Verfahrensmängeln, die für sich genommen zur Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung (an einen anderen Senat des Bayer. Landessozialgerichts) führen müssen, weisen wir darauf hin, dass das Bayerische Landessozialgericht in seiner Hilfsbegründung zur materiellen Unbegründetheit der Klage in einem entscheidenden Punkt von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht.

Das Landessozialgericht stellte in Bezug auf die Frage, ob dem Kläger im vorliegenden Einzelfall auch nach Beendigung der „Familienangehörigen-Mitgliedschaft“ bei der Beklagten zum 30.09.2020 weiterhin ein Anspruch auf die Sachleistung (Arzneimittel) zusteht, folgenden Rechtssatz auf, der sich auf S. 15 des Urteils im obersten Absatz findet:

„Gemäß § 19 Abs.1 SGB V erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Gesetzbuch nichts anderes bestimmt ist. … Dies gilt auch für bis zum Ende der Mitgliedschaft bereits begründete, aber noch nicht erfüllte Ansprüche.“

Es setzt sich damit in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches Ausnahmen hiervon zulässt. Abweichend zum oben zitierten Rechtssatz des Landessozialgerichts heißt es im Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.05.2011, Az. B 3 KR 7/10 R – juris Rn. 11:

„Nachgehende Leistungsansprüche sind als Ausnahme von der das Versicherungsprinzip zum Ausdruck bringenden Regel des § 19 Abs. 1 Halbs. 1 SGB V grundsätzlich nur zulässig, wenn sie im SGB V bestimmt sind (§ 19 Abs. 1 Halbs. 2 SGB V). Entsprechende Bestimmungen finden sich ua in § 19 Abs. 2 und 3 SGB V, deren Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen. Darüber hinaus sind Abweichungen nur gestattet, wenn ein nachgehender Leistungsanspruch zum Schutz des Versicherten erforderlich ist.“ [ 20 ]Wäre das Landessozialgericht in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht davon ausgegangen, dass es auch über § 19 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V

hinaus Ansprüche (ehemaliger) Versicherter auf die Durchführung der bereits während der Mitgliedschaft entstandenen Leistungen gegen die frühere gesetzliche Krankenkasse gibt, wäre ein Urteil des Landessozialgerichts hinsichtlich des beantragen Versorgungsanspruchs zugunsten des Klägers ausgegangen. Insofern ist die festzustellende Divergenz auch entscheidungserheblich. Die vom Landessozialgericht unterlassenen Sachverhaltsfeststellungen zu den medizinischen Voraussetzungen der Versorgung mit dem begehrten Arzneimittel waren aus der Sicht des Berufungsgerichts zunächst folgerichtig und sind bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage nachzuholen.

Der Rechtsgedanke des § 19 SGB V bei seiner Einführung war gemäß der Gesetzesbegründung, eine bestehende Vielzahl nachgehender Leistungsansprüche auf ein „vertretbares Maß“ zurückführen (BT-Drs. 11/2237, S. 166). Vom nunmehr geltenden Versicherungsprinzip – im Gegensatz zum Versicherungsfallprinzip – dürfe nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Von dieser Zielsetzung ausgehend können zusätzlich zu den gesetzlich geregelten, aber vorliegend nicht einschlägigen, nachgehenden Leistungsansprüchen weitere Ausnahmen vom Versicherungsprinzip anerkannt werden, wenn eine den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen (§ 19 Abs. 2 und 3 SGB V) vergleichbare Interessenlage besteht.

Diese ist durch eine Versicherungsnähe, eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten und die Beendigung der Mitgliedschaft durch plötzliche, unvorhersehbare und unvermeidbare Umstände gekennzeichnet, wobei die für einen nachgehenden Leistungsanspruch notwendige besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten nur vorliegt, wenn ein solcher Anspruch erforderlich ist, um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden (BT-Drs. 11/2237, S. 166).

Diese Situation ist im vorliegenden Fall gegeben.

Hinreichende Versicherungsnähe folgt hier daraus, dass es sich unverändert um den identischen Versicherungsfall handelt, der bereits bei Antragstellung durch den Kläger während des Verwaltungsverfahrens vorgelegen hatte. Zur damaligen Zeit war der Kläger noch familienversichert bei der Beklagten.

Auch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers besteht unverändert fort. Es ist allgemeines Versicherungsprinzip und eine gerichtsbekannte Tatsache – die Richter selbst dürften inhaltsgleiche Verträge zur Beihilfeergänzung abge[ 21 ]schlossen haben – dass einen privaten Nachfolgeversicherer für einen früher eingetretenen Versicherungsfall grundsätzlich keine Leistungspflicht trifft. Dadurch besteht keine Möglichkeit des Klägers, den primären Anspruch gegenüber seiner neuen privaten Krankenversicherung geltend zu machen.

Das Ende von Familienmitversicherung beruhte nicht auf einem Willensakt des Klägers, sondern sie endete von Gesetzes wegen. Dies zeichnet die vorliegende Besonderheit des Einzelfalles aus. Das Ende war für den Kläger nicht planbar und jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung für das begehrte Medikament völlig unmöglich, denn während eines Zustandes von schwerwiegender Erkrankung besteht in aller Regel keine Möglichkeit, einen Versicherungsvertrag mit einem privaten Nachfolgeversicherer abzuschließen.

Nach Aktenlage endete die „Mitgliedschaft“ des Klägers von Gesetzes wegen aufgrund der Verbeamtung der Ehefrau des Klägers, wodurch diese aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausschied. Dies eröffnete eine zeitlich eng begrenzte Möglichkeit zur Rückkehr des Klägers in die PKV, welche es aus Sicht des Klägers aufgrund seiner negativen Vorerfahrungen mit der Beklagten dringlich wahrzunehmen galt. Einige PKV-Versicherer unterwerfen sich im Rahmen der sogenannten „Öffnungsaktion für Beamte“ einer einseitigen Kontrahierungspflicht, mit einem nach oben begrenzten Risikozuschlag auch für die Ehepartner der Beamten, und diese Möglichkeit nützte der Kläger im Oktober 2020, nicht ohne die Beklagte und das Gericht zum Zwecke einer alsbaldigen Erledigung des Versorgungsanspruchs in Kenntnis zu setzen.

In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt grundsätzlich das Sachleistungsprinzip, ein Versicherter muss dabei keine finanziellen Reserven halten, um in Vorleistung gehen zu können. Dies trifft auch bei der PKV in der Praxis zu, da Kostenerstattung nahezu immer vor der Fälligkeit von Rechnungen stattfindet, und bei kostenintensiven Arzneimitteln ist oberhalb einer Bagatellschwelle die direkte Abrechnung mit der Apotheke üblich. In diesem System soll die GKV die Bürger sicherlich nicht finanziell stärker belasten, als die PKV dies tut.

Bloßes Abstellen auf den Zeitpunkt der Mitgliedschaft zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung verletzt somit das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn in einer sonst identischen Lage käme es dann darauf an, ob ein Patient auf eine Verwaltung trifft, welche das Verfahren verschleppt oder nicht. Auch läge es in der willkürlichen Disposition der Gerichte, den Zeitpunkt der Entscheidung zu bestimmen und damit den Leistungsanspruch entweder zu bejahen oder zu verneinen. [ 22 ]Vorliegend wurde der Vorgang im Verwaltungsverfahren bereits mit dem 11.10.2020 zugunsten des Klägers entscheidungsreif. Zu diesem Zeitpunkt lagen nach Aktenlage auch die Voraussetzungen für einen gesetzlich normierten nachgehenden Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten vor. Der Kläger hatte die Beklagte und das Gericht rechtzeitig auf die Veränderung der Sachlage im Oktober 2020 hingewiesen.

Anstatt rechtzeitig in der Sache zu entscheiden, hatten sich Gericht und Verwaltung der Beklagten entschieden, das Verfahren zu verzögern.

Damit würde das Bestehen oder Nichtbestehen des Leistungsanspruches in der einseitigen Disposition der Verwaltung und der Gerichte liegen. Mit einem Begriff von Krankenversicherung ist es nicht vereinbar, wenn sich die Beklagte einseitig durch schlichte Verzögerung und unterlassene Amtsermittlung für leistungsfrei erklären könnte.

Klagegegenstand der Klage S 12 KR 1268/20 war nur die Genehmigungsfiktion und nicht die Sachleistung. Deshalb hatte der Kläger am 26.12.2020 die Klage S 12 KR 2059/20 zusätzlich und separat erhoben. Der im Verfahren S 12 KR 1268/20 ergangene Gerichtsbescheid ist deshalb im Hinblick auf den Sachleistungsanspruch des Klägers ein Schein-Urteil. Mit der Nichtigkeitsklage S 18 KR 32/22 gegen den Gerichtsbescheid aus dem Verfahren S 12 KR 1268/20 wird der Kläger die vom Sozialgericht unter Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Gerichtsverfahrens ergangene Gerichtsbescheids-Entscheidung außer Kraft setzen. Dass der Kläger hierbei den Nichtigkeitsgrund der fehlerhaften Gerichtsbesetzung geltend macht, weil die Vorsitzende Richterin Prof. Dr. Wicke, die den Gerichtsbescheid im Verfahren S 12 KR 1268/20 erlassen hatte, im Nachhinein – zur Verwunderung des Klägers – verlautbarte, dass sie sich „vom Kläger bedroht fühlt“, und dass sie hierbei die Besorgnis der Befangenheit beim Kläger offenbart, die er mangels vorheriger Kenntnis erst nach Rechtskraft des Gerichtsbescheids S 12 KR 1268/20 geltend machen kann, ist gut nachvollziehbar und hätte auch im Rahmen des Aussetzungsantrags des Klägers im hiesigen Berufungsverfahren L 12 KR 202/22 Berücksichtigung finden müssen. Dass der 12. Senat des Bayer. Landessozialgerichts dies nicht tat und die Aussetzung beschloss, stellt – wie oben ausgeführt – einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler dar.

[..], Rechtsanwalt